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Reportage

Schweift er künftig auch wieder durch die Schweizer Wildnis? Wisent im Zoo Pilsen (Tschechien). Bild: Sacha Beuth

Rückkehr der Zottelriesen

Von: Sacha Beuth

14. September 2021

AUSWILDERUNG Einst bevölkerten Wisente weite Teile von Europa, bis sie beinahe ausgerottet wurden. Dank Zuchtbemühungen von Zoos konnte die Art gerettet und in Teilen ihres ursprünglichen Verbreitungsgebietes wiederangesiedelt werden. Auch in der Schweiz soll ein solches Projekt anlaufen. Doch dagegen gibt es Widerstand.

Ein breiter Schädel mit zwei mächtigen Hörnern, ein dunkles, zotteliges Fell und eine fast zwei Meter hohe und massige Gestalt – es muss ein eindrucksvoller, wenn nicht furchterregender Moment gewesen sein, wenn sich einer unserer Vorfahren in einem Schweizer Wald plötzlich einem Wisent gegenübersah. Noch bis ins späte Mittelalter waren solche Begegnungen möglich, dann war das riesige Wildrind durch Bejagung und Zerstörung des Lebensraums durch den Menschen aus Mitteleuropa verschwunden. Einzig in der Umgebung des Kaukasusmassivs und im Bialowiezawald an der Grenze von Polen und Weissrussland gab es Anfang des 19. Jahrhunderts noch Restbestände. Durch Kriege, Wilderei und Krankheiten wurden aber auch diese vernichtet. Der letzte freilebende Kaukasuswisent wurde 1927 getötet, die letzten Spuren von der in Bialowieza lebenden Unterart, dem Flachlandwisent, fanden sich 1919.

Test mit kleiner Herde

Glücklicherweise hatte man bereits zuvor in zoologischen Gärten eine Erhaltungszucht gestartet. Dadurch konnten ab 1952 in Zoos und Tierparks geborene Wisente wieder in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet angesiedelt werden. Erst in Bialowieza, dann in weiteren Teilen Osteuropas. 2013 startete man dann in Deutschland, im Kreis Siegen-Wittgenstein von Nordrhein-­Westfalen, mit der Auswilderung von einem Bullen, fünf Kühen und zwei Jungtieren. Das Projekt ist erfolgreich, die kleine Herde inzwischen auf 25 Stück angewachsen.

Und auch in der Schweiz soll der Europäische Bison, dessen nächster Verwandter der nordamerikanische Bison oder Indianerbüffel ist, wieder frei durch die Natur streifen können. Der 2017 gegründete Verein «Wisent Thal» will für ein gleichnamiges Projekt eine Testherde von 10 bis maximal 25 Tieren wissenschaftlich begleiten und in mehreren Schritten auf ein Leben in freier Wildbahn vorbereiten. Verläuft die rund 10-jährige Testphase erfolgreich, sollen die Wisente in den Solothurner Jura entlassen werden. Einer der treibenden Kräfte ist der Biologe und Vereinskassier Christian Stauffer, zuvor Leiter des Wildparks Langenberg des Wildnisparks Zürich.

In einem ersten Schritt hätten die zotteligen Riesen für zwei Jahre ein umzäuntes Versuchsgelände besiedeln sollen. Doch eine Einsprache der IG «Wisentansiedlung Nein» gegen den Bau des dazugehörigen Zauns wurde im Frühjahr 2021 bis vor das Bundesgericht weitergezogen, weshalb erst einmal die Entscheidung der Richter in Lausanne abgewartet werden muss. Die IG sieht diversen Medienberichten zufolge im Wiederansiedlungsprojekt eine Gefahr für die Gesellschaft und ein hohes Schadenpotenzial an Flur und Feld, welches durch das Verwaltungsgericht nicht richtig gewürdigt worden sei. Der Verein wiederum versichert, dass allfällige Wildschäden systematisch dokumentiert und den Betroffenen abgegolten würden. Dies gälte auch für Mehraufwände infolge der Wisente.

Inwieweit die Tiere eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen, ist strittig. Einerseits sind Wisente alleine wegen ihrer Masse und Kraft potenziell für Menschen gefährlich und sorgten in einigen Schutzgebieten für Verkehrsunfälle. Bestätigt sind auch Angriffe von brunftigen Bullen oder Mutterkühen zum Schutz ihrer Jungen. Wissenschaftlern zufolge sind Wisente aber in der Regel friedlich und scheu und gehen dem Menschen, wenn immer möglich, aus dem Weg.

Weitere Infos: www.wisent-thal.ch

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