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Reportage

Matthias Schmidlin in seinem Rammstein-Universum. Bild: JS

"Es gibt dann nur noch Rammstein"

Von: Jan Strobel

31. Mai 2016

Fankultur: Die Rockband Rammstein tritt am Samstag in Luzern auf. Der Zürcher Matthias Schmidlin gehört zu ihren leidenschaftlichsten Bewunderern.

Wenn man Matthias Schmidlin (30) fragt, was für ihn Magie bedeutet, dann wird es dunkel. Es ist diese Dunkelheit kurz vor der Show, in die das Publikum eingehüllt ist, elektrisiert. Die Blicke sind nach vorne zur Konzertbühne hin gerichtet. Und Schmidlin, der jeweils schon seit Stunden ganz vorne steht, als einer der Ersten unter den Tausenden, erwartet wie kein anderer den Auftritt seiner Helden. Wenn sie dann kommen, mit gewaltiger, düsterer Wucht, «dann bin ich vollkommen geflasht. Es gibt in diesen Momenten nur noch Rammstein», sagt er, und auf seinen Unterarmen zeichnet sich Gänsehaut ab, als ob ihn der brachiale Rock auch im Gespräch wieder durchströmte. 

Schmidlin, IT-Spezialist, gehört wohl zu den leidenschaftlichsten Rammstein-Fans der Stadt. Andere mögen bei Justin Bieber oder Lady Gaga in Verzückung ausbrechen, für Schmidlin sind es die Männer um Sänger Till Lindemann und Gitarrist Richard Zven Kruspe mit ihrer «Neuen Deutschen Härte». Um die Rockband, 1994 von ehemaligen DDR-Punks in Berlin gegründet, ist während der letzten zwei Jahrzehnte ein regelrechter Kult entstanden. Dabei sorgte Rammstein immer wieder für Kon­troversen. Besonders in ihrer Anfangszeit mussten sich die Rocker vorwerfen lassen, sie würden sich schamlos einer Nazi-Ästhetik bedienen, gar faschistoides Gedankengut verbreiten. Die Liedtexte riefen regelmässig harsche Reaktionen hervor. Der Song «Ich tu dir weh» etwa stand in Deutschland für kurze Zeit auf dem Index wegen Gewaltverherrlichung. «Die Aufregung hat sich mittlerweile gelegt, nachdem sich Rammstein ganz klar von den Vorwürfen distanziert hat», sagt dazu Schmidlin.

Heute würden sie als Freigeister wahrgenommen und als Künstler akzeptiert. Tatsächlich ist die Band längst Teil der weltweiten Popkultur geworden. Davon zeugen auch die zahlreichen Auszeichnungen von mehreren Echos bis zum MTV Europe Music Award. Das Album «Liebe ist für alle da» bekam 2009 in der Schweiz eine Platinauszeichnung und hielt sich 29 Wochen lang auf Platz 1 der Charts. Am Konzert diesen Samstag auf der Allmend Luzern werden 70 000 Rammstein-Fans erwartet.

In seiner Wohnung hat sich Schmidlin sein Rammstein-Universum eingerichtet. Von Rammstein-Bechern bis zu etlichen Rammstein-Postern findet sich hier alles – und natürlich darf auch der Metallkoffer mit den Dildos und Handschellen nicht fehlen, der als Gadget zur Rammstein-Single «Pussy» geliefert wurde. Herzstück und gewissermassen das Heiligtum der Sammlung sind allerdings zwei Originalgitarren von Richard Zven Kruspe, die eine sogar versehen mit den Signaturen aller Bandmitglieder. «Als das Ding in meiner Wohnung stand», erzählt Schmidlin, «habe ich mir einen Whisky eingeschenkt und die Gitarre einfach stundenlang angestarrt.» Darauf zu spielen, kommt für ihn nicht infrage; die Unterschriften könnten beschädigt werden.

Ein persönliches Treffen mit den Musikern schliesst Schmidlin allerdings aus: «Ich wäre wahrscheinlich zu nervös», schmunzelt er. Sein Rammstein-Ohrenring funkelt geheimnisvoll in der Sonne.

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