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Reportage

Jessy aus Honduras ist neu beim Gartenprojekt dabei. Sie flüchtete mit Mann und Tochter, weil die politische Lage in Honduras ein sorgenfreies Leben unmöglich mache. Bilder: GH

Flucht ins Gartenparadies

Von: Ginger Hebel

06. August 2019

Integration: In verschiedenen Familiengärten in der Stadt Zürich gärtnern Freiwillige gemeinsam mit ­Flüchtlingsfrauen. Die Gärten sind sozialer Treffpunkt und Arbeitsort zugleich. Vielen Frauen bedeutet der Garten alles, denn hier können sie ihre schlimmen Erlebnisse für ein paar Stunden ausblenden.

Der Garten blüht, das Gemüse gedeiht. Jedes Beet ist vorbildlich gepflegt. Die Afghanin Mahjan betreibt seit drei Jahren eine Gartenparzelle im Familiengartenareal Auzelg in Schwamendingen. «Wenn ich hier bin, dann ist mein Kopf frei», sagt die 36-Jährige. Wegen des Kriegs flüchtete sie mit ihrem Mann nach Zürich, wo sie in einem Flüchtlingsheim untergebracht sind. Mahjan hat schlimme Erinnerungen an ihre Flucht, sie ist oft traurig, vermisst ihre Familie. Jetzt lernt sie Deutsch.

Sie breitet den Teppich unter dem Apfelbaum aus, trinkt ein Glas Tee und macht Deutschaufgaben. Wenn ihr die Worte fehlen, hilft ihr Landsfrau Jamila, die auch im Garten arbeitet. Sie erzählt von ihrem früheren Leben in Afghanistan, in der Hauptstadt Kabul. «Wir hatten keine Gärten, nur kaputte Häuser.» Jamila ist dankbar, dass sie in der Schweiz leben darf. «Ich mag dieses Land. Ein Garten ist etwas Gutes für die Seele.» Wenn sie Sorgen hat, spricht sie lieber mit den Blumen als mit Menschen, «es fällt mir leichter».

Schlimme Zeiten vergessen

Um die Integration von geflüchteten Frauen zu fördern, pachtet das Heks in Zürich, Winterthur und Schaffhausen Gartenparzellen und bewirtschaftet diese mit den Migrantinnen. Lisa Moser ist Leiterin des Heks Neue Gärten Zürich/Schaffhausen und seit der ersten Stunde mit dabei. Sie arbeitete früher als Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Stadt Zürich, mit 50 Jahren orientierte sie sich beruflich neu und engagiert sich seither für Geflüchtete. «Die Gartenarbeit ist eine gefragte Sache. Für die Flüchtlingsfrauen ist es ein Ort, wo sie ihre schlimmen Erlebnisse für ein paar Stunden ausblenden können.» In Schwamendingen, Friesenberg und Balgrist gärtnern aktuell 28 Migrantinnen, sie werden von Freiwilligen wie der Botanikerin ­Ilona Sutter unterstützt. «Für mich zählt der soziale Aspekt.»

Pflanzen und Samen bringen die Flüchtlingsfrauen selbst mit. Alles, was sie setzen, dürfen sie ernten und mit nach Hause nehmen. Fatima hackt fleissig Unkraut. «Der Garten bedeutet mir alles», sagt die 55-Jährige, die vor einigen Jahren aus Bosnien in die Schweiz kam.

Jessy ist neu beim Gartenprojekt dabei. Sie flüchtete mit Mann und Tochter, weil die politische Lage in Honduras ein sorgenfreies Leben unmöglich mache. Die 33-Jährige arbeitete in ihrer Heimat im Marketing, ihr Mann als Arzt. «Wir hatten gute Berufe, hier eine gleichwertige Arbeit zu finden, ist schwierig.» Doch alles, was für sie zählt, ist, keine Angst mehr zu haben. «In Honduras ist es zu gefährlich, sein Kind allein in die Schule zu schicken.» Dennoch müsse sie sich an die neu gewonnene Sicherheit erst gewöhnen. Was bleibt, ist die Sehnsucht nach dem Meer.

Weitere Informationen:

www.heks.ch
www.engagiert.jetzt

 

 

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