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Reportage

Ein Teil der «Tagblatt»-Reisegruppe auf der Bundeshaus-Terrasse. Bilder: Isabella Seemann

Drei Bundesräte – gute Quote!

Von: Isabella Seemann

26. März 2019

Mit dem luxuriösen Edelline-Bistrobus reisten 44 «Tagblatt»-Leser an die Frühlingssession nach Bern. Nach einer Führung durch die Hauptstadt und das Bundeshaus tauschten sie sich mit den Zürcher Nationalräten Regine Sauter (FDP) und Bastien Girod (Grüne) in einer kontroversen politischen Fragerunde aus.

Wenn 44 Zürcherinnen und Zürcher die Hauptstadt besuchen, präsentiert sich diese von ihrer schönsten Seite: der Himmel sattblau, die Altstadthäuser golden und das Panorama der schneebedeckten Berner Alpen mit Eiger, Mönch und Jungfrau wie auf einer Postkarte. Ideale Sightseeing-Bedingungen. Welcome-Bern-Stadtführerin Ursula Schoch übernimmt mit einem herzlichen «Grüessech» ein Drittel der Reisegruppe und führt es auf den Bundeshausplatz mit dem poetischen Wasserspiel aus 26 Fontänen, die allerdings gerade selber in Reinigung sind. Während sie mit Sachkenntnis und ansteckender Begeisterung die Bedeutung der Statuen an der Fassade des 1902 eingeweihten Parlamentsgebäudes erklärt, tritt ein Herr mit perfekt geschnittenem Anzug aus dem Haus. Für einen Moment ist er interessanter als die Figur der Freiheit. «Ist das nicht der Berset?», rufen die Zürcher aufgeregt. Er ist es, er hört seinen Namen, er winkt ihnen gut gelaunt zu. Die «Tagblatt»-Gruppe winkt dem Bundesrat fröhlich zurück. 

Wer hat den grösseren Hausberg?

Weiter gehts zum Münster, dazu gibts die Geschichte vom verheerenden Feuer im Jahre 1405. Fast alle Häuser brannten nieder und wurden schliesslich aus dem Sandstein wiederaufgebaut, der das Stadtbild des Unesco-Weltkulturguts prägt. Auf der Aussichtsplattform kommt es zu einem Disput, wer den höheren Hausberg hat: die Zürcher mit dem Uetliberg oder die Berner mit dem Gurten. Die Zürcher gewinnen um elf Meter und werden ihrem Ruf der Überheblichkeit gerecht, wie frotzelnd kommentiert wird. Tapfer trotzt die Reisegruppe der fiesen Bise, die durch die Berner Gassen zieht, und kommt pünktlich zum Glockenspiel am Zytgloggeturm. Dieser beweist, dass die Berner Humor haben: Ein Hahn kräht, ein Narr schellt zwei Glocken. Danach bewegt sich ein Umzug bewaffneter Bären aus dem Turm heraus. Zum Ende der Stadtführung wird es noch richtig gruselig: Der «Kindli­fresserbrunnen» zeigt eine Gestalt, die ein Baby verschlingt.

Höchste Zeit, in den historischen Kornhauskeller zu steigen. Das Mittagessen wird in einem der grossartigsten Gasträume der Schweiz unter Gewölben und Kronleuchtern serviert: Rindsschmorbraten an Chiantisauce, dazu sämiger Kartoffelstock. Ein weiteres Highlight des Tages. 

Premiere im Bundeshaus

Und das nächste folgt sogleich: der Besuch des Bundeshauses. «Ich bin sehr an Politik interessiert, schaue regelmässig politische Diskussionssendungen im Fernsehen und wollte schon immer mal eine Session im Bundeshaus miterleben», verrät der pensionierte Elektroingenieur Peter Herz aus Wiedikon. Mit 80 Jahren hat er sich diesen Wunsch erfüllt. Auch für die meisten anderen Teilnehmer ist es eine Premiere. Von der Zuschauertribüne aus verfolgen sie die Debatte über ein zwar wichtiges, aber staubtrockenes Thema: das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste. 

Die Wortbeiträge sind langatmig. Nur Justizministerin Karin Keller-Sutter, in deren Bereich das Dossier fällt, scheint den Rednern aufmerksam zuzuhören, wie die Besucher würdigend feststellen. Der Nationalratssaal ist halb leer, wer dort sitzt, tippt auf dem Laptop rum oder schwatzt mit Kollegen. «Das ist doch die Badran», «Dort hinten, der Giezi», «Schau, die Fiala», «Ist das nicht der Euroturbo?» Unmut macht sich breit. «Wo ist der Rest?», fragt einer. «Hier geht es ja zu und her wie im Hühnerstall», findet ein anderer. «Es fehlt an Respekt!», verdeutlicht ein Dritter. Die physische und mentale Abwesenheit der Parlamentarier verärgert einige Besucher. 

Regine Sauter (FDP) und Bastien Girod (Grüne) 
stellten sich den Fragen der "Tagblatt"-Leserschaft.

Dieses Thema und zahlreiche andere Probleme werden bei der anschliessenden exklusiven Gesprächsrunde für die «Tagblatt»-Reisegruppe mit den Zürcher Nationalräten Regine Sauter (FDP) und Bastien Girod (Grüne) unverblümt angesprochen. Von Altersarbeitslosigkeit bis Zubetonierung der Schweiz – die Parlamentarier sind herausgefordert, mit irgendwelchen Floskeln lassen sich die «Tagblatt»-Leser nicht abspeisen. Regine Sauter ermuntert sie schliesslich zur politischen Mitwirkung: «Es lohnt sich, mitzugestalten und Verantwortung zu übernehmen, statt es anderen zu überlassen und sich dann zu ärgern.» Und Bastien Girod ergänzt: «In der Schweiz haben wir das Glück, dass sich jeder politisch einbringen kann.» Einig wird man sich nicht, aber man geht wieder versöhnlicher auseinander. 

Auf dem Weg zum Car begegnen einige prompt noch Bundesrätin Viola Amherd, die aus dem im Bundeshaus Ost untergebrachten Militärdepartement kommt, und allein Richtung Tramstation spaziert. «Drei Bundesräte an einem Tag zu sehen», sagt «Tagblatt-»Leser Peter Herz anerkennend, «das ist eine gute Quote!» 

 

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