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Reportage

Die Menschen vom Verein SENIORimPULS (v. l. n. r.): Giovanni Wyder, Annette Forrer, Theresia Buholzer (Mitte), Hermine Schoots, Elisabeth Baumann.

"Es ist noch so vieles möglich im Alter"

Von: Ginger Hebel

12. März 2013

Der Zürcher Verein SENIORimPULS lässt Menschen rund um die Pensionierung nicht allein. Aktive Rentnerinnen und Rentner begleiten Seniorinnen und Senioren im Übergang in die dritte Lebensphase und geben Impulse für eine sinnvolle Lebensgestaltung.

Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, wo wichtig ist, was man macht und was man hat. Umstrukturierungsmassnahmen haben zur Folge, dass viele gegen ihren Willen den Job verlieren oder frühpensioniert werden – und in ein Loch fallen. Auch für all die anderen, die bis zur Pensionierung ihren beruflichen Verpflichtungen nachgehen, stellt sich irgendwann die Frage: Und was kommt jetzt? Eine Gruppe von aktiven und qualifizierten Zürcher Seniorinnen und Senioren hat vor einem Jahr den Verein SENIOR­imPULS gegründet. An monatlichen Stammtischgesprächen im GZ Riesbach tauschen sie mit Interessierten Ideen aus und diskutieren ­darüber, wie man den Ruhestand gestalten kann. Und sie laden zu Impulsveranstaltungen mit Referenten ein (siehe Infobox rechts). Die Frauen und Männer von ­SENIORimPULS – alle zwischen 66 und 73 Jahre alt – haben den Übergang in den dritten Lebensabschnitt hinter sich und wollen ihre Erfahrungen teilen.

Die Präsidentin des Vereins und Innovage-Beraterin Eva Bohren war früher Psychologin und weilt gerade in Asien. Sonst noch dabei: die Hönggerin Theresia Buholzer, eine ehemalige Sozialarbeiterin; Annette Forrer, die lange im sozialpsychiatrischen Dienst tätig war, damals kaum Zeit für Hobbys fand und erst im Alter die Wanderlust für sich entdeckte; Giovanni Wyder, ein ehemaliger Kadermann, der im Personalwesen arbeitete und nach der Pensionierung mit seiner Frau ein Jahr lang einen Tag pro Woche Tixi-Taxi fuhr. Heute ist er Innovage-Berater und betreut Projekte, weil er damit etwas Sinnvolles für die Gesellschaft tun will. Da ist Elisabeth Baumann, die im Alter die neu gewonnene Freiheit geniesst. Und die ­Holländerin Hermine Schoots, die Erwachsenenbildnerin und Maltherapeutin war, heute einer Irakerin Deutsch beibringt, ein Haus in Südfrankreich renoviert und letztes Jahr sogar noch einmal heiratete, weil das Leben schliesslich nicht vorbei ist, nur weil man pensioniert ist.

Bei SENIORimPULS finden jeweils am ersten Dienstag im Monat Stammtischgespräche statt. Wen sprechen sie an, und worüber wird diskutiert?
Theresia Buholzer: Es ist ein Zusammensein in offener Runde. Wir diskutieren darüber, was uns in der jetzigen Situation bewegt. Ein Thema ist die Veränderung und wie man mit ihr umgeht. Wir richten uns an Personen, die pensioniert sind oder es bald sein werden und einen Treffpunkt mit Gleichgesinnten suchen.

Im Alter verändert sich das Leben. Die Kinder sind ausgeflogen – was bleibt, ist der Partner oder aber nicht mal mehr dieser. Geht es bei dem Seniorenstammtisch auch darum, wieder ein Zugehörigkeitsgefühl aufzubauen?
Hermine Schoots: Ganz genau. In unserer Gesellschaft ist es wichtig, was man arbeitet, man wird darüber definiert. Wenn man pensioniert ist, bleibt die Frage, wer bin ich noch? Wo gehöre ich hin? Es ist wichtig, dass man in diesem Lebensabschnitt neue Leute kennen lernt; dazu sind unser Stammtisch und unsere anderen Angebote auch da.
Theresia Buholzer: Unsere Grundidee war, Pensionäre für Freiwilligeneinsätze zu motivieren. Schnell haben wir aber gemerkt, dass die meisten in erster Linie ein neues soziales Netz suchen – Menschen, mit denen man gemeinsam etwas unternehmen kann. Die Motivation für Freiwilligenarbeit ist uns aber nach wie vor wichtig.

