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Reportage

Flirten auf dem Smartphone: Zürcher stehen auf die Dating-App Blinq. Viel kommt aber dabei nicht raus. Bild: CLA

"Eine Frau zu suchen, ist eh blöd"

Von: Clarissa Rohrbach

04. März 2014

Die Hälfte der Zürcher ist ledig. Viele suchen ihre Dates online. Doch auf wen stehen sie? Das «Tagblatt» hat die Züri-Dating-App Blinq probiert: Ein Eigenversuch im Flirtdschungel.

Sexy, klug oder sportlich, wie bitte soll es sein? Ich klicke mich durch meine Fotos, bemüht, ein vorteilhaftes Profilbild hochzuschalten. Bei der Selbstvermarktung begleiten mich die Fragen: Was wollen die Zürcher? Was suchen sie in einer Frau? 53 Prozent der Bevölkerung in Zürich sind ledig. Wie viele davon tatsächlich Singles sind, ist schwer zu sagen, doch geht man von einem Anteil von 25  Prozent Alleinstehenden aus. Lieben die Zürcher allzu sehr ihre Freiheit? Haben sie zu hohe Ansprüche? Während einer Woche teste ich die Dating-App Blinq, um aus den einheimischen Männern schlau zu werden.

Erst mal muss ich warten. Bei Blinq entscheidet die Community, ob man toll genug ist für die Plattform. Das Aufnahmeverfahren kann von einer Stunde bis zu zwei Tagen dauern, je nachdem, wie gut jemand rüberkommt. «Wir wollten keine komischen Leute, wie das auf anderen Plattformen vorkommt. An eine Party lässt man auch nicht jeden rein», sagt Alex Zimmermann, der zusammen mit Jan Berchtold die App lanciert hat. Er suchte selbst eine Partnerin und regte sich über andere Plattformen auf: Diese seien entweder zu bieder oder zu vulgär. «Blinq ist locker und urban, 60 Prozent unserer User sind aus der Stadt.»

Mein Profil wird analysiert, die Chancen, mitmachen zu dürfen, sind zuerst «phänomenal», dann nur noch «hoch» und schliesslich «gut». Wer schon drin ist, entscheidet, wer herein darf, sodass keine unpassenden Eindringlinge in die geschlossene Gemeinschaft kommen. Nach acht Stunden habe ich es geschafft: Ich bin also «Züri-Flirt»-tauglich. Jetzt beginnt der fiese Teil. Bei jedem Kandidaten kann ich mich für ein «Hi» oder ein «Bye» entscheiden. Wer abgelehnt wird, hat nie mehr eine Chance, wer begrüsst wird, darf chatten, vorausgesetzt, er hat mich auch angenommen.

Die Flut an Bildern zeigt ein lebenslustiges Zürich. Nach meinen Vorlieben sortiere ich Sommerabende am Letten, Dachterrassenpartys im Kreis 4 und Drinks in Frau Gerolds Garten. Da sind die Coolen, die Ray-Ban-Brillen und Kopfhörer tragen. Die Reichen, die über den Zürichsee segeln und eine Partie Golf spielen Und die Sportlichen, die im Sommer surfen und im Winter Snowboard fahren. Weniger selbstüberzeugt kommen die Unbeholfenen daher. Sie fotografieren mit Blitz und ohne Instagram-Filter (ein No-go) und wagen es nicht, sich von vorn zu zeigen. Und dann sind da noch die Lustigen. Sie posieren Wodka trinkend und grinsend, inmitten von anderen betrunkenen Menschen.

Schnell sammle ich 20 Matches, also Männer, die mich ansprechend finden. Die erste Nachricht kommt zwei Sekunden später: «Hoi, bisch zwäg?» Die unoriginelle Ansprache dämpft zwar die Aufregung der ersten Konversation, doch ich antworte nett. Ob ich heute noch weggehe, will der 25-jährige Sebastian wissen, und ob ich morgen arbeiten werde. Wie unspannend, denke ich. Welche Clubs er denn möge, frage ich, in einem Versuch zu verstehen, wie er tickt. «Gonzo, Zukunft ...», meint er und schweigt. Mir fällt nichts mehr ein und ihm anscheinend auch nicht. Wir schicken uns lustlose Smileys, bis der Chat versandet. Zwei Stunden später lädt mich der Student unerwartet auf ein Date ein. Warum ist mir rätselhaft.

«Heteros können einfach nicht chatten», meint einer meiner schwulen Freunde, wir seien viel zu verkrampft. Gays hätten sich bereits vor zehn Jahren im Internet kennen gelernt, bei Mann und Frau sei das Chatten immer noch nicht richtig salonfähig. Das glaube ich ihm nicht und lese die nächste Nachricht: «Guten Morgen, wie gehts denn kurz vor dem Weekend?» Schon netter, der 30-jährige Banker Alexander.

