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Reportage

Helfen mit, den ÖV am Rollen zu halten (v. l. n. r.):

Löten und Fräsen für die Zukunft

Von: Sacha Beuth

28. September 2021

AM PULS Um auch künftig den Bedarf an Polymechanikern und Automatikern bei SBB, RhB und Co. decken zu können, werden im Bildungszentrum der login Berufsbildung AG in Altstetten Jugendliche spezifisch geschult. Redaktor Sacha Beuth versuchte einen Draht zu den Lernenden und ihren Ausbildern herzustellen

Geduld und Fingerspitzengefühl sind zwei Eigenschaften, die es für den Beruf des Automatikers braucht. Beides ist offenbar bei Yannis Kilchenmann vorhanden. Der 19-Jährige sitzt an einem Pult in der Automatikwerkstatt der login Berufsbildung AG in Altstetten und lötet konzentriert und präzise die kleinen Kabelverbindungsstellen für einen Prüfbox-Adapter für Schienenfahrzeuge. Selbst die ständigen Fragen des Journalisten neben ihm bringen ihn nicht aus der Ruhe. «Ich mache gerne Feinarbeiten», erzählt der 2.-Lehrjahrs-Stift, der nach der Lehrabschlussprüfung in der Montage arbeiten und elektrische Anlagen in Betrieb setzen will. «Manche sind vielleicht etwas eintönig. Aber wenn das Produkt – wie dieses – hinterher auch im alltäglichen Einsatz gebraucht wird, ist es eine sehr befriedigende Tätigkeit und macht mich stolz.»

«Es ist eine Win-Win-Situation», sagt Andreas Bachmann (43). Der Leiter Technik Ost ist zuständig für die Rahmenbedingungen im Ausbildungszentrum an der Hohlstrasse 364 und führt durch den Komplex. «Die Lernenden können Erfahrung mit echter praktischer Arbeit sammeln und die Auftraggeber – meist unsere Bildungspartner wie SBB, BLS oder RhB – profitieren von der Nähe zu ihren Standorten.» Zugleich betont Bachmann, dass es bei der Auftragsvergabe keinen «Welpenschutz» gebe und man sich dem Markt stellen müsse.

Der Markt hat auch Einfluss auf die Zahl der Lehrlinge. «Wie viele von welchem Beruf wir ausbilden, wird anhand des Personalbedarfs unserer Bildungspartner bestimmt. Das wiederum hat den Vorteil, dass je nach Branche 60 bis 80 Prozent der Lehrabgänger hernach auch einen Job bei einem dieser Unternehmen bekommen», erklärt Bachmann.

Im Schnitt sind es jährlich über 2000 Lernende in mehr als 25 Berufen, die sich bei login auf ihren jeweiligen Lehrabschluss vorbereiten. In Altstetten, das den Bereich Technik umfasst, lassen sich gegenwärtig 57 Lernende entweder zum Automatiker, zum Polymechaniker (jeweils 4 Lehrjahre), zum Automatikmonteur oder Produktionsmechaniker (jeweils 3 Lehrjahre) ausbilden. Unterstützt und gefördert werden sie dabei von sechs hauptamtlichen Berufsbildern. Einer davon ist Thomas Fässler. Vor rund 12 Jahren hat er bei login sein Amt übernommen, weil er unbedingt weiter Kontakt mit Jugendlichen haben und ihnen Wissen vermitteln wollte, nachdem er aus gesundheitlichen Gründen als Fussballtrainer aufhören musste. Der 59-Jährige verfolgt in der Mechanikwerkstatt, die sich im 2. Stock des Zentrums befindet, wie Brenda Buonocore mit einem weiteren Lehrling ratlos vor einer Dreh- und Fräsmaschine herumsteht. Der darin eingesetzte Metallrohling wurde zwar bearbeitet, allerdings nicht so wie gewünscht und nötig. «Da habt ihr wohl etwas falsch ausgerechnet. Bevor ihr hier weiter Ausschuss produziert, solltet ihr nochmal die Daten überprüfen», empfiehlt Fässler. Und tatsächlich, ein weiterer Check zeigt, dass der Vorschub nicht korrekt bestimmt und eingegeben wurde. Nach dem Nachjustieren klappts dann aber und heraus kommt ein perfektes Griff-Teilstück für die Tür zu einem Lok-Führerstand. Erleichtert atmet Brenda auf.

