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Reportage

"Für Sie war Drogenhandel so alltäglich, wie für mich Zmorge essen." Bild: PD

Kokain für "Rocco"

Von: Isabella Seemann

18. August 2015

Der Gerichtsfall: Ein Kioskbesitzer aus Mazedonien kam nach Zürich, um Drogen zu dealen – eine Riesendummheit, wie er reuig erkennt. Er verlor Freiheit, Geld und Ehre.

Der Angeklagte hat, wie es Sitte ist, das letzte Wort. «Was soll ich sagen?», sagt er. «Ich habe jede Strafe verdient. Es tut mir leid, dass ich Schande über meine Familie brachte. Und dies nur, weil ich eine Entscheidung traf mit dem Reifegrad eines Kleinkinds.» So viel Reue ist selten vor Gericht. Wobei Reue selten mehr als die Einsicht ist, dass der Gewinn den Preis nicht wert war, den man dafür bezahlen musste.

Milan M.* (36) wurde aus dem Gefängnis Affoltern zugeführt, da sitzt er schon seit anderthalb Jahren. Damit dürfte einiges abgegolten sein. Der in Mazedonien wohnhafte Bulgare ist der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz angeklagt; er hat gestanden, summa summarum 5831 Gramm Heroin- und 907 Gramm Kokaingemisch gebunkert, gestreckt, portioniert und an diverse zahlungskräftige und konsumfreudige Kunden in der Stadt und Agglomeration Zürich geliefert zu haben. Zwar kein kleiner Fisch, aber auch kein Boss, noch nicht mal im oberen Kader. Er betätigte sich als Taglöhner im Drogentransport­service, holte und lieferte, was man ihm auftrug. Die Kunden riefen seinen Chef an, und dieser schickte ihn los, damit er zu den vereinbarten Treffpunkten fuhr und den Stoff überbrachte. Observiert wurde er als Mitglied einer Balkandrogenbande seit längerem. Das Telefon des Verdächtigen wurde abgehört. Allmählich ergaben die verklausulierten Gespräche, in denen von «Kaffee und Tee» und von «Chabis» (glatzköpfiger Lieferant), «Meister», «Asylant» und «Budapest» (Abnehmer) die Rede war, einen Sinn. Die Anklage geht von einem Drogenhandel aus, der mindestens von Mai 2013 bis Februar 2014 bestand. Allein in diesem Zeitraum wurden circa ein Dutzend «Vorgänge» getätigt. Die Polizei nahm Milan in flagranti fest, als er einem «Rocco» für 2300 Franken Kokain und Heroin verkaufte. Parallel dazu zerschlug sie einen ganzen Drogenring aus dem Balkan, der in der Schweiz operiert hatte. Der Heroinhandel wird gemäss Bundesamt für Polizei von Albanern und Serben dominiert. Mittlerweile machen sie aber auch den Nigerianern das Kokain­geschäft streitig und den Schweizern das Hanfbusiness.

«Ich gebe alles zu»
Milan, der zuvor wegen eines Verkehrsdelikts mit dem Gesetz in Konflikt geriet, ist grundsätzlich geständig, aber an jeden einzelnen Deal kann er sich nicht erinnern, «ich habe keine Buchhaltung ­geführt». Dafür hat der Richter ­Verständnis. «Für Sie war Drogenhandel so alltäglich, wie für mich Zmorge essen. Ich kann mich auch nicht mehr erinnern, was ich mir am 7. Dezember 2013 aufs Brot geschmiert habe.» Herr M. solle aber nicht Deals zugeben, die er nicht gemacht habe, bloss weil sich ein Geständnis positiv auswirke. «Nein, nein, ich gebe alles zu, wie es in der Anklageschrift steht und wie ich es gestanden habe», sagt Milan. «Ich will nicht als Lügner dastehen.» Bei den Ermittlungen war er kooperativ und gab der Polizei darüber hinaus noch einen Tipp zu einer Hanfplantage.

An seine Verhandlung kommt er frisch rasiert und frisiert, in sauberen, dunklen Jeans, das schwarze Poloshirt spannt über seinen Muskeln. In Skopje besitzt er einen ­Kiosk, verdiente ordentliche 1200 Euro pro Monat. «Es gab keinen Grund, weshalb ich Drogen verkaufen sollte, ausser meiner Dummheit.» Das Urteil lautet 36 Monate Freiheitsstrafe, 505 Tage hat er bereits abgesessen. Ein Teil wird ihm wegen guter Führung erlassen. Die 9560 Schweizer Franken und 675 Euro, die man in seinem Zimmer fand, werden beschlagnahmt. Er kann wohl hoffen, alsbald wieder das Licht der sengenden Sonne Mazedoniens in Freiheit zu geniessen.

* alle Namen geändert

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