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Reportage

Trotz vollem Terminkalender nehmen sich Samichlaus und Schmutzli viel Zeit für die Schülerinnen und Schüler der Klasse 2 c des Schulhauses Kügeliloo mit Klassenlehrerin Lisa-Maria Lienbacher (hinten Mitte). Die Begeisterung ist den Kindern ins Gesicht geschrieben, und Redaktorin Sibylle Ambs fühlt sich sichtlich wohl zwischen Samichlaus und Schmutzli. Bild: Nicolas Zonvi

Samichlaus in wichtiger Mission

Von: Sibylle Ambs

11. Dezember 2018

AM PULS Auch wenn sein «Eseli» vier Räder hat und er eher zügig als gemütlich unterwegs ist auf Zürichs Strassen: Wo immer der Samichlaus auftaucht, fangen Augen an zu leuchten, und es liegt Magie in der Luft. Für die «Tagblatt»-Serie «Am Puls» ist Redaktorin Sibylle Ambs mitten im vorweihnachtlichen Geschehen.

Es ist noch stockdunkel an diesem Morgen vor dem Samichlausentag. Bei der Chlausenzentrale im Zürcher Albisgüetli sind aber bereits einige Gestalten unterwegs – in wichtiger Mission: Obwohl sein erster Termin erst um 9 Uhr ist, trifft sich der Samichlaus bereits eine Stunde früher mit seinem Schmutzli und dem Eseli in der Zentrale. Denn bis Bart und Kutte richtig sitzen und alle parat sind, dauert es eine Weile. «Bis vor einem Jahr war Karin Diefenbacher mein ‹Eseli›. Wir fuhren neun Jahre lang gemeinsam.» Da sie aber seit diesem Frühjahr als neue Präsidentin der St. Nikolausgesellschaft Zürich zu seiner Chefin aufgestiegen ist, hat Gaby Surber die Nachfolge angetreten. Sie fährt die zweite Saison als «Eseli» mit ihrem Mitsubishi den Samichlaus von Termin zu Termin. «Bei unserem morgendlichen Briefing besprechen wir die Route zusammen.» Gaby Surber ist zuständig für die Einhaltung des strengen Terminplans auf der Strasse. Sie schaut zudem, dass ihr «Eseli» in einwandfreiem Zustand und vollgetankt ist.

Vor Ort bei den Besuchen wiederum ist es der Samichlaus höchstpersönlich, der das Zeitmanagement im Griff haben muss. Für diesen Tag stehen der Besuch eines Kinderhorts, einer Schulklasse, eines Kursschiffes und noch ein paar weitere Termine auf dem Plan.

Kurz nach halb neun geht es dann endlich los. Gaby Surber chauffiert das Chlausenteam souverän durch den Zürcher Morgenverkehr. Auch bei noch so gedrängtem Programm bewahrt sie Ruhe und lässt sich nicht aus dem Konzept bringen. «Ich schaue mit dem Navi oder über Google Maps, wo es Stau hat, und versuche, diesen zu umfahren. Man muss etwas erfinderisch sein und oft improvisieren.» Während der Fahrt werden die letzten Details besprochen, denn der Samichlaus hat dieses Jahr einen neuen Schmutzli an seiner Seite. «Es gibt Schmutzli, die bleiben lieber etwas im Hintergrund während des Besuchs, und es gibt andere, die übernehmen gerne einen grösseren Part. Man muss das vorher einfach absprechen.» Das erste Ziel im Friesenberg-Quartier ist bald erreicht. Währendem der Samichlaus und der Schmutzli im Kinderhort verschwinden, macht es sich Gaby Surber vor dem Gebäude im Auto gemütlich. «Wenn ich einen Parkplatz finde, gehe ich auch mal mit rein. Aber meistens ist es nicht so einfach, das Auto irgendwo stehen zu lassen.» Wenn sie mit dem Team unterwegs ist, versucht sie, möglichst aufs Kaffeetrinken zu verzichten, denn die Zeit reicht nicht aus, um irgendwann eine Toilette aufzusuchen. Das muss warten bis zur Mittagspause in der Zentrale.

Pünktlich nach einer Dreiviertelstunde kommt das Chlausenteam zurück zum Auto. Einsteigen, anschnallen, und los gehts einmal quer durch die Stadt nach Oerlikon. Dort wird der Samichlaus sehnlichst von der Klasse 2 c des Schulhauses Kügeliloo erwartet. Die drei werden bereits auf dem Lehrerparkplatz von der Klassenlehrerin Lisa-Maria Lienbacher in Empfang genommen und quer über den Pausenplatz ins Schulgebäude geführt.