Vielen älteren Menschen fehlt der Elan. Sie leben das Gegenteil vor: Sie sind aktive Seniorinnen und Senioren. Was ist Ihre Motivation?
Alle: Wir wollen etwas Sinnvolles für uns machen – und etwas für die anderen. Hermine Schoots: Ich bin dafür, dass man nach der Pensionierung Dinge tun sollte, die man schon immer machen wollte. Es ist noch so vieles möglich im Alter, man muss nicht auf Sparflamme leben.

Sie engagieren sich auf freiwilliger ­Basis; einige von ihnen unterstützen noch andere Projekte, z. B. bei Innovage. Vielen fehlt im Alter aber das Geld, sie würden lieber etwas dazuverdienen.
Hermine Schoots: Ja, das ist ein Problem. Viele Frauen meiner Generation haben, wie ich, eine sehr kleine Rente. Ich verstehe Leute, die nicht gratis arbeiten können.
Elisabeth Baumann: Auf der Plattform Rentarentner.ch kann man Annoncen aufgeben und sich anbieten, z. B. für Garten- oder Renovationsarbeiten, und so etwas dazuverdienen.

Nach der Pensionierung vermissen viele den strukturierten Alltag. Wie haben Sie diese Zeit der Umstellung erlebt?
Hermine Schoots: Ich habe damals gerne aufgehört zu arbeiten, weil eine Umstrukturierung stattfand, die mir nicht gefiel. Zwei Jahre zuvor haben mein Mann und ich ein Haus in Südfrankreich gekauft und nie gedacht, dass es in unserem Leben so wichtig werden würde. Wir verbringen heute mehrere Monate im Jahr in Frankreich, heuen und gärtnern. Ich mache Konfitüre, und fühle mich dabei schon fast wie eine Bäuerin. Das hat mir immer gefehlt, endlich habe ich die Möglichkeit dazu.
Theresia Buholzer: Ich wurde frühpensioniert, gegen meinen Willen, und hatte damit grosse Mühe. Ich hätte mich gerne selbstständig gemacht, aber mir fehlte damals der Mut, vielleicht, weil durch die Frühpensionierung mein Selbstwertgefühl beeinträchtigt war. Heute setze ich mich nebst der Tätigkeit bei ­SENIORimPULS bei Innovage ein und organisiere den Höngger Zmittag-Träff.
Elisabeth Baumann: Ich hatte etwas Angst vor der Pensionierung, darum habe ich mich gleich danach bei Innovage angemeldet, wo ich mich gerne engagiere. Aus heutiger Sicht weiss ich, dass es damals zu früh war. Ich hätte Zeit gebraucht, um einfach einmal gar nichts zu machen.
Giovanni Wyder: Letztes Jahr ist meine Frau gestorben. Ich habe ein grosses Bedürfnis, aktiv zu sein. Deshalb setze ich mich für gemeinnützige Projekte ein, damit andere von unserem Erfahrungswissen profitieren können.

Was ist das Schönste am Ruhestand?
Elisabeth Baumann: Die Freiheit. Nicht mehr eingebunden zu sein in fixe Strukturen. Ich habe die Lust auf Kino entdeckt, schaue dank dem Projekt Filmzirkel von Innovage Filme, die ich mir früher nicht angeschaut hätte, einfach aus Interesse.
Annette Forrer: Dass man nicht mehr immer nur muss. Und Zeit hat und Musse fürs Wandern und Lesen.

SENIORimPULS: An den Stammtischgesprächen sind Menschen willkommen, die pensioniert sind oder es bald sein werden. Nächste Treffen: 2. April, 7. Mai, 4. Juni. Morgen am 14. März um 19.30 Uhr hält Anselm Burr ein Referat zum Thema Zugehörigkeit. Wo: GZ Riesbach, Seefeldstrasse  93 (Preis: 15  Fr.) Anmeldung: info@seniorimpuls.ch; Infos: 044 781 33 74, www.seniorimpuls.ch

Innovage: In diesem Verein engagieren sich Seniorinnen und Senioren mit Führungs- oder Beratungserfahrung. Schweizweit gibt es über sieben unabhängige Netzwerke mit diversen Projekten. In Zürich u. a den Filmzirkel oder den Höngger Zmittag-Träff. Infos: www.innovage.ch

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