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Reportage

Besinnliche Vorweihnachts-Stimmung in der Kirche St. Peter und Paul (v. l. ): Udo Zimmermann, Kirchenmusiker, Karin Stepinski, Pfarreisekretärin, Arno Gerig, Sozialarbeiter, Nicole Alpiger, Sakristanin und Hausdienst, Tagblatt-Redaktorin Sibylle Ambs, Pfarrer René Bertchold, Corinne Eugster, Buchhalterin, Matthias Renggli, Vikar, Martin Conrad, Theologe.

Die Kirche mitten in der Stadt

Von: Sibylle Ambs-Keller

23. Dezember 2019

Die katholische Pfarrei St. Peter und Paul liegt zwischen der noblen Bahnhofstrasse und der berüchtigten Langstrasse und empfängt Gläubige aus über 60 Nationen. «Tagblatt»-Redaktorin Sibylle Ambs hat in Zürichs Mutterkirche hinter die Kulissen geschaut.  

«Man muss nicht katholisch sein für diesen Job, aber es ist von Vorteil.» Karin Stepinski war früher Direktionssekretärin am Unispital und arbeitete für nicht weniger als 23 Ärzte. Seit sechs Jahren ist sie im Pfarreisekretariat der Katholischen Kirche St. Peter und Paul in der Nähe des Stauffachers tätig. Obwohl es hier «nur» einen Pfarrer, einen mitarbeitenden Priester und einen Vikar gibt, ist ihr Aufgabengebiet nicht ohne: «Meine Arbeit ist fachspezifisch sehr anspruchsvoll und vielseitig. Man braucht zwei Jahre, bis man alle Zusammenhänge und Abläufe kennt.» Die 49-Jährige hat zwölf Jahre als Katechetin gearbeitet und kennt sich mit den katholischen Fachausdrücken, Bräuchen, Riten und mittlerweile auch mit den genauen Abläufen in der Pfarrei St. Peter und Paul bestens aus. «Die Pfarrei St. Peter und Paul wird auch ‹Mutterkirche› genannt. Sie ist die erste katholische Kirche, die nach der Reformation in Zürich gebaut werden durfte.» Pünktlich um halb neun Uhr schliesst Karin Stepinski die automatische Türe auf. Um diese Zeit ist die Frühmesse bereits fertig. Von Montag bis Freitag findet jeweils um Viertel vor sieben die Eucharistiefeier statt. «Die Frühmesse dauert rund eine halbe Stunde. Sie beinhaltet keine Predigt. Wir haben Besucher aus der ganzen Stadt, denn wir sind eine von nur zwei Pfarreien in Zürich, die täglich eine Frühmesse abhalten.» Viele von den Besuchern, so Stepinski, gingen danach zur Arbeit.

Anständig gekleidet ein Muss

Für den nächsten Gottesdienst um Viertel nach neun steht die Sakristanin Nicole Alpiger bereits mitten in der grosszügigen Sakristei. Helles Holz dominiert die Wände, die Decke ist hoch und weiss und in der Mitte des Raumes steht ein ausladender Tisch mit schweren Wälzern drauf. An Kleiderbügeln hängen verschiedene Tuniken.

Nicole Alpiger greift zur Weissen: «Nicht immer trägt der Sakristan eine Tunika. An meinem früheren Arbeitsplatz hatte ich keine, deshalb musste ich immer auf elegante Kleidung achten.» Denn für die Messe sollte man anständig gekleidet sein. Und da Nicole Alpigers Tätigkeit unter anderem auch das Vorbereiten der Räumlichkeiten für den Religionsunterricht, WC putzen und sonstige eher unheilige Arbeiten umfasst, ist sie froh um die Tunika. «Sobald ich mir das weisse Gewand überziehe, bin ich bereit.» Ihre Aufgabe als Sakristanin ist nicht nur die Vorbereitung der Messe, sie wird Pfarrer Berchtold auch während der Zeremonie unterstützen. Jetzt legt sie das Gewand für den Pfarrer bereit und platziert die Lesezeichen im Messbuch an die richtigen Stellen. An vielen Tagen gehört auch ein bisschen Hightech zu ihren Aufgaben. Die Kirche St. Peter und Paul ist nämlich mit Kameras bestückt, die die Messe direkt ins kircheneigene Altersheim nebenan überträgt. «Mit unserem Tablet steuere ich die Übertragung, damit die Bewohner im Altersheim die Messe möglichst authentisch verfolgen können.»

Feierlich und andächtig

Es ist inzwischen nach neun Uhr, Pfarrer René Berchtold ist noch nicht da. Nicole Alpiger öffnet leise die Türe in den Kirchenraum und zündet die Kerzen auf dem Altar an. Es sitzen bereits einige Besucher in den Bänken, die Stimmung ist trotz der Morgenstunde feierlich und andächtig. Noch während die Sakristanin die letzte Kerze entzündet, tritt ein älterer Herr auf sie zu, schüttelt ihr die Hand und überreicht ihr einen Papiersack aus der Bäckerei. «Man baut eine Beziehung zu den Menschen auf», so Nicole Alpiger. «Mit der Zeit kennt man die regelmässigen Besucher und macht sich Gedanken, wenn jemand plötzlich nicht mehr kommt.» Der Herr eben, erzählt sie, bringe ihr jeden Morgen ein Gipfeli vorbei.

