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Reportage

Auf dem Campingplatz zu arbeiten, ist wie auf dem Campingplatz zu leben, findet Leiterin Lena Luzi (links). Neben ihr: Geschäftsleitungsassistent Samuel Bischof, Fischer Adrian Gerny, Redaktorin Stine Wetzel, Küchenchef Maik Pfister, Geschäftspartner Florian Weber, Inhaber Michel Péclard und Beizenchef Zakariya Ibram (von links). Bild: Nicolas Zonvi

Die Adresse für Camper, Glamper und Fischknusperli

Von: Stine Wetzel

11. September 2018

Der Sommer brachte dem Betrieb Fischer’s Fritz am Stadtrand einen Camper-Rekord. Der Campingplatz ist ein Ort, an dem die Schickeria auf Touristen im Bademantel trifft, marokkanische Grossfamilien auf Professoren im VW-Bus – für die Serie «Am Puls» mittendrin: Redaktorin Stine Wetzel.

Nebelschwaden schieben sich über die Wasseroberfläche, die Segelboote schaukeln hin und her, die ersten Stimmen, Geschirrgeklapper. In Bademantel und Adiletten gehts zu den Waschräumen. Ein Morgen auf dem Campingplatz Fischer’s Fritz, am Stadtrand, kurz vor Kilchberg. 2010 hat Gastrounternehmer Michel Péclard den Campingplatz übernommen. Seither ist hier auch die Péclard-Zentrale untergebracht; im zweiten Stock des Häuschens am Campingeingang laufen die Fäden für alle Restaurants zusammen: unter anderem für die Pumpstation, das Grillrestaurant Coco, für die Milchbar.

Gerade hat Péclard das 20-Jahr-Jubiläum seines Gastro-Reigens gefeiert. «Damals, als ich mich für den Platz interessierte, fassten sich alle an den Kopf und fragten mich, was ich mit diesem Dreckscamping will, und heute ist es ein Place-to-be». Als sie den Platz übernahmen, sei er «ein Gefängnis» gewesen, «mit Stacheldraht, etlichen Verbotszeichen und um 22 Uhr wurde die Nachtruhe per Lautsprecher verkündet», sagt Florian Weber. Weber ist Péclards Geschäftspartner. Péclard: «Er ist der Gescheite, ich bin der Bauernschlaue.» «Das heisst so viel wie: Er geht in die Ferien und ich arbeite», gibt Weber zurück.

Wenn Péclard wirklich Ferien macht, dann keinesfalls auf dem Campingplatz. «Nach meiner Scheidung wollte ich auf dem Camping wohnen. Drei Nächte habe ich hier geschlafen, dann musste ich einsehen, dass Campen nicht meine Welt ist – zu viele Leute auf einem Fleck.»

Babysitter der grauen Eminenz

Die Chefs können auf einen Rekordsommer zurückblicken. Etwa 17 500 Logiernächte im Juli, im August ebenfalls. Spitzenbesuche bescheren dem Platz Events wie der Iron Man und die Street Parade. «Da konnte man kaum noch durchlaufen», sagt Samuel Bischof. Selbst auf dem Fussballfeld stand Zelt an Zelt. Bischof ist der «Babysitter der grauen Eminenz», so steht es auf seiner Visitenkarte. Er kennt alle Camper: den Professor aus Deutschland, der mit seinem VW-Bus vorbeikommt, wenn er an der ETH zutun hat, die Väter, die im Porsche mit den Söhnen vorfahren, Zürcher, die aus ihrer Wohnung rausmüssen, weil gemalert wird, verliebte Pärchen aus Italien. «Neulich machte hier eine marokkanische Grossfamilie mit vier Campern Halt. Sie hat für den ganzen Campingplatz gekocht.»

Das Problem mit den Dauercampern

Hinten am Zaun, mit Blick auf ihr Segelboot,  sitzen Heidi Nägeli und Toni Morganti vor ihrem Wohnwagen, bei Frühstücksei, Brot und Konfi. Sie sind Dauercamper, seit 30 Jahren. «Wir gehören zum Inventar», sagt Heidi Nägeli und lacht. Auf dem Platz stehen 35 Dauercamper. «Früher waren es viel mehr», sagt Geschäftspartner Florian Weber. «Es wäre am einfachsten und lukrativsten, alles zu vermieten. Aber wir wollen bewusst ein Platz für Touristen bleiben.» Vor vier Jahren hatte sich die Geschäftsleitung mit dieser Einstellung bei einigen Dauercampern unbeliebt gemacht. Weil sie die Dauercamper nach hinten versetzt hat, um die Plätze vorne am See für die Zelter freizuhalten. «Das Problem mit den Dauercampern: Sie kommen nur bei schönem Wetter und schlafen sowieso zu Hause in der Stadt.»

