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Reportage

Im Papierlager des Druckzentrums Zürich: "Tagblatt"-Redaktorin Ginger Hebel, Walter Lütolf, Leiter Verlagslogistik, Stefan Abbt, Leiter Zeitungsproduktion, Jürg Mosimann, Geschäftsführer Druckzentrum Zürich (v.l.n.r) Bild: Nicolas Y. Aebi

Frisch ab Druckpresse

Von: Ginger Hebel

12. März 2019

Das Druckzentrum Zürich an der Bubenbergstrasse 1 ist die grösste und leistungsstärkste Zeitungsdruckerei der Schweiz. Pro Nacht werden hier 800 000 Zeitungen gedruckt, darunter auch das «Tagblatt der Stadt ­Zürich». «Tagblatt»-Redaktorin Ginger Hebel war für die Serie «Am Puls» mittendrin im Druckprozess.

Stillstand kennt man hier nicht, denn gedruckt und produziert wird jeden Tag und jede Nacht, ob kleine oder grosse Auflage, sieben Tage, nonstop. Das Druckzentrum Zürich druckt wöchentlich rund 10 Millionen Tages- und Wochenzeitungen im Tabloid- sowie Broad­sheet-Format, darunter auch das «Tagblatt der Stadt Zürich», die älteste Zeitung der Schweiz.

195 Personen arbeiten im Druckzentrum Zürich, viele seit Jahrzehnten, wie Stefan Abbt (50), Leiter Zeitungsproduktion. «Egal, welche Schwierigkeiten es gibt, die Zeitung muss erscheinen. Es gibt nichts Älteres als eine Zeitung von gestern.» Er ist seit 32 Jahren im Betrieb. Nach einer Lehre zum Fotolithografen arbeitete er sich intern hoch, wurde Abteilungsleiter Spedition und Rotation und hat heute die gesamte Zeitungsproduktion unter sich. Er weiss, wie der Laden läuft, und schätzt an seinem Job, dass jeder Tag eine neue Herausforderung mit sich bringt. «Die Menschen, die Materialien, die Maschinen – das fasziniert mich.»

Druckbeginn. Die ersten Minuten erfordern die meiste Konzentration. «Beim Andruck sind die ersten 3000 Exemplare oft fehleranfällig», erklärt Stefan Abbt. Die Zeitungen werden von den Mitarbeitenden auf Mängel geprüft, aussortiert und im Papiersilo gesammelt, wo sie in den Recyclingprozess gelangen. Wenn die Druckmaschine nicht ein gewisses Tempo fahre, sei das Farbe-Wasser-Verhältnis nicht optimal, was Fehldrucke zur Folge habe.

Offsetdruck ist das ausgereifteste Hauptdruckverfahren. Im ersten Druckwerk wird das Papier zwischen zwei Walzen durchgeführt und dabei einseitig und im Anschluss im zweiten Druckwerk von der anderen Seite bedruckt. Als Bildträger dienen dünne Druckplatten aus Aluminium. Jede einzelne Platte wird mit Daten aus dem Computer per Laser bebildert. Die nicht zu druckenden Elemente der Druckplatte nehmen Wasser an und stossen Farbe ab, bei den zu druckenden Elementen wie Buchstaben ist es umgekehrt. Der «Tagblatt»-Drucker schafft 85 000 Zeitungen pro Stunde. Die Prozesse sind standardisiert, doch komplexe Produktionen gibt es laufend, darunter fällt auch das «Tagblatt der Stadt Zürich», weil es meist Beilagen enthält. «Wir verteilen im Gesamten 302 Millionen Beilagen pro Jahr. Um jede in die richtige Zeitung einzustecken, muss man den Kopf bei der Sache und den Prozess im Griff haben», sagt Geschäftsführer Jürg Mosimann. Walter Lütolf, Leiter Verlagslogistik, ist zuständig dafür, dass das Produkt an den Mann respektive an die Frau gebracht wird. «Die Herausforderung ist, die in der Nacht gedruckten Zeitungen bis 5 Uhr überall ausgeliefert zu haben», sagt ­Walter Lütolf.

Die Druckzentren in Zürich, Bern und Lausanne sind Unternehmen von Tamedia. Dennoch werden hier auch Produkte von der Konkurrenz gedruckt, darunter die «Blick»-Titel. «Jede Zeitungs- und Bildredaktion hat andere Ansprüche», erklärt Jürg Mosimann. Während der «Blick» boulevardmässig und knallig daherkommen soll, wünscht man bei der NZZ eine dezentere Farbführung. Auch Inseratekunden hätten eigene Vorgaben an die Druckqualität. Während die Zeitungen von morgen gedruckt werden, stehen die Mitarbeiter an den Maschinen, lesen und diskutieren. «Mich interessiert, was in der Zeitung steht. Und ich mag es, etwas in der Hand zu haben», sagt Stefan Abbt.

Die Technik sei verlässlich. «Eine Druckmaschine ist wie ein Traktor. Teuer in der Beschaffung, aber wenns mal läuft, dann läufts.» Eine Störung sei für den Betrieb daher verheerend. Bei der letzten grossen IT-Störung weilte Chef Mosimann in den Sardinien-Ferien. «Wir müssen immer erreichbar sein, das ist Teil des Jobs.» Er erinnert sich an den Zwischenfall, als ein Marder im EWZ-Unterwerk Selnau in ein Kabel biss. «Wir hatten einen 40-minütigen Stromun­terbruch, da kommt man echt ins Schwitzen.»

Jürg Mosimann ist auf dem Weg ins Papierlager. Mit aktuell 1400 Tonnen auf 1114 Rollen verteilt ist es gut gefüllt, doch der Schein trügt. «Könnten wir nur aus dem Lager Papier beziehen, würde das maximal drei Tage reichen, wenn wir die Umfänge selber bestimmen könnten», sagt der 50-Jährige. Täglich wird Papier per Bahn angeliefert. Das Papier im Lager ist dazu da, die Seitenumfänge auszugleichen. Bis vor kurzem war der Markt für Zeitungspapier noch von enormen Überkapazitäten geprägt. Jetzt hat sich das Blatt gewendet. Das Schweizer Papier geht aus. Nachdem die Papierfabrik Utzenstorf Ende 2017 schliessen musste, wird jetzt nur noch im luzernischen Perlen Pressepapier hergestellt. Der Rest kommt aus dem Ausland, doch auch hier tobt ein harter Verdrängungswettbewerb. Die Nachfrage nach Zeitungspapier ist rückläufig, die Hersteller reduzieren Kapazität, der Preisdruck ist daher enorm. «Letztes Jahr hatten wir erstmals einen Papierengpass. In der Konsequenz mussten wir die Zeitungsumfänge reduzieren, das war höchst unangenehm», resümiert Mosimann.

Die Druckbranche ist eine Männerdomäne, dennoch zählt das Druckzentrum Zürich aktuell mehr weibliche Lehrlinge als männliche, auch die erste Zeitungsdruckerin der Schweiz wurde hier ausgebildet. Was für eine Bedeutung hat sie denn, die gute alte Zeitung? Stefan Abbt überlegt kurz und sagt dann: «Viel. Ich lebe davon.»

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