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Reportage

Netto-Laden an der Birmensdorferstrasse 38: Hier treffen sich Arm und Reich – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Bilder: SB

Schnäppchenjagd, die allen hilft

Von: Sacha Beuth

08. Oktober 2013

Der Secondhandladen Netto von Caritas Zürich an der Birmensdorfer­strasse 38 gibt zu Tiefstpreisen gebrauchte Kleider ab. Das schätzen nicht nur Bedürftige.

«Plumps», schon wieder landet ein Plastiksack mit gebrauchten Textilien im Sammelraum des Caritas-Secondhandladens Netto an der Birmens­dorferstrasse 38. Verena Hess, die das Geschäft sowie einen weiteren Secondhandladen des Hilfswerks leitet, und ihre Stellvertreterin Sevdije Gjekaj kommen mit dem Sortieren kaum noch nach. «Pro Jahr werden in den 7  Secondhandkleiderläden von Caritas Zürich zusammen rund 150 Tonnen Kleider angeliefert», erzählt Hess. «Davon sind rund 80   Prozent unbrauchbar, sprich so abgenutzt, dass sie nicht mehr verkauft werden können; diese werden an Texaid weitergegeben. Der Rest wird sortiert, und die besonders wertvollen Stücke gereinigt – wir legen besonderen Wert auf Sauberkeit – und dann in unseren Läden wieder verkauft.» Stücke, die in den herkömmlichen Secondhandshops von Caritas Zürich nicht verkauft werden können, weil sie etwa kleinere Defekte auf­weisen, gelangen in den Netto-Laden. Dafür werden die Textilien auch zu sehr günstigen und festen Preisen abgegeben. So kostet dort beispielsweise jede Hose 5, alle Mäntel 15 und alle Schuhe 3 Franken.

«Einen grossen Teil der Einnahmen bestreitet Caritas Zürich über den Verkauf. Würden wir nicht versuchen, auch weniger edle Textilien an den Mann oder an die Frau zu bringen, hätten wir auch weniger Geld für unsere sozialen Projekte zur Verfügung», erklärt Hess. Die Kundschaft im Netto ist bunt gemischt. Arm und Reich geben sich die Klinke in die Hand. Letztere sind vor allem auf ausgefallene Bekleidungsstücke oder auf Vintage-Mode aus. «Wer bei uns einkauft, braucht Zeit, um zu stöbern. Dafür kann es sein, dass man ein Kleid aus den 20er-Jahren bei uns findet», so Hess. Elise, eine elegante Frau aus dem Theaterbereich, schätzt genau diesen Aspekt, gibt aber zu, dass sie auch finanzielle Überlegungen ins Netto ziehen. «Gegenwärtig habe ich kein festes Einkommen und bin darum froh, dass ich mich hier eindecken kann.» Das trifft auf die Mehrzahl der Kunden zu. Meist sind es Randständige oder Ausländerinnen wie Maria, die stolz ihren hier erstandenen Schal präsentiert und nun nach weiteren Schnäppchen für sich und ihre Verwandtschaft in der Dominikanischen Republik sucht. Oder ältere Männer und Frauen – wie Kathy. «Ich bin knapp bei Kasse und kaufe seit etwa 8  Jahren hier ein. Für meinen Sohn habe ich kürzlich ganz günstig einen Dolce-&-Gabbana-Mantel erstanden. Das Futter war zwar zerrissen, aber das liess sich leicht flicken», erzählt sie ohne falsche Scham.

Nicht alle könnten so offen zu ihrer prekären finanziellen Situation stehen, bemerkt Sevdije Gjekaj. «Es gibt Kunden, denen packen wir die Sachen auf Wunsch in einen Armani-Plastiksack, damit man nicht erkennt, wo sie eingekauft haben.» Doch insgeheim sind auch sie froh, dass es seit über 12 Jahren das Netto gibt.

 

Die Caritas

Der Name Caritas kommt aus dem Lateinischen und bedeutet «Nächstenliebe», «Hochschätzung». Am 9. November 1897 gründete Lorenz Werthmann mit dem «Charitasverband für das katholische Deutschland» die erste nationale Caritas-Organisation, der bald weitere folgten, darunter 1901 auch diejenige der Schweiz. Die Ableger vereinigten sich 1951 zu einem weltweiten Dachverband, der heute als Caritas Internationalis bekannt und in mehr als 200 Ländern in der Not- und Entwicklungshilfe tätig ist und Menschen unabhängig von Weltanschauung, Rasse und Religion unterstützt. Caritas Zürich ist ausschliesslich im Kanton Zürich tätig und unterstützt Menschen, die hier wohnhaft sind. Die Secondhandshops erwirtschaften jährlich einen Umsatz von über 2 Mio. Franken.

www.caritas-secondhand.ch

 

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