mobile Navigation

Reportage

Gruppenbild als Trockenübung: Marius Klein (Betriebsleiter Hallenbad Oerlikon), Simon Köchling (Badangestellter), Daniel Hof (stv. Betriebsleiter), Nora Kalaba (Badangestellte), «Tagblatt»-Redaktor Sacha Beuth, Avdush Dubovar, Heiri Stadler und Cornelia Riediker (alle Badangestellte, v. l. n. r.). Bild: Nicolas Zonvi 

Dienstleister für Wasserratten

Von: Sacha Beuth

19. März 2019

AM PULS Zürichs Hallenbäder erfreuen sich grosser Beliebtheit. Damit die Besucher in sauberem und warmem Wasser planschen und ihre Längen ziehen können, wird ein grosser Aufwand betrieben. «Tagblatt»-Redaktor Sacha Beuth durfte für die Serie «Am Puls» das Team des Hallenbads Oerlikon beim Reinigen, Messen und Überwachen begleiten.

Nora Kalaba öffnet die Eingangstür zum Hallenbad und springt schnell zur Seite. Sie tut gut daran, denn sofort stürmen gut zwei Dutzend Personen, die sich an diesem Morgen um 6 Uhr vor dem Hallenbad Oerlikon versammelt haben, ins Innere des Gebäudes. Doch wer sind diese Leute, die sich in aller Herrgottsfrühe ins Wasser stürzen? «Sportschwimmer und Triathleten, die vor der Arbeit Sport treiben wollen. Oder Rentner, die es vorziehen, in Ruhe ihre Längen zu schwimmen», antwortet Kalaba und ergänzt: «Heute war das übrigens gar nicht so aussergewöhnlich. Es gibt Tage, da warten doppelt so viele Leute vor der Tür.»

Während sich die 24-jährige Badangestellte in den Kassenraum begibt, um sich um Billettverkauf, Aboverlängerungen und Telefonanrufe zu kümmern, reinigt ihr Kollege Heiri Stadler (57) die zum Hallenbad gehörende Turnhalle. Zu Arbeitsbeginn um 5.20 Uhr hatten die beiden mit Simon Köchling (34), dem Dritten in der Schicht, bereits die Kasse eingerichtet, die Bistrotische aufgestellt, die Anzeigen gestartet, die Toilettenartikel nachgefüllt und die Leinen gespannt. Nun steht Köchling am Rand des grossen Beckens, um die Wasseraufsicht wahrzunehmen. «Eine Aufgabe, die volle Konzentration erfordert. Darum wird im Stundenrhythmus gewechselt», erklärt der stellvertretende Betriebsleiter Daniel Hof (52), der durch die Anlage führt. Dabei gehe es nicht nur darum, prophylaktisch gefährliche Situationen zu unterbinden oder im Notfall schnell einzugreifen, sondern auch dafür zu sorgen, dass nicht nur offizielle Vorschriften wie das Duschen vor der Beckenbenutzung, sondern auch ungeschriebene Regeln eingehalten werden. Hof bemerkt den fragenden Blick und erläutert: «Wir sind im Gegensatz zu den anderen Hallenbädern in Zürich ein Sporthallenbad. Dementsprechend teilen wir unser Hauptbecken auch so ein, dass es die Bedürfnisse unserer Hauptkundschaft möglichst optimal abdeckt.» An diesem Morgen sind zwei Bahnen für Freistil, eine für Brust, eine für Crawl, eine für Tempo und drei für gemütliches Schwimmen beschildert. «Nun gibt es Badegäste, meist sind es Neulinge, die ihre Schwimmfähigkeiten nicht richtig einschätzen können. Sie blockieren den Schwimmverkehr, spritzen anderen ins Gesicht oder schwimmen in die verkehrte Richtung. Das sorgt bei den Alteingesessenen für Ärger, weshalb wir dann die Verursacher bitten, auf eine für sie passendere Bahn zu wechseln.»

