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Reportage

Europäisches Waldrentier: Wie seine domestizierten Verwandten ist es mit seinem zweischichtigen Fell und seiner genügsamen Ernährung bestens an das Leben im hohen Norden angepasst. Bild: Adobe Stock

Rudolphs spezielle Verwandte

Von: Sacha Beuth

14. Dezember 2021

Sie trotzen der Kälte, bewegen sich schnell im Schnee und sind äusserst genügsam – kein Wunder, zählen Rentiere im hohen Norden Eurasiens und Nordamerikas zu den wichtigsten Nutztieren der lokalen Bevölkerung. Daneben warten die grazilen Hirsche mit noch weiteren aussergewöhnlichen Eigenschaften auf.

Während hierzulande an Weihnachten meist das Christkind die Geschenke bringt und dies mit Engelsflügeln versehen fliegend oder per pedes erledigt (so genau weiss man das ja nicht), ist der Weihnachtsmann oder Santa Claus auf einen Rentierschlitten angewiesen. Ob darunter tatsächlich ein rotnasiges Exemplar namens Rudolph zu finden ist, scheint zwar eher unwahrscheinlich. Tatsache ist jedoch, dass die grazilen Hirsche im hohen Norden Eurasiens und Nordamerikas seit Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden als Zug- und Lasttiere Verwendung finden. Experten schätzen, dass die Domestikation von Rangifer tarandus etwa um 1000 v. Chr. in Sibirien begann und sich dann Richtung Westen verbreitete. Es ist übrigens die einzige Hirschart, bei der die Haustierwerdung gelang.

Langbeinige Wilde

Im Unterschied zum Hausrind oder dem Dromedar, dessen wilde Urahnen längst ausgestorben sind, existiert die Wildform des Rentiers weiterhin in – je nach Fachliteratur – 11 oder 12 Unterarten. Eine davon ist das Europäische Waldrentier, das in Finnland und Russland vorkommt. Es zeichnet sich im Vergleich zum Hausrentier durch seine deutlich längeren Beine und sein durchschnittlich um 15 Zentimeter höheres Stockmass aus. Zudem weist der Hals des Waldrens meist eine klare weisse Färbung auf und das Fell ist dunkler als das seiner Verwandten. Während Weisslinge oder Schecken beim Hausrentier häufig vorkommen, sind derartige Anomalien beim Waldren offenbar eine Seltenheit.

Schaut man sich die Biologie der Paarhufer an, stellt man schnell fest, dass sich Santa Claus keine besseren Transportkräfte hätte aussuchen können. Zwar können sie nicht fliegen, aber doch eine Spitzengeschwindigkeit von 60 bis 80 km/h erreichen. In Nordamerika, wo deren dort vorkommende Formen Karibus genannt werden, sind sie zudem auch als ausdauernde Läufer bekannt, die bei ihren jährlichen Wanderungen bis zu 5000 Kilometer zurücklegen. Als maximale Zugkraft wird pro Exemplar 150 Kilogramm angegeben, was in etwa dem durchschnittlichen Eigengewicht eines Rentieres entspricht. Ausserdem sind sie äusserst genügsame Zeitgenossen, denen Blätter, Gräser und vor allem Flechten – welche sie als einziges Säugetier verdauen können – als Nahrung reichen. Um sie vor der arktischen Kälte zu schützen, besitzt ihr Fell gleich zwei Schichten: Die untere besteht aus einer dicken Unterwolle. Darüber befindet sich als eine Schicht zusätzlicher hohler Haare, die für eine verstärkte Isolation sorgen.

Laufen mit Knackfüssen

Eine weitere Besonderheit, die beide Geschlechter aufweisen, sind die Geräusche, welche die Tiere beim Laufen verursachen. Sie klingen wie das Knacken, das beim Zerbrechen eines trockenen Zweiges entsteht. Welchem Zweck dieses Knacken dient, ist unklar. Einige Wissenschaftler vermuten dahinter ein akustisches Signal, damit die Tiere auch im dichten Schneegestöber oder Nebel den Kontakt zur Gruppe nicht verlieren.

In Zoologischen Gärten sind Hausrentiere relativ häufig und etwa im Zoo Basel anzutreffen. Europäische Waldrentiere werden in der Schweiz derzeit nur im Tierpark Bern und im Zoo Servion gehalten.

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