Lena Luzi leitet neuerdings den Campingplatz.  «Hier zu arbeiten, ist wie hier zu leben», findet sie. Heute sitzt sie an der Rezeption. Zu ihr kommen die Leute wegen Verlängerungskabeln, Adaptern, Wespenstichen, Glace. Neben dran: das Lädeli. Morgens gehen Kaffee und Gipfeli, nachmittags Bier und Wein über die Theke.

60 bis 80 Kilogramm Fischknusperli

Auch Glamping, Glamour-Camping, hat seinen Platz in Wollishofen bekommen: In zehn Safarizelten, eingerichtet wie Chalet-Schlafzimmer, und einem US-Camping-Klassiker Airstream-Overlander 27 kann man nobel schlafen. Die Buchungen sind ein Selbstläufer. «Die Nachfrage nach dem Luxusangebot ist gross», sagt Péclard, «aber wir wollen nicht auf Kosten des Campings ein Glampingplatz werden».

Diese Linie kann sich Péclard nur leisten, weil das Restaurant Fischer’s Fritz über die Stadtgrenzen hinaus bekannt ist und genug abwirft, dass es auch für den Campingplatz reicht. «Mit dem Restaurant haben wir eigentlich nur Luxusprobleme», sagt Beizenchef Zakariya «Zaki» Ibram. Ein Luxusproblem sind 200 Reservationen an einem Sommertag. «Zaki» hat das schönste Büro auf dem ganzen Platz: neben der Terrasse, mit unverstellter Seesicht. Er ist seit Anfang an dabei. Schlechte Tage auf dem Platz sind für ihn: «Wenns regnet – ganz einfach.» Küchenchef Maik Pfister pflichtet ihm bei: «Im Regen sind die Leute automatisch anders drauf.»

Pfister ist für alle Restaurants verantwortlich. Im Fischer’s Fritz arbeitet er diesen Sommer von acht bis 23 Uhr, vier Tage am Stück. Zuerst ist er nicht zu finden, weil er im Keller putzt. «Davor drücke ich mich nicht, nur weil ich der Chef bin. Wir haben hier flache Hierarchien.» Das Wort «Familie» fällt immer wieder. Sie gehen zusammen schwimmen, was trinken, in den Europapark.

Vier von fünf Restaurantgästen bestellen Fischchnusperli. 60 bis 80 Kilogramm werden pro Tag in der Küche zubereitet. Privat kann der Küchenchef keinen Fisch mehr sehen. «Und auch keine Pouletflügelei mehr – ich esse lieber Pizza.» 90 Prozent des Fischs, der in der Küche verarbeitet wird, kommt aus dem Zürichsee, von Berufsfischer Adrian Gerny. Gegen 2.30 Uhr fährt er mit dem Boot raus. Im Sommer zieht er Felchen, im Herbst Egli und Rotaugen, im Frühling Hecht aus dem See. An schlechten Tagen kommt er mit 5, an guten mit 100 bis 150 Kilogramm zurück. Das Fischer’s Fritz ist eine sichere Währung für ihn: Hier hat er seine feste Anlegestelle und mit dem Restaurant immer einen verlässlichen Abnehmer. Sobald er auch Fische im Kiosk abgeliefert hat, kommt ein Foto von der Auslage auf den Online-Dienst Instagram, Minuten später stehen die ersten Camper vor den Seeforellen.

Bewilligungs-Zoff

Fischer’s Fritz ist das ganze Jahr geöffnet. Im Sommer arbeiten hier bis zu 30 Personen, von Oktober bis März läuft der Betrieb reduziert. Damit fährt Péclard gut. Doch auch das Fischer’s Fritz hat seine Krisen. Letzen Sommer ertrank hier eine Person im See. Mit drei Promille Alkohol im Blut. Alle gucken betreten, als Péclard davon spricht. Auch 2015 wollen sie am liebsten vergessen. Ein Problemjahr. Weil die Stadt den Zeigefinger auf eine fehlende Bewilligung für das Aussenzelt des Restaurants legte, musste das Unternehmen das Sommergeschäft auf Eis legen und Hochzeiten absagen. Auch bei den Glamping-Zelten fehlte die Bewilligung: Mit ihrem Holzboden gelten sie rechtlich als feste Bauten. Für Péclard eine Nichtigkeit. «Kreativität hat einfach keinen Platz in dieser Stadt.» «Naja», sagt sein Geschäftspartner und lacht.

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