Die 16-Jährige ist aktuell eine von zwei weiblichen Lernenden im Zentrum. Dass sie sich für einen typischen Männerberuf entschieden hat, sorgt gelegentlich im privaten Umfeld für Erstaunen. «Ich muss dann immer Fotos von mir in Montur zeigen, sonst glauben es die Leute nicht.» Im Betrieb selbst fühlt sie sich aber unter ihren männlichen Mitstiften bestens akzeptiert. Zumal ihr offenbar ihr Talent für Handwerkliches entgegenkommt. «Schon als kleines Mädchen habe ich gerne Sachen zusammengebaut. Später in der Sek habe ich dann als Wahlfach Werken genommen, wobei ich mich noch gut erinnere, welchen Spass ich hatte, als wir Flaschenöffner herstellten.» Als es dann schliesslich um die Berufswahl ging, habe sie erst als Zeichnerin geschnuppert, sich dann aber für die Polymechaniker-Lehre entschieden «auch weil man dann nicht den ganzen Tag vor dem PC sitzt». Bereits jetzt hat sie sich schon Gedanken über ihre weitere Karriere im Metier gemacht. «Ich denke, ich werde nach der Lehre ein Ingenieur-Studium beginnen, damit ich später als Projektleiterin tätig sein kann.»

«Statt Prüfungen zu korrigieren, wollte ich lieber etwas mit den Händen machen»

Inzwischen ist es Mittag geworden, der Lärm der Maschinen in der mechanischen Werkstatt ist ebenso verebbt wie die Motorengeräusche von der Strasse und das angstvolle Muhen der Rinder vom nahen Schlachthof. Yannis und Brenda sitzen im Pausenraum vor ihren mitgebrachten Speisen, als sich Adrian Debrunner zu ihnen gesellt. Debrunner befindet sich zwar erst im ersten Lehrjahr als Polymechaniker, ist jedoch mit 32 Jahren der Senior im Team der Lernenden. Zuvor hatte er rund sieben Jahre als Seklehrer gearbeitet. «Aber dann bekam ich eines Tages das Gefühl, dass meine Work-Life-Balance nicht mehr stimmt und habe mich neu orientiert. Statt Prüfungen zu korrigieren, wollte ich lieber mit den Händen arbeiten.» Da er ein Faible für Eisenbahnen hat, schwebt ihm etwas Technisches vor, worauf seine Wahl schliesslich auf eine Lehre zum Polymechaniker fällt. Diese ist dank seiner vorangegangenen Ausbildung zwar verkürzt, «doch berufsspezifische Fächer muss ich wie die anderen auch pauken». Und auch von den täglichen Putz- und Aufräumarbeiten im Betrieb ist er nicht ausgenommen. «Damit habe ich kein Problem. Im Gegenteil: Werkstatt wischen und Maschinen reinigen macht mir genauso Spass wie an der Fräsbohrmaschine zu arbeiten.» Auf die Frage, was er nach der Lehre machen wolle, zuckt Debrunner die Schultern. «Vielleicht gehe ich zur SBB. Was genau ich dort machen möchte, weiss ich nicht. Dafür kenne ich den Bahnbetrieb noch zu wenig.» In diesem Moment betritt Fässler den Pausenraum, was Debrunner sofort für eine Ergänzung nutzt und witzelt: «Oder ich übernehme in fünf Jahren den Job von Thomas Fässler. Schliesslich wird es auch in Zukunft Polytechniker und Automatiker brauchen».

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