Die Führung geht hinter den Kulissen weiter. Hof zeigt die Technik der Anlage, die sich in den Räumlichkeiten neben und unter dem Badebereich befindet. Kompressoren für die Heisswassertanks, Heizungen, Lüftungsanlagen und Umwälzpumpen. Hinzu kommen riesige, mit Aktivkohle und Kieselmehl versetzte Filter. «Nur leider reichen Letztere alleine nicht, um die nötigen Hygienewerte des Badwassers zu erreichen», bemerkt Hof. «Darum führen wir aus Tanks, die sich in einem speziell gesicherten Bereich befinden, Chlorgas hinzu.» Damit das Chlor wirken kann, braucht es wiederum Schwefelsäure. Es gilt eine Balance von Chlorkonzentration und pH-Wert zu erreichen, bei der das Wasser zwar hautverträglich desinfiziert wird, ohne dass jedoch die Leitungen korrodieren. «Dreimal pro Tag führen wir deswegen für alle Becken Messungen durch. Dabei wird auch die Wassertemperatur kontrolliert, die je nach Becken zwischen 27,5 und 31 Grad betragen sollte.»

Um 7 Uhr nimmt der Betrieb im Bad weiter zu. Die Synchronschwimmerinnen der Limmat-Nixen haben die eine Hälfte des Sprungturmbeckens in Beschlag genommen, die andere Hälfte steht dem Verein Zürcher Wasserspringer zur Verfügung. Die Schwimmaufsicht hat inzwischen Heiri Stadler übernommen. Köchling, gelernter Kaufmann und im Sommer wie Stadler Betriebsleiter eines Freibads, macht sich gerade ans Trockenwischen der Garderoben und Abschwemmen der WCs und Duschen. Auch diese Arbeit wird täglich in Intervallen durchgeführt. Derweil haben Cornelia Riediker (34) und Avdush Dubovar (38) in einer Filterkammer das Wasser abgelassen, um darin von Hand zwei Filter von Rückständen zu befreien, die bei der zuvor erfolgten maschinellen Rückspülung nicht entfernt wurden.

«Was einen am meisten schlaucht, ist das Klima.»

Es ist beinahe 8 Uhr. An der Kasse bei Nora Kalaba rauscht eine Schulklasse vorbei. Gleich vier Stadtzürcher Schulen nützen das Hallenbad Oerlikon für den Schwimmunterricht. Köchling beobachtet kurz die Szene und macht sich dann weiter an seine Schrubberarbeit, wobei er ordentlich ins Schwitzen kommt. «Das liegt aber nur teilweise an der Arbeit selbst. Was einen in unserem Job am meisten schlaucht, ist das Klima. Gerade wenn man wie ich im Sommer draussen an der frischen Luft arbeitet und sich für die Wintersaison erst wieder umgewöhnen muss», erzählt Köchling. Betriebsleiter Marius Klein kommt hinzu und nickt. «Der Beruf eines Badangestellten ist anstrengend, aber auch sehr abwechslungsreich. Bei uns machen alle alles.» Mit seinem Team von insgesamt 14 Personen hat Klein dafür zu sorgen, dass jährlich rund 400 000 Besucher beste Bedingungen vorfinden. «Wir verstehen uns als Dienstleister, die ein rares Gut, nämlich eine gedeckte Wasserfläche der Stadt Zürich, möglichst gerecht zwischen all den Wasserratten aufteilen und pflegen müssen.» «Dann mach ich mich mal wieder an die Pflege», sagt Köchling, steht auf und verschwindet grinsend Richtung Schwimmbecken.

Bis zur Mittagszeit geht es nun etwas ruhiger zu und her. «Anschliessend kommen die ‹Über-Mittag-Schwimmer›, darauf folgt wiederum eine Phase mit weniger Betrieb, und ab 17 Uhr ist dann Rushhour mit Abendschwimmern und Vereinen. Danach übernimmt die Spätschicht die Tages-Endreinigung», erklärt Klein und fügt nicht ohne Stolz hinzu: «Und das läuft so jeden Tag, von 6 bis maximal 22 Uhr.»

Sind Sie bei Facebook? Werden Sie Fan von tagblattzuerich.ch

zurück zu Reportage

Artikel bewerten

Gefällt mir 5 ·  
5.0 von 5

Leserkommentare

Keine Kommentare