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Reportage

Stuzzichini und Prosecco: Das Vino Madonna ist die erste von fünf Etappen, bei denen man uns verwöhnt. Bild: Elisabeth Real

Sie vermissen la Bella Italia

Von: Clarissa Rohrbach

21. April 2015

Die Italian Food Tour ist auf Tripadvisor die drittbeliebteste Aktivität in Zürich. Dabei spaziert man in der Gruppe von einem italienischen Lokal zum nächsten. Wir habens ausprobiert.

«Ciao ragazzi!» Der Wirt winkt uns so überschwänglich entgegen, als würden wir ihn schon seit Jahren kennen. Stefanie Rigutto und er fallen sich in die Arme. Mit einem «Prego, prego, venite» lotst sie uns in das Vino Madonna. Gläser und Stuzzichini – italienische Häppchen – stehen bereit. Die Führerin der Italian Food Tour hat uns um 19 Uhr am Löwenplatz empfangen. Mit anderen zehn Teilnehmern machen wir uns auf den Weg. Zugegeben, anfangs ein wenig zögerlich, denn so viel Herzlichkeit sind wir in Zürich nicht gewohnt. Der Abend: fünf Lokale und eine Menge Essen. Ein kulinarischer Spaziergang durch die Stadt.


Wir essen Oliven, Käse sowie Piadine mit Schinken, trinken Prosecco und stellen uns dem Paar neben uns vor. Sofort wird klar: Hier überwindet man Berührungsängste und geniesst zusammen. Denn, wie man in Italien so schön sagt: «Tutto il mondo è paese (die Welt ist ein Dorf).» Unsere Winterthurer Nachbarn nehmen noch ein Lachstörtchen und einen Schluck San-Pellegrino-Mineralwasser, sie seien froh, einen Platz bekommen zu haben, der Anlass sei oft ausgebucht.


Seit 2013 findet der Spaziergang – er kostet 85 Franken pro Person – einmal im Monat statt. 250 Leute haben bereits mitgemacht. Dank ihrer Rezensionen ist die Tour nun bei Tripadvisor auf Platz drei der beliebtesten Aktivitäten in Zürich. Denn so etwas gab es in der Stadt noch nicht. Rigutto, die das Konzept in Los Angeles entdeckte, meint: «Wir möchten, dass die Teilnehmer das italienische Erbe der Stadt kennen lernen und neue Leute treffen. Verdienen tun wir nichts daran.» Die 35-Jährige hat die Tour vor zwei Jahren zusammen mit Luisa Iacono gegründet. Als die 32-Jährige von Ischia nach Zürich kam, dachte sie – wie so viele Italiener –, dass es hier keine richtig gute italienische Kost gebe. «Da habe ich mich aber mächtig geirrt.»


Giacomo, der Wirt, kommt mit einer zweiten Platte angetänzelt: «Haut rein, es muss alles weg.» Doch die beiden Mädels schauen auf die Uhr: 30 Minuten sind vorbei, wir müssen weiter. Giacomo verabschiedet uns mit Luftküsschen, während wir zum Spiga laufen. Dort geht es zügig weiter. Pizza mit scharfer Salami, Pizza mit Rucola und Pizza mit Schinken und Trüffel (vorzüglich!) landen auf dem Tisch. Wir verteilen die Teller, reichen uns Flaschen von Birra Moretti, dem bekanntesten italienischen Bier. Eine neue Sitznachbarin erzählt uns von der Zeit, als sie in Mailand arbeitete, und beendet ihre Geschichte auf der Strasse, denn es hiess bereits wieder: «Weiter, ragazzi!»


Etwas angeheitert schlendern wir entlang des Limmatquais. Die Gruppe fühlt sich vertraut an: Essen verbindet. Vor dem Tschingg im Oberdorf erklärt uns Rigutto den Ursprung des Wortes. Tschingg komme von Cinque und noch genauer vom Spiel Morra, das vor allem ältere Italiener spielten, eine Art von Schere, Stein, Papier, bei dem die Spieler die Anzahl Finger erraten mussten, welche der andere zeigen wollte. Das Lokal rehabilitiert so das Schimpfwort, denn Italiener sind heute wohl die Lieblingsausländer der Schweizer.


Nach einem Teller Pasta und einem Glas Ripasso gehts weiter zum Contrapunto, Schweizer ganz vorne, Secondos etwas gemütlicher im Verzug. Viele staunen, dass das Restaurant am Paradeplatz so unkompliziert ist. Zum cremigen Tiramisu und dem Espresso hören wir von Reisen und Austauschsemestern, von gemischten Paaren und multikulturellen Eltern. Jeder gibt sein Italienisch zum Besten, zeigt aber auch ein wenig Nostalgie: Sie vermissen la Bella Italia.


Nach drei Stunden sind wir vollends zufrieden und auch etwas erschöpft. Eine Studentin nippt in der Bar Nocciolina am Limoncello, sie sei schon das dritte Mal dabei. Wir verstehen auch, wieso: Die Gruppe löst sich auf, die Leute mit ihren Geschichten ziehen von dannen, und wir hoffen, sie irgendwann irgendwie wiederzusehen.

italianfoodtourzurich.tumblr.com

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