«Der St. Nikolaus hat Helfer, die zu den Kindern kommen.»

Vor dem Klassenzimmer angekommen, geht die Klassenlehrerin vor. Und drang bis eben noch lautes Geplapper und aufgeregtes Kichern nach draussen auf den Gang, verstummt alles schlagartig beim Eintreten des Samichlaus. Zwanzig Augenpaare blicken ehrfürchtig zum Mann in Rot. Lisa-Maria Lienbacher schmunzelt. «Ich denke nicht, dass alle Kinder noch an den Samichlaus glauben. Zudem habe ich ihnen heute Morgen die Geschichte vom St. Nikolaus erzählt, an deren Ende er ja stirbt. Ich habe ihnen gesagt, er habe Helfer, die bis heute zu den Kindern kämen.» Ob nun der Echte oder ein Helfer, Eindruck macht er allemal mit Stock, grossem Sack und dem Schmutzli an seiner Seite, da sind sich die Kinder der Klasse 2 c in diesem Moment einig.

Doch erst einmal kommt der Schmutzli zum Zug: Er nimmt sein grosses Buch zur Hand und beginnt daraus vorzulesen. Es ist das sogenannte Sündenregister, wobei es keine wirklichen Sünden gibt. Hie und da vergessen die Kinder, die Lehrer zu grüssen, oder hören nicht hin, wenn die Klassenlehrerin um Ruhe bittet. Aber im Grossen und Ganzen, so befindet der bärtige Schmutzli, sei es eine sehr brave Klasse, und der Samichlaus sei zufrieden mit ihnen. Immer noch herrscht relative Ruhe im Zimmer, auch wenn der eine oder andere Naseweis den ersten ehrfurchtsvollen Schock überstanden zu haben scheint. Und als sich der Samichlaus persönlich an die Klasse wendet, schiessen viele Hände in die Höhe – jeder will seine Fragen beantworten. Und bald werden erste zaghafte Stimmchen laut: «Samichlaus, was ist dort in deinem Sack?» Doch so schnell geht es nun auch wieder nicht mit der Bescherung. «Wer hat einen grünen Pulli an?», fragt der Samichlaus. Es ist Theresa, und sie darf sich das Lied wünschen, das die Klasse vortragen soll. Wer nun denkt, das sei ein abgekartetes Spiel, der irrt: «Wir haben ein grosses Liederrepertoire und singen täglich. Es gibt keine 2. Klasse in Zürich, die besser singt als wir», erzählt Musiklehrer Fabian Ruoss stolz, der zur Verstärkung mit im Zimmer sitzt. Während sich die Klassenlehrerin ans Klavier setzt, blickt die Klasse auf den Text an der Tafel: Mit Kreide gemalte, farbige Bilder dienen dort als Denkhilfe für das Lied «Ein König ohne Krone».

Und dann – endlich! – nimmt der Samichlaus den Sack zur Hand. Die Aufregung steigt, inzwischen sitzt kein Kind mehr an seinem Platz. Und in diesem ganzen Trubel geht beinahe unter, dass just in diesem Moment Yanira Schaller ihren Zahn verliert, der schon so lange gewackelt hat. Während sich Lehrerin Lienbacher um den Milchzahn kümmert, leert der Samichlaus Mandarinli und Schokolade auf den Boden des Klassenzimmers. «Keine Nüsse!», stellt die kleine Thalia fest. «Nein, keine Nüsse. Wer weiss, wieso es keine Nüsse im Sack hat?», fragt die Klassenlehrerin. Alle wissen es: Es gibt zwei schwere Allergiker in der Klasse, und so gibt es für alle unbedenkliche Knabbereien.

Und für den Samichlaus? Für den hat Geburtstagskind Elena Gonzalez noch eine Überraschung: Als Proviant gibt es für das Chlausenteam selbst gemachte Muffins von ihrer Mama auf den Weg. Und während der Chlaus, der Schmutzli und das «Eseli» zurück in die Zentrale fahren, geht die Klasse 2 c ausgerüstet mit Mandarinli, Schoggi und dem Beweis, dass es doch einen Samichlaus gibt, in die grosse Pause.

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