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Reportage

Der Narzisst Alejandro S. sackte Geld seiner Firma ein, um in Saus und Braus leben zu können. Bild: paparazzit

Er veruntreute Geld für ein bisschen Luxus

Von: Isabella Seemann

30. August 2016

Im Gerichtssaal: Vertrauen ausgenutzt - Ein Sachbearbeiter hat Firmengelder auf sein Konto umgebucht und sitzt nun auf einem Schuldenberg.

«Es ist mir bewusst geworden, dass ich eine Persönlichkeit an den Tag legte, die unzumutbar war.» So beschreibt sich der 33-jährige Alejandro S.* vor Gericht. Eine Therapie habe ihm den Zugang zu seiner Seele eröffnet. Er musste erfahren, dass er ein ganz anderer ist, als er glaubte. Er dachte, die andern hielten ihn für einen tollen Hecht, und er war doch nur ein schwacher Geist, der sich Anerkennung mit Geld erkaufte. Mehr Schein als Sein, sagt der Secondo, Sohn von spanischen Fabrikarbeitern. Edle Anzüge tragen, chic essen gehen, Partys in den angesagtesten Clubs von Zürich und Luxus-Wochenenden in Paris, Mailand und London: «Ich habe mit den falschen Leuten verkehrt, weit über meiner Klasse.» Er hatte im Rechnungswesen eines Zürcher Autohauses gearbeitet und Barzahlungen von Kunden nicht verbucht, sondern für sich selber abgezweigt, sowie Kleinbeträge vom Konto des Arbeitgebers aufs eigene umgeleitet und manchmal wieder etwas auf verschiedene Firmenkonten zurück. Er stopfte immer irgendwelche Löcher. Die Löcher wurden zu Kratern. Er nahm die Summe erst zur Kenntnis, als er kurz vor Weihnachten 2013 aufflog: 89 000 Franken fehlten in der Firmenkasse.

Freundschaften erkauft
Alejandro steht im eleganten grauen Anzug, mit polierten Lederschuhen und blütenweissem Hemd im Verhandlungssaal des Bezirksgerichts, angeklagt, weil er Geld veruntreut und auch seine Arbeitskollegen bestohlen hat. Aus seiner Aktenmappe nimmt er Notizblock, Aktenordner und einen Glücksbringer in Gestalt eines Wurzelmännchens, das er vor sich aufs Pult stellt. Alejandro muss als zuverlässig gegolten haben, sonst hätten ihm seine Vorgesetzten wohl nicht die Kasse und die Buchhaltung anvertraut.

Alejandro bekam professionelle Hilfe, Schuldenberatung und Psychotherapie. Ein Gutachter diagnostizierte eine schwere narzisstische Persönlichkeitsstörung mit depressiven Anteilen. «Eine Krankheit, Schicksal, ich habe mir das nicht ausgesucht.» Einen Teil der Verantwortung schreibt er seinem Los zu. Eigentlich wollte er immer besser sein, als er sich leisten konnte. Mit «ominösen Luftbuchungen» bezahlte er den Eltern die Renovation ihres Häuschens in Spanien. Er erkaufte sich Freundschaften. Er übernahm den grösseren Part in der Partnerschaft, Miete, Ferien. Die Freundin teilte mit ihm das luxuriöse Leben – die Kosten teilte sie nicht. «Ihr war klar, was ich verdiente», sagt Alejandro, «aber sie hat keine Fragen gestellt.» Als er die Klinik verliess, erfuhr er, sie sei längst anderweitig untergekommen.

Jeden Rappen zurück
Der Verteidiger verhandelt mit dem Gericht die Höhe der Strafe. Sein Mandant sei durch die Folgen seiner Tat genug bestraft: Er lebe auf dem Existenzminimum, mit seinem Job im Callcenter arbeite er seine Schulden ab. Um seine Not zu unterstreichen, knickt Herr S. ein und mimt den reuigen Sünder. «Ich bezahle jeden Rappen zurück, wenn nötig bis ans Lebensende.» Dazu kommen nun noch die Busse von 1700 Franken sowie die Verfahrenskosten, die er begleichen muss. Der Richter setzt jedoch die Geldstrafe, 250 Tagessätze à 50 Franken, zur zweijährigen Bewährung aus, weil die Prognose günstig sei. In einem halben Jahr wird Herr S. Vater von Zwillingen. Ein Kind verbessert die Prognose. Eine Prognose, die sich auf nichts stützt als auf die vage Hoffnung, dass der Mann sich ändert. Alejandro S. hat eine neue Lebensgefährtin, bodenständig, sparsam veranlagt, bescheiden. Die Feierabende und Wochenenden mit ihr sehen anders aus als früher, sie gehen spazieren und führen gemeinsam ein Milchbüchlein.

* persönliche Angaben geändert

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