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Reportage

Guido Bleiker quittiert über das Sprachrohr einen Befehl von Kapitän Wieders. Bild: Sacha Beuth

Guido und Peter machen Dampf

Von: Sacha Beuth

05. August 2014

Bevor ein ZSG-Dampfschiff Passagiere über den Zürichsee fahren kann, muss es jeden Morgen von Maschinisten aufgeheizt werden. Das «Tagblatt» hat zugeschaut.

Morgens kurz nach 8 Uhr in der Werft Wollishofen. Der Zürichsee ist fast spiegelglatt. Wie es sich für ihr Alter ziemt, liegt die 100-jährige Stadt Rapperswil ruhig vertäut am Quai. Bis ­Peter Witprächtiger (53) und Guido Bleiker (51) um die Ecke biegen und das Schiff betreten. Die beiden Maschinisten der Zürcher Schifffahrtsgesellschaft haben die Aufgabe, der alten Dame wortwörtlich einzuheizen. «Als Erstes müssen wir den Brenner einschalten. Dieser ­erwärmt die 12 000 Liter Wasser im Kessel, bis wir einen Druck von 11 Bar erhalten. Das Ganze funktioniert im Prinzip wie ein riesiger Dampfkochtopf», erklärt Witprächtiger. Und macht bereits ordentlich Lärm.

In der Zwischenzeit hat Bleiker alle Hähne für die Entwässerung geöffnet. «Wir wollen ja nicht, dass uns das Ding um die Ohren fliegt», grinst er. Dann entfernt er das Öl von der Umsteuerung, das am Abend zuvor zwecks Schutz vor Rost angebracht wurde, und gibt ­frisches Öl auf die über 50 Schmierstellen. Witprächtiger überprüft nun den Wasserstand im Kessel. «Hat es zu viel drin, fliesst es in die Maschine. Hat es zu wenig, kann der Kessel ausglühen.» Während er die Schläuche und Schrauben auf Festigkeit und Dichte kontrolliert, erklärt er: «Das Wasser stammt übrigens aus dem See. Es wird ins Schiff gepumpt, gefiltert, auf 90  °C erhitzt, in den Kessel geführt, verdampft dort, arbeitet in der Maschine und wird dann in der Kondensations­pumpe mit kaltem Wasser gemischt und wieder in den See entlassen.» Alles wie zu den Anfangszeiten der Dampfschifffahrt. «Nur dass wir heute mit Ökodiesel statt mit Kohle heizen. Was also aus dem Kamin kommt, ist nicht Dampf, sondern sind Abgase.»

Als Nächstes werden der Dieselgenerator, der den Strom für die Bordküche liefert, sowie die Dampfturbine eingeschaltet. Ist die Stromversorgung vom Land abgekoppelt und hat das Schiff abgelegt, versorgt die Turbine Pumpen, Brenner und Ruderanlage mit Strom.

Die beiden Maschinisten erledigen ihre Aufgaben routiniert und ohne sich gross abzusprechen. «Das ist auch selten nötig. Während der Saison sind wir an sieben aufeinanderfolgenden Tagen von 8 bis 20 Uhr zusammen. Erst dann gibts ein, zwei Tage Pause. Die Überzeit wird dann im Winter kompensiert», erzählt Witprächtiger und fügt mit schalkhaftem Lächeln hinzu: «Wir sehen uns mehr als unsere Frauen. Darum haben wir sie auch so gern.» Seit 27 Jahren ist Witprächtiger bei der ZSG. Erst als Matrose und Kassier, nun als Motorist und Maschinist. «Ich liebe diesen Job. Allerdings muss man der Typ dafür sein.» Unter anderm auch einer, der schwüle Hitze gut verträgt. «Im Sommer kanns hier unten schnell 40, manchmal ­sogar 60  Grad heiss werden.»

Ganz so schlimm ist es an diesem Tag nicht, trotzdem fühlt man sich wie in einer Sauna und ist froh, dass Kapitän Pascal Wieders, der inzwischen mit dem Rest des Teams an Bord gekommen ist, zum Briefing ruft. Danach nehmen alle ihre Positionen ein, das Schiff legt ab und nimmt Kurs auf den Bürkliplatz. Witprächtiger und Bleiker halten nun den ganzen Tag die Maschine in Gang und folgen den Anordnungen, die ihnen Kapitän Wieders über das Sprachrohr gibt. Kurz nach 10 Uhr hat die Stadt Rapperswil am Bürkliplatz angelegt. Die Passagiere strömen auf das Schiff. Die Sonne strahlt vom ­Himmel herab. Es wird ein heisser Tag – erst recht für die beiden Ein­heizer vom Zürichsee.

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