mobile Navigation

Reportage

In Fan-Montur durch Zürich zu laufen, ist für Deutsche inzwischen kein grosses Problem mehr – anders als noch vor wenigen Jahren. Bild: PD

Hopp Deutschland!

Von: Tanja Selmer

01. Juli 2014

Deutschland steht im Viertelfinal der Fussball-Weltmeisterschaft. Auch in Zürich strömen die Fans zum Public Viewing und feiern – anders als früher – selbstbewusst mit.

Wenn die Zuschauer beim Public Viewing voller Inbrunst die Nationalhymne mitsingen, dann sind das garantiert nicht die Deutschen. Er habe sein Bestes gegeben, sagt Philipp, Student an der ETH, sei aber der einzige seiner Gruppe gewesen, der mitgesungen habe. Sein Kollege Rüdiger verteidigt sich: «Selbst die Spieler summen ja höchstens. Es liegt eben an unserer Geschichte, dass uns die Hymne nicht so leicht über die Lippen geht.» Sobald die DFB-Elf aber ein Tor geschossen hat, fällt der Jubel umso leichter – und das sogar öffentlich, mitten in Zürich.

Angepöbelt und beleidigt

Das ist gar nicht so selbstverständlich. Vanessa Matthiebe, Präsidentin des Deutschen Clubs Zürich, erinnert sich noch gut daran, wie man ihr bei der WM 2002 «viele blöde Sprüche an den Kopf warf», weil sie Deutsche ist. In ein Public Viewing hätte sie sich erst gar nicht getraut. Auch 2004 erzählten ihr zahlreiche Landsleute, wie sie im Deutschlandtrikot Pöbeleien und Beleidigungen zu hören bekamen. Und 2006 waren die Aggressionen auf Schweizer Seite immer noch sehr hoch. Anfeindungen, abgeknickte Deutschland-Fahnen und Schweizer Jubel bei jedem Tor gegen Deutschland schienen noch an der Tagesordnung. Zum Fussballschauen blieben die Deutschen lieber daheim oder fuhren gleich über die Grenze. «Gleichzeitig begann allerdings in Zürich eine Zeit der Entspannung – wenn auch langsam», sagt Matthiebe. «Die WM im Gastland Deutschland und der sympathische Auftritt der deutschen Mannschaft damals haben sicher dazu beigetragen.»

Auch Rolf Hiltl, Chef des gleichnamigen Restaurants, beobachtet, seit er ab 2008 Public Viewings ausrichtet, eine stetige Verbesserung im Verhältnis der Schweizer zum deutschen Fussball und seinen Fans. «Nach der grossen Einwanderungswelle der Deutschen kennt man ihre Kultur jetzt hier besser und ist eher bereit, sie auch zu akzeptieren.» Das dauere eben ein paar Jahre, «das war früher bei den Italienern ja ähnlich.» Und ob eine Nation akzeptiert ist oder nicht, das zeigt sich eben sehr gut beim Fussball.

Bei den Deutschen steigt jedenfalls mit jeder Europa- und Weltmeisterschaft das Selbstbewusstsein, sich zu ihrer Mannschaft auch in Zürich zu bekennen. Dieses Jahr strömen sie zu Hunderten im Trikot, geschmückt und geschminkt in Schwarz-Rot-Gold zu den Public Viewings und feiern ausgelassen – auch wenn sie Hupkonzerte in der Langstrasse noch eher sein lassen. Vereinzelt sind Zürcher sogar selbst Fans der deutschen Nationalelf, so wie Student Noah: «Die Deutschen sind einfach super organisiert und spielen den schönsten Fussball. Da macht das Zuschauen Spass.» Vom guten Spielen allerdings sei die Sympathie der Schweizer für die Deutschen bei jeder WM oder EM immer abhängig. Davon ist Vanessa Matthiebe überzeugt: «Wenn die Deutschen einfach nur mit Glück siegen, würde die Stimmung garantiert gleich wieder kippen.» In diesem Sinne drücken wir den Deutschen am Freitag nicht nur die Daumen, sondern setzen darauf, dass sie – anders als zuletzt gegen Algerien – gegen Frankreich wieder gut organisierten und schönen Fussball zeigen.

Sind Sie bei Facebook? Werden Sie Fan vom Tagblatt der Stadt Zürich!

zurück zu Reportage

Artikel bewerten

Gefällt mir 2 ·  
5.0 von 5

Leserkommentare

Keine Kommentare