Nach dem obligaten Small Talk frage ich ihn, was er denn suche. «Je nachdem, was sich halt ergibt. Es kommt halt schon drauf an, gell?» Worauf es ankäme, bohre ich nach. «Schwer zu sagen, oder?» Eine Frau sollte nicht 08/15 sein. Ich: «Bist du denn speziell?» Er: «Ich bin 08/16!» Das ist zu viel des Guten.

Der Nächste, Simon, Jurist, ist 32 Jahre alt und die letzten sieben davon Single. «Es ist kein einfaches Unterfangen, in Zürich eine Partnerin zu finden», schreibt er. Seine Nachrichten lesen sich wie ein einziges Lamento. Freiheit sei gut, aber jemanden zu haben eben auch. Man werde eben nicht jünger. Aber irgendwo da draussen warte schon die Richtige. Er suhlt sich so im Selbstmitleid, dass er nicht auf die Idee kommt, dass er die Richtige vielleicht hier antreffen könnte.

Sehr zielstrebig packt hingegen der 35-jährige Markus den Chat an. Der Optiker erforscht systematisch sein Gegenüber: «Was arbeitest du? Wo? Bist du in Zürich aufgewachsen? Treibst du Sport?» Seine letzte Freundin sei Russin gewesen, ganz sexy, aber Schweizerinnen seien auch «easy». «An den Zürcherinnen gefällt mir, dass man sich auf Züritüütsch unterhalten kann :-)» Ich versuche, mehr als nur seine linguistische Präferenz herauszufinden. Die Antworten: «Ja, vielleicht. Weiss nicht. Ab und zu.» Markus scheint doch nicht zu wissen, was er will.

Genervt von der allgemeinen Antriebslosigkeit, schreibe ich aus eigener Initiative einige Mitglieder an, die interessant wirken. Kein Einziger antwortet. Die alten Spielregeln gelten auch 2014 noch: Der Mann muss die Frau erobern. Na gut, ich warte wieder. «Gugus!», schreibt der 29-jährige Marco. Er trinke Kaffee im Garten, momol, er arbeite schon, aber nicht so viel. «Ich suche eigentlich keine Frau, suchen ist blöd.» Wieso er dann auf der Plattform sei, will ich wissen. «Keine Ahnung :-)» Ich frage, wo er wohnt. Er: «Willst du mir ein Guetnachtgschichtli erzählen? Hehe.» Zuerst irritiert mich das zweideutige Angebot, dann will ich sehen, wie schnell es hier zur Sache geht. «Ja, ein heisses Gschichtli. Heute Abend bei dir?» Nach kaum einer halben Stunde ist der Fall klar: «Ja sicher, wieso nicht?», antwortet Marco.

Nach einer Woche ziehe ich Bilanz: Von 20 Männern haben mich 10 angesprochen, daraus ergab sich ein Date und ein Sexangebot. Die Kandidaten wirkten wie ratlose Teenager, die nicht wirklich eine Partnerin wollen und sich auch keine Mühe geben. Im Zürcher Singleleben herrscht offensichtlich Verwirrung. Hauptsache, man bleibt locker und bekennt nicht Farbe.

 

Die Dating-App Blinq zählt 10 000 Mitglieder. Jeden Tag wächst die Plattform um 100 Personen. Letztes Jahr wurde Blinq zur zweitbesten Life­style-App der Schweiz gekürt. Die Mitglieder sind zwischen 18 und 35 Jahre alt, Städter und gut vernetzt. «Wir sind keine Plattform für Verzweifelte», sagt Gründer Alex Zimmermann, «Blinq ist eine App für Leute, die keine Dating-App brauchen, und vor allem bei Zürchern beliebt.» Seine Flirttips: Männer mit Bart und Hund kommen besonders gut an. In der ersten Nachricht sollte man Bezug auf das Foto oder ein gemeinsames Hobby nehmen. Ein simples «Hallo» langweile.

www.joinblinq.com

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Leserkommentare

Georg Waser - Mein grösstes Problem bei solchen Dating-Apps sind immer die ernüchternden Momente, wenn man die Person aus dem Chat im echten Leben trifft und sieht, dass deren Aussehen nicht wirklich dem entspricht was man auf den Profilbildern gesehen hatte.

Vor 8 Jahren 9 Monaten  · 
Noch nicht bewertet.

me too - die authorin vergisst dabei das kleine aber feine detail vom verhalten der meisten schweizer damen in online dating plattformen, nämlich meist nur inaktiv herumzuhocken und warten bis man(n) sich meldet. so gesehen darf sie sich nicht wundern das mehr die
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Vor 8 Jahren 6 Monaten  · 
Noch nicht bewertet.