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Reportage

Anna Joss, stellvertretende Leiterin der Denkmalpflege und Architekt Andreas Landolf begutachten den Terrazzoboden im Artergut. Bild: SB

Im Einsatz für die Gesichtspflege Zürichs

Von: Sacha Beuth

09. Februar 2018

Für die Bewahrung von kulturellen Bauten ist in der Stadt Zürich die Denkmalpflege beim Amt für Städtebau zuständig. Deren stellvertretende Leiterin Anna Joss zeigt am Beispiel der Renovationsarbeiten im Artergut, nach welchen Kriterien Schutzmassnahmen bestimmt und umgesetzt werden.

Fassade stammt vom lateinischen facies ab, was Gesicht bedeutet. Generell wird damit das Äussere eines Bauwerks bezeichnet. Und dieses steht bei der Denkmalpflege neben der inneren Gebäudestruktur im Fokus, da es den Charakter eines Gebäudes oder gar Strassenzuges (siehe Box) widerspiegelt und es sich damit um einen schützenswerten Bestandteil handeln kann. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Denkmalpflege könnte man damit gut als Pfleger des Gesichts der Stadt Zürich bezeichnen.

Um aufzuzeigen, welche Aufgaben diesen dabei zukommen, hat Anna Joss (38), stellvertretende Leiterin der Denkmalpflege, zu einem Besuch des Arterguts an der Klosbachstrasse 25 Nahe des Kreuzplatzes geladen. Die Villa wurde 1789 erstellt, hat zahlreiche Umbaumassnahmen hinter sich und ist seit 1919 im Besitz der Stadt Zürich, die es zuletzt als Kindertagesstätte nutzte. Gegenwärtig sind unter der Leitung von Architekt Andreas Landolf (45) Renovationsarbeiten im Gang. Auch hier gilt es unter anderem, das Antlitz zu erhalten. «Was gar nicht so einfach ist, denn seit dem 18. Jahrhundert hat sich einiges verändert, das wir heute berücksichtigen müssen. Und dies ist manchmal schwierig mit den angedachten Schutzmassnahmen zu vereinbaren. Es braucht immer eine Gesamtbetrachtung und oft gilt es abzuwägen», sagt Joss.

Terrazzoboden bleibt

Beim Artergut betrifft dies den Kalkverputz. «In diesem Fall übertraf der Wert der Erhaltungsmassnahmen den der energetischen Anforderungen, weshalb ein dünnerer Verputz gewählt und so bei der Fassade vielleicht nicht die maximale Energieoptimierung erreicht wurde.» Architekt Landolt, der die letzten Worte gehört hat, tritt hinzu und ergänzt. «Dafür war es möglich, das Dach zu dämmen und die Ölheizung durch eine Holzpelletheizung zu ersetzen».

Ist ein Bau wie das Artergut inventarisiert, wird normalerweise vor anstehenden Bauarbeiten in Absprache zwischen Eigentümer, Architekt und Denkmalpflege definiert, was wie baulich verändert werden kann. Trotz Voruntersuchungen der Bausubstanz kann es bei den Arbeiten aber immer wieder zu Überraschungen kommen. Und es braucht Flexibilität. «Obwohl der Terrazzoboden trotz wenig gelungener vergangener Renovationen nicht mehr so schön ist, weist er noch viel Originalsubstanz auf, sodass in Absprache mit allen Beteiligten beschlossen wurde, den Terrazzoboden zu erhalten», so Landolf.

Die Erhaltungsmassnahmen erhöhen zusammen mit den gestiegenen Anforderungen in Sachen Brandschutz und behindertengerechter Bauweise nicht selten die Kosten für den Eigentümer. «Die Begeisterung ist dann Anfangs auch nicht immer gross, wenn denkmalschützerische Aspekte zu berücksichtigen sind», weiss Joss. «Der Denkmalschutz ist ein Gesetzesauftrag bei dem der Eigentürmer die Möglichkeit hat, eine sogenannte Provokation einzugeben. Das heisst, er kann eine Abklärung verlangen, ob ein Gebäude unter Schutz gestellt oder aus dem Inventar entlassen werden soll. Andererseits haben aber auch Vereine wie der Heimatschutz die Möglichkeit, gegen eine Inventarentlassung Rekurs einzulegen». Ist ein Gebäude geschützt, kann die Denkmalpflege nach klaren Kriterien Unterstützungsbeiträge leisten. «Nichtsdestotrotz sind die Schutzmassnahmen ein Eingriff des Staates in den Privatbereich. Umsomehr sind wir gefordert, gute Arbeit zu leisten.» Übrigens: Wer gegenwärtig Umbauten an einem Gebäude plant, das nach 1980 erstellt wurde, ist kaum betroffen. «Bauobjekte müssen zuerst ein gewisses Alter haben, bis man abschätzen kann, ob sie potenziell schützenswert sind», erklärt Joss.

 

So funktioniert die Denkmalpflege

Im Auftrag des Bundes und gestützt auf Artikel 78 der Bundesverfassung sowie auf das Bundesgesetz vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz haben Kantone und Gemeinden Denk- malpflege und Ortsbildschutz zu betreiben. Dazu gehört das Erstellen und Führen einer Inventarliste. Auf diese Liste werden potenziell schützenswerte Bauobjekte (einzelne Gebäude, aber auch ganze Strassenzüge) aufgenommen, die als «wichtige Zeugen einer politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder bau- künstlerischen Epoche» dienen. In der Stadt Zürich ist hierfür die Denkmalpflege des Amts für Städtebau verantwortlich. Deren Mitarbeiter treffen nach Kriterien, die u. a. in «Leitsätze zur Denkmalpflege in der Schweiz» definiert sind, eine Auswahl und legt diese dem Stadtrat vor. Der entscheidet dann ob ein Objekt ins «Inventar der kunst- und kulturhistorischen Schutzobjekte» aufgenommen wird oder nicht. Dabei handelt es sich um einen fliessenden Prozess. Objekte können in die Inventarliste aufgenommen oder daraus entlassen werden. Gegenwärtig befinden sich rund 14 Prozent der Gebäude Zürichs auf dieser Liste. Die Inventarisation ist jedoch nicht gleichbedeutend mit Schutz. Erst wenn grössere Änderungen am Bauobjekt anstehen, untersucht die Denkmalpflege, ob und ggf. welche Bestandteile geschützt werden sollen. 2016 hatte die Denkmalpflege 483 Bauvorhaben zu betreuen, die schützenswerte Objekte beinhalteten. 434 davon betrafen nur kleinere Eingriffe, die einvernehmlich über Verträge zwischen Eigentümer und Denkmalpflege gelöst werden konnten.

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