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Reportage

Im Hochzeitsfieber: Braut Rosi Rhawi (vorne). Martha Ceber, Geschäftsführerin des Brautmodegeschäfts Mery's Couture, "Tagblatt"-Redaktorin Ginger Hebel, Elizabet Cebbar, Geschäftsführerin und Leiterin des Haute-Couture-Ateliers bei Mery's Couture, und Isabella Kraus, Rosis Schwester (v.l.n.r). Bilder: Nicolas Y. Aebi

Im Prinzessinnen-Paradies

Von: Ginger Hebel

08. April 2019

Im Brautmodegeschäft Mery’s Couture an der Löwenstrasse tummeln sich Dutzende Heiratswillige – es ist Hochsaison. Rosi Rhawi ist im Hochzeitsfieber. Die 31-Jährige heiratet im September. «Tagblatt»-Redaktorin Ginger Hebel ist für die Serie Am Puls mittendrin bei der Suche nach dem Traumkleid für die Traumhochzeit.

Für einmal wird es ganz ruhig im Stadtzürcher Brautmodegeschäft Mery’s Couture. Alle warten gespannt auf die künftige Braut. Rosi Rhawi öffnet den Vorhang und schreitet hinaus in einem pompösen Kleid mit Glitzer und Spitze. Lächelnd betrachtet sie ihr Spiegelbild. «Das Kleid ist schön, aber das bin nicht ich.» Die 31-Jährige hat genaue Vorstellungen davon, wie ihr Brautkleid aussehen soll, seit Jahren malt sie es sich in Gedanken aus. Verraten möchte sie es nicht, denn natürlich will sie ihren Liebsten vor dem Traualtar überraschen.

Rosi Rhawi hat einen starken Bezug zu Traumkleidern. Sie machte die Lehre zur Brautmodeverkäuferin bei Mery’s Couture an der Löwenstrasse 55. «Ich habe immer die künftigen Bräute gesehen und sie beraten, jetzt bin ich selber eine von ihnen, das ist ein tolles Gefühl.» Für die medizinische Kosmetikerin war immer klar, dass sie eines Tages heiraten möchte. «Die Liebe ist für mich das Wichtigste. Und diesen besonderen Tag mit der ganzen Familie und Freunden zu teilen, ist mein Wunsch.» Mit ihrem Freund ist sie seit sieben Jahren liiert. Letzten Oktober, an seinem Geburtstag, machte er ihr in Paris unter dem Eiffelturm einen Antrag und steckte ihr einen funkelnden Solitärring an den Finger. Seither laufen die Hochzeitsvorbereitungen auf Hochtouren. Im September wird kirchlich geheiratet, dann im Grand Resort Bad Ragaz mit 160 Gästen gefeiert. «Wir haben eine grosse Familie», sagt Rosi. Sie wurde in der Schweiz geboren und hat aramäische Wurzeln.

In so manchem Freundeskreis ist das Heiraten wie ein Virus. Fängt ein Paar damit an, ziehen die anderen nach. Auch im Umfeld von Rosi Rhawi heiraten derzeit viele. Ihre jüngere Schwester Isabella machte bereits vor zwei Jahren den grossen Schritt. Die 28-Jährige hat ihr Kleid bei Mery’s Couture massschneidern lassen, ein Traum aus Spitze und Tüll, ein Kunstwerk, designt für ihren Körper. Sie erinnert sich, wie sie sich als Mädchen mit ihrer Schwester das Zimmer teilte und wie sie nächtelang davon sprachen, wie ihre Traumhochzeit eines Tages aussehen soll. Seit sie verheiratet ist, fühle sie sich noch ein Stückchen mehr als Frau.

Mery’s Couture, 1985 von Nurcan und Eduard Cebbar gegründet, ist ein Familienbetrieb durch und durch. Martha Ceber (38) führt mit ihren Geschwistern das Geschäft in zweiter Generation. Auch mit viel Freude dabei: Elizabet Cebbar, ebenfalls Geschäftsführerin und Leiterin des Haute-Couture-Ateliers bei Mery's Couture. Hier hat man die Qual der Wahl: pompöse Roben, Meerjungfrauen-Kleider, schlichte Modelle. «Cremeweisse und elfenbeinfarbige Brautkleider stehen hoch im Kurs», sagt die Fachfrau. Nach wie vor sehr beliebt seien Diademe und Brautschleier. Es gibt aber auch Frauen, die auf keinen Fall in jungfräulichem Weiss vor den Traualter treten wollen, «sie heiraten schwarz», sagt Martha Ceber und zeigt Fotos einer Hochzeit, bei der die Braut im schwarzen Kleid auf einem weissen Schimmel reitet, während die Hochzeitsgäste weiss gekleidet sind. «Wie im Märchen», sagt sie und lächelt. Für den Mann gibts eine grosse Auswahl an Anzügen, klassische schwarze, aber auch moderne Varianten in dunkelblau und bordeaux. Im eigenen Schneideratelier werden die Kleiderwünsche verwirklicht und individuell angepasst. «Es ist ein Traumjob. Ich blicke jeden Tag in glückliche, strahlende Gesichter», sagt Martha Ceber.

Seit 18 Jahren arbeitet sie im Familienunternehmen, sie sieht sich aber nicht nur als Verkäuferin, sondern auch als Vermittlerin, «man muss zwischen den Zeilen lesen können, spüren, was die Frauen wünschen, was ihnen gefallen könnte.» Wenn die Braut weint, weil sie von ihren Gefühlen überwältigt wird, kann auch sie die Tränen oft nicht zurückhalten, «man weint einfach mit». Fast alle Frauen nehmen die Mutter und die Trauzeugin zur Anprobe mit. Selten sei auch ein stolzer Vater dabei, der seiner Tochter zur Seite stehen möchte. «Entscheidend ist, dass die Person ehrlich und nicht eifersüchtig ist», sagt Martha Ceber. Das sei leider nicht immer so. «Es gibt viele vermeintlich gute Freundinnen, die der Braut ihren grossen Tag nicht gönnen.»

Heiraten liegt wieder im Trend

2017 wurden in Zürich 3404 Ehen geschlossen, 1252 geschieden. Doch an ein Ende mag nicht denken, wer verliebt in die Zukunft blickt. In letzter Zeit würden immer mehr Kundinnen heiraten, weil sie ein Kind erwarten. Oder sie werden schwanger, sobald sie die Hochzeit planen. «Wichtig ist, dass man uns früh über die Schwangerschaft informiert, damit man das Kleid rechtzeitig den Umständen anpassen kann», rät Martha Ceber. Sie ist aber auch mit traurigen Fällen konfrontiert. Wenn lang geplante Hochzeiten kurz davor platzen und die Frau dann mit Traumkleid aber ohne Traummann dasitzt, «das wünscht man echt niemandem».

Alles dreht sich nun um Braut Rosi. Isabella Kraus sitzt gespannt auf dem Samtsofa. «Ich freue mich sehr, meine Schwester so glücklich zu sehen.» Für die Hochzeit wird sie sich extra noch ein buntes Abendkleid kaufen. Die stolze Mutter macht fleissig Fotos mit ihrem Smartphone. Unterdessen hat Rosi Rhawi auch noch Unterstützung von ihrer Schwiegermutter in spe und der Trauzeugin, der Schwester ihres zukünftigen Mannes, erhalten. Sie steckt in der Hochzeits-Euphorie, rückt ihr Krönchen zurecht und sagt. «Ich fühle mich gerade wie eine Prinzessin.»

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