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Reportage

Im Haushalt helfen statt Miete zahlen

Von: Ginger Hebel

30. Mai 2017

Das «Tagblatt» porträtiert in loser Folge Menschen, die unkonventionell leben. Heute: Svetluse Heese und Selma Steinhoff in ihrer generationsübergreifenden Wohnpartnerschaft «Wohnen für Hilfe» in Zürich-Hottingen.

Eine 5-Zimmer-Wohnung in einem ehemaligen Professorenhaus aus dem 19. Jahrhundert in Zürich-Hottingen; Stuckdecken, Wintergarten, knarrende Parkettböden. Hier wohnt die gebürtige Tschechin Svetluse Heese seit 35 Jahren. Als ihr Mann verstarb, fühlte sie sich in der grossen Wohnung zusehends einsam. Da kam das Angebot «Wohnen für Hilfe» von Pro Senectute Kanton Zürich genau zur rechten Zeit.

Bei diesem innovativen Wohnprojekt leben ältere Menschen mit Studierenden unter einem Dach. Im Vordergrund steht der Austausch zwischen den Generationen. Statt Miete zu zahlen, helfen die jungen Mitbewohner im Haushalt mit. Die Tauschregel: eine Stunde Hilfe im Monat pro Quadratmeter Wohnfläche. Selma Steinhoff bewohnt bei Svetluse Heese ein 18 Quadrat meter grosses, sonnendurchflutetes Zimmer. «Es ist wunderschön, weil es so hell ist, ich fühle mich wohl.» Statt Miete zu zahlen, setzt sie Zwiebeln im Garten, bringt den Müll raus, räumt die Spülmaschine aus und holt die Getränkeflaschen aus dem Keller. Sie tut, was Svetluse Heese altersbedingt nicht mehr tun kann. «Es ist eine praktische Lösung, denn das Studium ist teuer genug.»

«Sie ist wie eine Oma für mich»

Seit über drei Jahren lebt die Informatikstudentin nun schon mit einer ihr einst fremden Frau zusammen. «Es passt einfach zwischen uns, sie ist wie eine Oma für mich», sagt die 22-Jährige. Sie besuchen Konzerte zusammen oder die Oper, trinken Tee in der gemütlichen Stube und treiben gepflegte Konversation. Svetluse Heese, 84-jährig, erzählt von Nazizeiten und kommunistischer Diktatur, von ihren Eltern, die beide blind waren, und ihrem Mann, mit dem sie 22 Jahre lang berufsbedingt eine Wochenendehe führte. «Bei ihr wird der Geschichtsunterricht lebendig», sagt Selma Steinhoff und setzt sich zu Svetluse Heese aufs Sofa.

Alleine zu leben, käme für beide nicht in­ rage. «Ich mag es, wenn jemand da ist, wenn ich nach Hause komme», sagt die junge Studentin. Auch schätzt sie es, dass Svetluse Heese sie umsorgt, wenn sie krank ist, «ihr Löwenzahnhonig hilft immer». Und die 84-Jährige ist froh, dass sie im Alltag Unterstützung erfährt und Selma ihr mit ihrer Anwesenheit Sicherheit gibt. «Von mir aus darf Selma immer hier bleiben, für den Rest meines Lebens.»

Weitere Informationen: Wohnen für Hilfe, Pro Senectute Kanton Zürich, Telefon 058 451 50 26 www.pszh.ch

Weitere Artikel zu dieser Wohnserie finden sie online unter der Rubrik Reportagen. 

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