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Reportage

Haben schon als Jugendliche Flipper aufgemotzt: Ivo Vasella (links) und Daniel Köchli im Outlane. «Outlane» heisst die Aussenbahn beim Flipper. Bild: SWE

In der Flipper-Höhle

Von: Stine Wetzel

27. Februar 2018

Architekt Ivo Vasella führt in Altstetten ein privates Flipperkasten-Museum. Der letzte Spielsalon Zürichs feiert im März seinen 20. Geburtstag.

Er drückt die Schalter im Sicherungskasten. Es gehen Lampen an, Scheinwerfer. Aus den Ecken dudelt und piepst es. Jeden letzten Donnerstag- und Freitagabend im Monat öffnet Ivo Vasella zusammen mit seinem Kollegen Daniel Köchli das Outlane, den letzten Spielsalon der Stadt, eigentlich ein privates Museum, in dem man auf den Ausstellungsstücken spielen darf: über 50 Flipper auf 240 Quadratmetern, dazu Vintage-Spiele, Jukeboxen, Diner-Polster, eine Bar mit alten Flipperdecks, Leucht­reklamen.

An einer Wand steht Flipper neben Flipper. Die Reihe fängt mit einem Modell von 1932 an und hört mit dem neuen Game-of-­Thrones-Automaten auf. Aus den Holzkästen wurden mit den Jahrzehnten Hightechmaschinen, die Spielfelder steiler. «Die meisten bewundern die schönen alten Kästen, spielen dann aber den Rest des Abends alles ab den 90ern aufwärts», sagt Vasella und lacht.

Nur für Mitglieder

Hin und wieder macht der 51-jährige Architekt Führungen durch sein Flipper-Reich, für Gruppen, die den Raum gemietet haben. «Ein Patent von 1871 war die Geburtsstunde des Flippers: eine Kugel, die über ein Brett mit Nägeln rollte. Aber erst in den 1930er-Jahren nach der Wirtschaftskrise und der Arbeitslosigkeit fing man an zu flippern.» Es folgte ein langer Siegeszug der Flipperkästen – bis um die Jahrtausendwende die Konkurrenz von Computer- und Handyspielen zu gross wurde. Mit Flipperkästen lässt sich heute kein Geld mehr verdienen: Wer gut ist, spielt ewig mit seinem Franken-Einsatz. In den 1990er-Jahren gab es in Zürich um die 50 Salons mit Flipperkästen, heute ist da nur noch der Nostalgie-Keller von Ivo Vasella. Es gibt ein paar Räume, die ähnlich funktionieren: etwa in Schaffhausen, Solothurn, Thalwil oder Basel. Ins Outlane dürfen nur Mitglieder, pro Abend sind es zwischen 50 und 80. Wer das erste Mal kommt, zahlt 10 Franken, beim zweiten Mal ist die Jahresmitgliedschaft für 100 Franken fällig.

Mit den Beiträgen begleicht Vasella die Miete: 2500 Franken im Monat – «ein teurer Hobbyraum». Der erste Spielabend fand am 29. März 1998 in einem viel kleineren Raum in Altstetten statt. Nächsten Monat feiert das Outlane sein Zwanzigjähriges.

3500 Einzelteile

2014 zügelte Vasella seine Sammlung an die Badenerstrasse, neben die Turbinenbräu-Rampe. Der alte Raum ist heute seine Werkstatt. «Denn eigentlich bin ich kein Sammler, sondern Restaurierer.» Ankaufen tut Vasella kaum noch; Arbeit hat er genug. 50 Stunden braucht er im Schnitt, um einen Automaten wieder fit zu machen. «Das meiste ist Reinigungs- und ­Ersatzteilarbeit.» Dafür zerlegt er den Flipper, reinigt das Spielfeld, Flipperfinger, Plastikabdeckungen, Bandenschläger, Lampen, Kugel. Ein Flipper besteht aus über 3500 Einzelteilen und fast einem Kilometer Kabel. «Eindrücklich», meint Vasella. Ein Elektronik-Ass sei er nicht. «Mit Geduld kann man sich da aber einfuchsen.»

Vasella hat sich seine Sammlung mit Restaurationen finanziert: zwei ramponierte Flipper gekauft und aufgemöbelt, einen verkauft, den anderen behalten. Immer so fort. Mit vier Ausnahmen: Game of Thrones, Iron Man, AC/DC, Metallica, Letztere sind die Bands seiner Jugend. «Ich wollte auch mal die Freude haben, neue Automaten aus der Kiste zu nehmen – ein einmaliger Luxus, den ich mir erst heute leiste.» Denn ein neuer Flipper kostet zwischen 7000 und 10 000 Franken. Für Vasella geht aber eigentlich nichts über die alten Exemplare. «Die Neuen sind interessanter zum Spielen, aber optisch und thematisch eher langweilig. Früher nahmen die Designer eine Vorlage aus der Popkultur und kreierten selbst eine Story samt Musik und Grafik für den Flipper. Das ist einfach schöner.» Beim Modell Diner zum Beispiel muss der Spieler die Gäste möglichst schnell mit Fast Food bedienen – treffen.

Meister und Freaks

Zu Hause hat Vasella keine Automaten mehr. «Das ist der Deal mit meiner Frau.» Einmal war er bei der Europameisterschaft, vor zehn Jahren in Ulm. Ein ambitionierter Flipper-Spieler sei er aber höchstens in der Jugend gewesen. «Zum Flippern will ich gemütlich ein Bier trinken können. Bei Turnieren spielen die Leute mit Handschuhen. Das ist mir zu ernst.» Auch ins Outlane kommen Meister. «Röbi ist hier der Name. Der spielt wie eine Maschine.» Vor allem kommen aber die Freaks – und der beste Helfer: Daniel Köchli. «Das Urgestein in der Automatenbranche», stellt ihn Vasella vor. Der 50-Jährige arbeitet bei einem Hersteller. «Ich hatte mal den grössten Pinball-Club der Schweiz. Aber 2010 musste ich aufhören.» Jetzt hilft er im Outlane, wo er kann. Bei den elektrischen Installationen zum Beispiel. «Da habe ich echt keine Ahnung», meint Vasella. Köchli grinst. «Ich weiss.»

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Leserkommentare

Andreas Schocher - Super sache Ivo & Dani Danke für Euren Einsatz dass Ihr Flippern am Leben haltet ;-)

Vor 6 Jahren 1 Monat  · 
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Chrigi Müller - Wältklass Ivo & Dani ! Es sensationells Lokal, Danke Pinball Freaks :-)

Vor 6 Jahren 1 Monat  · 
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Pascal Bosshart - Wir gratulieren aus Solothurn zum 20ig jährigen Jubiläum. Bravo Ivo und Dani. Auf die nächsten 20 Jahre.

Vor 6 Jahren 1 Monat  · 
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