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Reportage

In diesem Herbst verantwortlich für die Bepflanzung der Beete am Utoquai: Das Gärtnerteam von Grün Stadt Zürich mit Joy Kurmann, David Frey, Andri Brunner, Gast Sacha Beuth, Vorarbeiter Benjamin Meyer, Vitor Damas, Peter Gallizzi und Antonio Mourão (v. l. n. r.). Bild: Nicolas Y. Aebi

Sie machen Zürich bunter

Von: Sacha Beuth

29. Oktober 2019

AM PULS Dreimal pro Jahr wird der Blumenflor am See von den Mitarbeitern von Grün Stadt Zürich für die jeweils folgende Saison bereitgemacht. Das Abräumen, das Umgraben und das Neusetzen der 21 Beete für die Herbstbepflanzung sind für das sechsköpfige Team um Vorarbeiter Benjamin Meyer eine zeitintensive, anstrengende, aber auch beliebte Angelegenheit. Redaktor Sacha Beuth hat die Gärtner für die Serie «Am Puls» bei ihrer Arbeit begleitet.

Im schwachen Schein der morgendlichen Herbstsonne betrachtet Benjamin Meyer (40) noch einmal die Canna indica, Zinnien, Cosmea, Löwenmäulchen und Tagetes, die in den 21 Beeten am Utoquai einen Sommer lang durch ihre Farben und Formen die Passanten erfreut haben. Dann gibt der Vorarbeiter von Grün Stadt Zürich seinem sechsköpfigen Team mit einem «Los, packen wir es an» das Signal, um mit dem Abräumen zu beginnen. Auf rund 200 Quadratmetern muss die Sommerbepflanzung entfernt, die Erde umgegraben, aufgelockert und eingeebnet, die Herbst-­Winter-Bepflanzung eingesetzt sowie angegossen werden. «Alles innert zweieinhalb bis drei Tagen. Das ist nicht viel Zeit für die viele Arbeit», bemerkt Meyer. «Die Pflanzen müssen in der Erde sein, bevor der erste Frost kommt.»

Mit Spaten, Hacken, Schaufeln und Gartenscheren ausgerüstet, steigen die Gärtner in die Beete. Aus Sicherheitsgründen tragen sie zudem eine Pop-up-Schwimmweste. «Obwohl in den 23 Jahren, in denen ich bei Grün Stadt Zürich arbeite, erst ein Mal einer unserer Gärtner in den See gefallen ist», bemerkt Peter Gallizzi und fügt grinsend hinzu: «Ausser dass er nass wurde, ist ihm aber nichts passiert.» Der 52-Jährige zieht mehrere Büschel verblühte Canna indica aus der Erde und wirft sie auf den bereitgestellten, gasbetriebenen Transporter. Derweil gräbt Joy Kurmann in einem anderen Beet einen prächtigen, in voller Blüte stehenden Strauss weisser Cosmea aus dem Boden. «Schau mal», ruft sie Meyer zu. «Den könnte man im Blumenladen nicht schöner bekommen.» Trotzdem müssen die auch «Schmuckkörbchen» genannten Pflanzen jetzt kompostiert werden. «Das ist zwar schade. Aber die Blumengeschäfte hätten keine Freude, wenn wir in ihr Business miteinsteigen und sie konkurrenzieren würden», erläutert Meyer das Vorgehen.

Mit einem Seufzer legt Kurmann die Cosmea ebenfalls auf die Ladefläche des Transporters. Im Herbstbepflanzungstrupp ist sie die einzige Frau. «Das macht mir jedoch gar nichts aus. Im Gegenteil: Unter Männern geht es bei der Arbeit irgendwie ruhiger zu und her als unter Frauen.» Mindestens ebenso sehr schätzt die 24-Jährige die Vielseitigkeit ihres Berufs: «Jeder Tag ist anders. Du bist nicht in einem Büro gefangen, sondern immer an einem anderen Ort. Und du bist immer an der frischen Luft.» Dass es dann auch kühl und nass werden kann, stört Kurmann nicht. «Ich bin ein Wintermensch und bin froh, wenn es wie heute nicht zu warm ist.» Zumal, wie ein Blick in die Runde zeigt, die Arbeit ganz schön schweisstreibend ist.