Für Alpiger, die, wie sie es ausdrückt, «richtig katholisch» aufwuchs, sind die Kirche und die damit verbundenen Rituale wichtig. «Kirche ist für mich Leben. Sie ist ein Rhythmus, der alles durchzieht. Sie ist mein Anker in einem Alltag, der so schnell und flüchtig geworden ist.»

Jede Messe eine Wundertüte

Kurz vor Messebeginn betritt ein weiterer Protagonist die Sakristei – es ist aber noch immer nicht Pfarrer René Berchtold, sondern Kirchenmusiker Udo Zimmermann. Er wird heute die Orgel spielen. Gut gelaunt und kein bisschen nervös wirft er einen Blick auf die Liederliste: «Jede Messe ist eine Wundertüte, man weiss nie, was einen erwartet. Manchmal singen alle mit, manchmal hört man kaum Stimmen aus dem Kirchenschiff.» Heute sei die Liedauswahl eher für Kenner, lacht er. «Kein Evergreen auf der Liste!» Udo Zimmermann hat ein Studium in Kirchenmusik absolviert, das auch die theologischen Grundlagen beinhaltet. «Ohne Glauben könnte ich diese Arbeit nicht machen», ist er überzeugt. Die Tür zur Sakristei öffnet sich erneut und Pfarrer Berchtold betritt, mit dem Telefon am Ohr, den Raum. Nach Beendigung des Gesprächs wird das Handy durch das Messbuch ersetzt. Während sich der Pfarrer die Tunika überzieht, wirft er einen Blick auf die heutige Lesung und die entsprechenden Gebete und dann wird es auch schon Zeit. Organist Udo Zimmermann verschwindet dezent im hinteren Altarbereich und beginnt mit dem ersten Orgelstück. Nicole Alpiger nimmt seitlich im Chor Platz, während sich der Pfarrer neben dem Altar auf einen Stuhl setzt. Sobald das erste Stück verklungen ist, beginnt er die Messe mit ihren Ritualen, Gebeten, Liedern und der Lesung – genau so, wie sie überall auf der Welt abgehalten wird.

Nicht jeder akzeptiert Frauen

An diesem Morgen haben rund 50 Gläubige den Weg in die Kirche gefunden. Andächtig folgen sie dem Ablauf und nehmen zum Schluss die heilige Kommunion entgegen. Die verteilen der Pfarrer und Nicole Alpiger gemeinsam. «Es gibt Menschen, die wollen ihre Kommunion nicht von einer Frau empfangen, die stellen sich dann in die Reihe des Pfarrers», erklärt Nicole Alpiger. «Ich nehme das nie persönlich, in unserer Kirche hat es Platz für alle.» Um Viertel vor zehn ist die Messe beendet, die Kerzen werden gelöscht und die Tuniken in den Schrank gehängt. Zeit für eine Tasse Kaffee im Pfarreisekretariat.


Pfarrer René Berchtold ist der operative Chef der Pfarrei St. Peter und Paul. Bis letztes Jahr war er als Dekan auch der Verantwortliche aller katholischen Kirchen in der Stadt Zürich. Von diesem Amt ist er aber inzwischen zurückgetreten: «Auf einen Schlag hatte ich 40 Sitzungen weniger pro Jahr!» Aber auch so bleibt noch genug Arbeit für den umtriebigen Gottesmann. Der gebürtige Obwaldner ist 66 Jahre alt und seit 14 Jahren in der Kirche St. Peter und Paul tätig. Er hat als Vikar in Schwamendingen begonnen und war sogar für kurze Zeit bei der Schweizergarde in Rom. «Im Sommer 1975 war ich als Sommeraushilfe für drei Monate im Vatikan. Ich habe den damaligen Papst Paul VI persönlich kennengelernt.» In seiner Funktion in der Kirche ­St. Peter und Paul ist René Berchtold eine Art Kirchenmanager. Jährlich werden in der Stadt Zürich über 850 Trauerfeiern und Beisetzungen, rund 560 Taufen und über 300 Firmungen abgehalten. In der Pfarrei St. Peter und Paul waren es 70 Beerdigungen, 30 Taufen und sechs Jugendliche liessen sich firmen. Zurzeit steht bei René Berchtold der Bau des Hofgebäudes des Alters- und Pflegeheims St. Peter und Paul, das der Kirche angeschlossen ist, im Vordergrund. Hier jong­liert er mit Millionenbeträgen. «Ich habe zahlreiche Verwaltungsaufgaben, die schnelle und direkte Entscheidungen verlangen.» Als Pfarrer hält er mindestens einmal im Monat die Sonntagspredigt und als Seelsorger ist er auch immer da für seine Gemeinde. Er führt Gespräche mit Trauerfamilien, Taufeltern oder Heiratswilligen. «Für mich steht der Mensch immer an erster Stelle. Braucht jemand meinen Beistand, muss die Vorbereitung der Predigt warten.»

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