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Reportage

Der ehemalige BVZ-Lernende Areyto Rodriguez bildet heute selber Lehrlinge aus.

Erfolgreiche Lehre im zweiten Anlauf

Von: Ginger Hebel

08. April 2014

Die Stiftung BVZ schafft Lehrstellen für junge Leute und investiert in ihre Zukunft. Der 25-jährige Areyto Rodriguez machte die Lehre dort und bildet heute in der Privatklinik Bethanien selbst Lehrlinge aus.

Nie hätte Areyto Rodriguez gedacht, dass er es bis zum stv. Leiter Technischer Dienst bringen würde – und das mit 25, denn eine Zeit lang sah es nicht gerade gut für ihn aus. Er machte eine Lehre als Elektriker, doch da flog er raus. «Das war eine blöde Situation. Ich dachte mir: ‹Und was machst du jetzt, wie geht es jetzt weiter?›» Zufällig wurde er auf die Stiftung Berufslehr-Verbund Zürich (BVZ) aufmerksam und konnte seine Lehre als Fachmann Betriebsunterhalt EFZ bei der Epilepsie-Stiftung und in der Privatklinik Bethanien erfolgreich abschliessen. «Ich weiss nicht, was passiert wäre, wenn ich diese Möglichkeit nicht bekommen hätte», sagt Rodriguez.

Die Stiftung wurde mit dem Ziel gegründet, dem Lehrstellenmangel entgegenzuwirken, indem man Ausbildungsplätze schafft. Die Lernenden absolvieren beim BVZ eine Verbundlehre und werden dabei von zwei Fachpersonen betreut, darunter einem Praxisausbildner vor Ort. Jugendliche, welche die Abschlussprüfung nicht auf Anhieb bestehen, können beim BVZ das dritte Lehrjahr nachholen und es erneut probieren; auch solche, die trotz Bemühungen keine Lehrstelle finden, erhalten hier die Möglichkeit, eine Ausbildung zu machen. Areyto Rodriguez absolvierte in der Privatklinik Bethanien das zweite und dritte Lehrjahr und wurde danach fest angestellt. Sieben Jahre arbeitet er nun schon hier, er kennt den Betrieb wie ­ seine Westentasche. Eigentlich wollte er nach der Lehre umherreisen, durch Mexiko, das Heimatland seines Vaters, doch dann kam das verlockende Jobangebot. «Mir wurde die Stelle zum stv. Leiter Technischer Dienst angeboten, die wollte ich nicht ablehnen.»

Aktuell macht er Weiterbildungen und hat sich für zwei weitere Jahre bei seinem Arbeitgeber verpflichtet. Der ehemalige BVZ-Lernende bildet heute sogar selbst Lehrlinge aus, unterstützt sie bei den Prüfungsvorbereitungen und lässt sie nicht nur zuschauen, sondern motiviert sie zum Selbermachen. «Viele haben Mühe, selbstständig zu arbeiten. Aber wenn man nur zuschaut, denkt man sich, man kann das auch. Doch wenn man es dann selber machen muss, sieht es ganz anders aus.» Aktuell hat er Chamyn Robles unter seinen Fittichen. Der 22-Jährige mit amerikanischen und chilenischen Wurzeln macht hier das dritte Lehrjahr zum Fachmann Betriebsunterhalt. In dieser Funktion wartet und reinigt man Gebäude und Aussenanlagen, überwacht die Haustechnik und führt Reparaturen aus. «Das ist ein abwechslungsreicher Beruf, und die Gebäude werden immer aufwendiger, da braucht es uns.»

Gemeinsam machen die jungen Männer einen Sicherheitsrundgang durch die Privatklinik. «Da steckt jemand im Lift fest», ruft Areyto Rodriguez. Die Frau im Lift steht unter Zeitdruck, sie möchte mit ihrem Töchterchen zum Babyschwimmen, doch sie behält die Fassung. Rodriguez rennt die Treppen runter in den ­Maschinenraum, zieht den Lift schwitzend hoch zur nächsten Etage, Chamyn Robles holt den Liftschlüssel und befreit die Frau aus ihrer misslichen Lage. Die beiden wechseln kaputte Lampen im Operationssaal aus und sind zur Stelle, wenn das Spitalbett nicht hochfährt, im Patientenzimmer der Safe klemmt oder die Heizung knackt. «Wir haben immer wieder Kontakt zu den Patienten, darum sind ­gepflegtes Auftreten und der richtige ­Umgangston wichtig.»

Die Privatklinik Bethanien bildet seit vielen Jahren BVZ-Lernende aus und gibt der motivierten Jugend somit eine zweite Chance. Chamyn Robles fühlt sich hier gut aufgehoben und gefordert. In der Oberstufe fingen bei ihm die Probleme an, die Noten rasselten in den Keller, und irgendwann war ihm die Schule – wie vielen – nur noch egal. Seine Lehre bei einer grossen Reinigungsfirma bestand er nicht, hinzu kamen Konflikte mit den Vorgesetzten, «sie wollten mir keine zweite Chance geben». Daraufhin hat er über 200 Bewerbungen geschrieben und nur Absagen erhalten, «das war frustrierend.» Er jobbte im Geschäft seines ­Vaters, ging ins Ausland, und als er ­zurückkam, waren seine Kollegen mit der Lehre fertig, sogar sein kleiner Bruder, nur er selbst nicht. «Dass alle plötzlich weiter waren als ich, hat mich runtergezogen. Doch mittlerweile hat es bei mir klick gemacht.» Heute weiss er auch, warum es damals nicht geklappt hat. «Ich war zu wenig selbstständig, habe kaum Verantwortung übernommen im Betrieb, daran will ich arbeiten.»

Er nimmt die Tipps und Ratschläge von Areyto Rodriguez an. Die beiden Männer sind in einem ähnlichen Alter, das erleichtert den Umgang, und Anregungen wirken weniger belehrend. Rodriguez weiss selbst, wie es ist, wenn man Lehrling ist. Er kennt den Druck und die Angst, zu versagen. Chamyn Robles hat ­Respekt vor beidem. «Er hat schon sehr viel ­erreicht für sein Alter. Er hat sich hochgearbeitet, ich will es auch schaffen.»

 

Die Verbundlehre

Die Stiftung Berufslehr-Verbund Zürich (BVZ) wurde 1999 gegründet und schafft Lehrstellen in der Stadt Zürich. Anfangs wurden vier Lehrstellen angeboten, heute werden in über 180 Einsatzbetrieben 220 Lernende in über 13 verschiedenen Berufen ausgebildet. Die Stiftung fördert Jugendliche, die keine Lehrstelle finden oder die Abschlussprüfung nicht bestanden haben und einen zweiten Anlauf nehmen wollen. Im Unterschied zu einer herkömmlichen Lehre wechseln BVZ-Lernende jedes Jahr den Einsatzbetrieb. Für Lehrbeginn August 2014 sind noch Lehrstellen offen. Gesucht werden auch laufend Betriebe, die jungen, motivierten Menschen einen Ausbildungsplatz und somit eine Chance geben möchten.
Infos: 044 278 81 00. www.berufslehrverbund.ch

 

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