«Unsere Blumenbeete sind die Visitenkarte der Stadt Zürich»

Am Nachmittag ist ein Grossteil der Sommerpflanzen abgeräumt. Während ein Teil des Teams sich um die übrig gebliebenen Beete kümmert, beginnt der andere Teil – das sogenannte Team Maulwurf – mit den Umgrabungsarbeiten. «Eine nicht ganz ungefährliche Tätigkeit übrigens, denn in den Beeten finden sich immer wieder Glasscherben, gebrauchte Drogenspritzen oder Ähnliches. Darum sind Handschuhe Pflicht», betont Meyer. Den Hauptteil der Wühlarbeit erledigt eine Fräse, mit der Gallizzi seine Bahnen durch die Beete zieht. «Auf diese Weise wird die Erde aufgelockert, und es ist dann einerseits einfacher, die neuen Pflanzen zu setzen, und andererseits haben diese es leichter, anzuwachsen», erklärt Meyer. Vitor Damas und David Frey, die beiden anderen «Maulwürfe», unterstützen Gallizzi mit Schaufel und Hacken. «Es ist schön, dass sich die Stadt eine Herbst- bzw. Winterbepflanzung leistet. So können wir die grauen Tage etwas bunter und farbiger gestalten», findet der 25-jährige Frey. Das kommt laut Damas nicht nur bei der lokalen Bevölkerung, sondern auch bei Besuchern gut an. «In unserem Arbeitsbezirk am See verkehren sehr viele Touristen, die uns immer wieder für die schöne Bepflanzung loben», so der 45-Jährige, der nicht ohne Stolz hinzufügt: «Unsere Blumenbeete sind so etwas wie die Visitenkarte der Stadt Zürich.»

Die aufgelockerten Beete werden nun von Antonio Mourão mit einem Rechen zu einer homogenen, ebenen Fläche abgeglättet, damit die neu einzusetzenden Pflanzen «nicht wie Chrut und Rüebli» wild daraus hervorspriessen, sondern ein harmonisches Bild abgeben. «Was angesetzt wird und wie die Pflanzen gestaltet werden, wird jeweils immer eineinhalb Jahre vor der Saison bestimmt», erzählt Meyer. In der Regel folge die Bepflanzung der städtischen Schmuckbeete einem Thema wie «Feuer und Eis» oder «Die essbare Stadt». «Die Frühlingsbepflanzung ist meist die Aufwendigste», so Meyer weiter. «Hierfür machen wir im Vorfeld Standortskizzen, also wo in einem Beet welche Pflanze positioniert wird. Im Herbst dagegen lassen wir den gestalterischen Fähigkeiten unserer Gärtner freien Lauf.» «Wobei sich hier einige Passanten gerne einbringen wollen», wirft Andri Brunner dazwischen. «Sie begründen dies dann häufig mit dem Argument: Ich bin ja Steuerzahler.» Der 24-Jährige ist gerade dabei, zusammen mit Gallizzi die ersten Erika und Calluna einzusetzen, die von nun an bis ins nächste Frühjahr das Utoquai zieren sollen. Gallizzi ist nicht ganz zufrieden damit. «Ich bin kein Freund von Erikas. Ich finde Stiefmütterchen schöner.» Mourão, der gerade eine weitere Kiste vom Transporter zum Beet getragen hat, widerspricht: «Ich mag Erikas.» «Aber nur, weil sie halb so viel Arbeit geben wie Stiefmütterchen», frotzelt Gallizzi.

Auf das Einpflanzen folgt das Angiessen. Wieder erklärt Meyer den Arbeitsschritt: «Wird nicht richtig angegossen, können die Wurzelballen austrocknen, die Pflanzen sterben ab, und die ganze Arbeit war umsonst. Hinzu kommen die besonderen Verhältnisse am See. Es ist hier sonniger und windiger als an vielen anderen Orten der Stadt, was die Gefahr des Austrocknens noch erhöht. Und weil die Trogbeete keinen Kontakt zum Grundwasser haben, müssen wir das Wasser sowohl für das Angiessen wie auch für das weitere Befeuchten mit einer Umwälzpumpe aus dem See schöpfen.»

Gegen 16.30 Uhr wird zusammengepackt und die heruntergefallene Erde und Pflanzenteile rund um das Beet zusammengewischt. Dann ist der Arbeitstag für Meyers Team zu Ende. Zufrieden, aber auch etwas sorgenvoll blicken die Gärtner auf ihr Werk. «Hoffentlich bleibt diese Bepflanzung vor Vandalenakten verschont», sagt Damas stellvertretend für alle. In der Vergangenheit, so erzählt Meyer, hätten immer wieder Personen grosse Teile der Bepflanzung herausgerissen oder als «Liegewiese» missbraucht. «Wenn du so viel Herzblut in deine Arbeit gesteckt hast, macht dich so etwas einfach nur traurig.» Grundsätzlich könne einem aber selbst dies die Freude an der Arbeit nicht nehmen. «Denn zum Glück weiss die überwiegende Mehrheit der Zürcherinnen und Zürcher unseren Dienst an der Bevölkerung zu schätzen.».

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