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Reportage

Rekonstruktion des Forensikers Richard Neave: So ähnlich könnte Jesus ausgesehen haben. (Bild: Richard Neave)

Jesus sah wohl anders aus, als viele glauben

Von: Daniela Gschweng

15. Oktober 2019

Auf bekannten Bildnissen ist Jesus meist weiss, hochgewachsen und blauäugig. Historisch gesehen, ist das zumindest unwahrscheinlich.

Gross, blond, blauäugig, strahlend: So stellt die abendländische Kunst Jesus dar. Die historische Wahrheit trifft das nicht. «Der Jesus, den wir aus Jahrhunderten christlicher Kunst geerbt haben, ist eine Lüge», schreibt die britische Historikerin Joan E. Taylor, die nun ein neues Buch zu dieser Frage veröffentlicht hat.

Theologen, Archäologen und Forensiker haben sich zum Aussehen des Propheten bereits ausführlich Gedanken gemacht. Doch: Sein Ableben ist 2000 Jahre her, und Überreste wurden keine gefunden. Es gibt kein Skelett, keine sonstigen körperlichen Überreste und keine DNA. Es gibt einzig schriftliche Quellen. Vieles bleibt also Spekulation.

Als Hinweis für Forschende bleibt das, was in der Bibel festgehalten wurde und was sie über seine Zeit wissen. Das hat die Historikerin nun zusammengetragen: Jesus unterschied sich demnach äusserlich wenig von seinen Jüngern, da Judas Iskariot gebeten wurde, ihn vor der Festnahme zu identifizieren. Als jüdischer Mann in Galiläa hatte er höchstwahrscheinlich olivfarbene Haut, dunkles, eher krauses Haar, dunkle Augen und war nach heutigen Massstäben klein. Die durchschnittliche Körpergrösse bei Männern lag bei etwa 1,55 Metern. Als ehemaliger Handwerker war er vermutlich kräftig und als Wanderprediger gut zu Fuss.

In einer biblischen Prophezeiung finden sich Hinweise darauf, dass Jesus einen Bart trug, wie es bei jüdischen Gelehrten und Philosophen üblich war, die Haare und Bart in der Regel kurz schnitten.

Gesicht rekonstruiert

Der Forensiker Richard Neave hat sich 2001 in Zusammenarbeit mit israelischen Archäologen in einer Rekonstruktion eines Gesichtes versucht: Hierfür vermass er drei Totenköpfe, die aus der Zeit und Region stammen wie der Mann namens Jesus. Aus diesen Daten erstellte er eine 3-D-Rekonstruktion – die mit Vorsicht zu geniessen ist.

Nach dem Johannes-Evangelium kleidete sich Jesus in eine Tunika, die aus einem Stück Stoff gearbeitet war. Das war unüblich. Die damalige Standardkleidung bestand aus zwei Stoffstücken, die an Seiten und Schultern geschlossen wurden. Nur wohlhabende Männer trugen ein durchgehendes Stück Stoff, das bis zu den Knöcheln reichte. Jesus verurteilte diese Kleidung als aufgesetzt, seine Tunika reichte vermutlich nur bis unter das Knie. Dazu trug er wie die meisten Angehörigen der jüdischen Bevölkerung einen grossen Schal, vermutlich aus ungefärbter Wolle.

Jesus verdiente seinen Lebensunterhalt durch Betteln, mischte sich unter die Armen und übernachtete öfter unter freiem Himmel. Aus Sicht «ordentlicher» Bürger war er ein Taugenichts und sah vermutlich auch so aus. Der Look mit langen Haaren, langem Bart, hellen Augen und heller Haut wurde von der Kunst verwendet, weil das eine «starke Marke» war, wie die Historikerin Taylor schreibt. Unser Bild von ihm ist also eigentlich ein Resultat von gutem Marketing.

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