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Reportage

Der bislang jüngste Spross der Zürcher Elefantenfamilie, Umesh, mit Indi, Omysha und Chandra (v. l. n. r.). Bild: Zoo Zürich/Enzo Franchini.

Quelle für Europas graue Riesen

Von: Sacha Beuth

10. März 2020

1984 kam mit Komali der erste Elefant im Zoo Zürich zur Welt. Seither sorgen die Dickhäuter in unserem Tiergarten regelmässig für Nachwuchs, weshalb er in Sachen Elefantenzucht zu den Spitzenreitern in Europa zählt. Wesentlichen Anteil daran hatten eine neue Anlage und der kürzlich verstorbene Bulle Maxi. 

Mit wackligen Beinen und noch ziemlich unkontrollierten Rüsselbewegungen stakst Umesh in der Innenanlage des Kaeng-Krachan-Elefantenparks im Zoo Zürich zwischen seinen Artgenossen umher. Erst vor wenigen Wochen ist der kleine Bulle auf dem Zürichberg zur Welt gekommen – als inzwischen 12tes Exemplar seiner Art. Und es dürften bald zwei weitere Elefäntli hinzukommen, denn auch die Kühe Farha und Omysha erwarten für dieses Jahr ein Kind. Kein Wunder, gehört der Zoo Zürich in Sachen Zucht von Asiatischen Elefanten zu den Top 5 in Europa.

Das ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Zwar erfreuen sich Elefanten in Zoologischen Gärten schon seit jeher grosser Beliebtheit. Nachwuchs in menschlicher Obhut hatte jedoch über viele Jahrzehnte absoluten Seltenheitswert. Im Zoo Zürich war lange Zeit gar nicht daran zu denken, obwohl der Tiergarten bereits bei seiner Eröffnung im Jahr 1929 Elefanten im Bestand hatte: die erwachsene Elefantenkuh Mandjullah und den Bullen Chang. Letzterer war allerdings viel zu jung, um für Nachwuchs zu sorgen. «Ausserdem wurden die beiden Tiere damals im alten Hauptgebäude, dem heutigen Exotarium, gehalten. Dieses war für Zuchtzwecke zu klein und es fehlten auch die nötigen Abtrennmöglichkeiten», erzählt Robert Zingg, Seniorkurator im Zoo Zürich.

Das änderte sich, als Anfang der 70er Jahre eine neue Elefantenanlage gebaut wurde. «Das war nicht nur für die angestrebte Zucht, sondern auch für die Elefantenhaltung im Allgemeinen ein Meilenstein. Die Anlage war nach modernsten Erkenntnissen konzipiert und bot den Tieren nicht nur im Aussenbereich, sondern auch innen mehr Raum», so Zingg. Zur Eröffnung der Anlage 1971 zogen neben der alteingesessenen Valaya auch die erst 1968 von König von Bhutan geschenkten Kühe Druk und Chhukha ein. 1976 kam mit der jungen Ceyla-Himali ein weiteres Weibchen hinzu. Was noch fehlte, war ein Bulle im zuchtfähigen Alter. Dafür musste jedoch erst eine zweite Wechselbox angebaut und ein eigener Aussenbereich geschaffen werden.

Komali machte den Anfang

Nach deren Fertigstellung traf 1981 mit einem Lastwagen Maxi aus England in Zürich ein. Der ehemalige Zirkuselefant erwies sich gleich von Anfang an als sehr umgänglich und konnte vom begleitenden Pfleger «von Hand» aus der Ladebox dirigiert und in sein neues Heim geführt werden. Und er fackelte auch nicht lange, um die ihm angedachten Deck-Pflichten zu erfüllen. «Angesichts der Tatsache, dass die Tragzeit bei Elefanten rund zwei Jahre beträgt, kann man sagen: Mit durchschlagendem Erfolg», so Zingg. Denn bereits 1984 war es so weit. Ceyla-Himali brachte das Kuhkalb Komali auf die Welt, den ersten in Zürich gezeugten und geborenen Asiatischen Elefanten. Die ganze Stadt stand Kopf und die Bevölkerung pilgerte in der Folge in Scharen in den Tiergarten, um sich das kleine Wunder anzuschauen.

Zwei Jahre später setzten auch bei Chukha die Wehen ein. Doch leider erlitt sie eine Totgeburt. 1989 hatte man wieder mehr Glück: Das Weibchen Panang erblickte das Licht der Welt, dem 1994 Bullenkalb Upali folgte. Inzwischen war Komali zu einem Teenager herangewachsen, der seine Position innerhalb der Herde suchte. «Damals wurden Elefanten bei uns noch in direktem Kontakt betreut. Dass heisst, bei Rangkämpfen wurden die Pfleger als Teil der Herde angesehen», erklärt Zingg. 1995 verursachte Komali bei einer derartigen Rangelei einen Unfall, bei dem ein Pfleger schwer verletzt wurde. «Weil wir das Tier weder vor Ort separieren noch kurzfristig in einem anderen Zoo platzieren konnten, haben wir es zum Schutz der Pfleger eingeschläfert. Das Gefühl der Hilflosigkeit, welches diese Massnahme hinterliess, hat uns noch lange belastet.» Zu allem Überfluss sorgte wenig später Panang ebenfalls für einen (glücklicherweise weniger schwerwiegenden) Unfall und wurde darauf in den Münchner Tierpark Hellabrunn geschickt. «Es war klar, dass eine neue Anlage mehr Abtrennmöglichkeiten haben und die Haltungsform umgestellt werden musste.» So wurde 2007 ein neues Elefantenhaus mit mehr Separationsmöglichkeiten, der Kaeng-Krachan-Elefantenpark, geplant und die Haltung noch vor Eröffnung des Parks vom direkten Kontakt auf geschützten Kontakt (= Pfleger betreten nur in Abwesenheit der Elefanten einen Anlageteil und pflegen die Tiere durch einen Zaun oder Löcher in der Mauer) umgestellt.

Auf die Zucht hatten die Massnahmen keinen Einfluss. Jedoch wurde Maxi – der noch in der alten Anlage das 10. Baby gezeugt hatte, ehe er im Februar 2020 verstarb – durch den 2014 aus Heidelberg geholten Thai abgelöst. Derweil sorgt Upali schon seit einiger Zeit in ausländischen Zoos für die Erhaltung seiner Art.

Opfer des Erfolgs

Obwohl Elefantenbabys beim Zürcher Publikum nach wie vor hoch im Kurs stehen, könnte es nach den Niederkünften in diesem Jahr bis zu den nächsten Geburten etwas länger dauern. Zingg: «Gegenwärtig läuft in Europa die Zucht von Asiatischen Elefanten relativ gut. Damit es nicht zu Platzproblemen kommt, laufen Überlegungen, die Zucht etwas zu bremsen, indem etwa der eine oder anderen Östruszyklus der Weibchen nicht genutzt wird. Dies dürfte auch die Elefanten in Zürich betreffen.»

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