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Reportage

Röntgenstrasse mit dem Swissmill Tower im Hintergrund. Bild: Regula Weber

Strasse der Strahlen

Von: Urs Hardegger

11. Juli 2017

Jeder Ort in Zürich hat seine Geschichte. Das «Tagblatt» erzählt jede zweite Woche eine solche Story. Heute: die Röntgenstrasse.

In einem Bogen schwingt sich die Röntgenstrasse über den gleichnamigen Platz zu den Viaduktbögen an der Limmatstrasse. Einst war sie eine wichtige Verbindungsstrasse zum Hauptbahnhof. Ihre Sperrung in den 80er-Jahren trug viel zur Beruhigung des Quartiers bei.

Schweigsam und schroff

Als Namensgeber stand der Allee Wilhelm Conrad Röntgen (1845–1923) Pate. Er war 1865 nach ­Zürich gereist, um am Eidgenös­sischen Polytechnikum Maschinenbau zu studieren. Viel ist über seine Zürcher Zeit nicht bekannt. Immerhin weiss man, dass er im Grünen Glas an der Unteren Zäune seine spätere Frau kennen lernte. Nach seiner Promotion ­folgte er seinem Professor nach Würzburg und Strassburg. Als introvertierter, schweigsamer, manchmal gar schroffer Mensch wird Röntgen von seinen Zeitgenossen beschrieben.

Damit passt er eigentlich schlecht zum autofreien Röntgenplatz, der ein wichtiger Begegnungsort im Industriequartier geworden ist. Auf dem Platz finden viele Veranstaltungen, darunter auch das wohl grösste und bekannteste Quartierfest der Stadt, statt. Was einst als spontane Bürger­aktion begann, hat sich zu einem Grossanlass gemausert.

Weltberühmt machte Röntgen 1895 die Entdeckung einer neuen Art von Strahlen, mit denen sich alles ausser Blei- und Platinplatten durchleuchten liess. Auch der menschliche Körper. Er nannte sie X-Strahlen, später wurden sie im deutschen Sprachraum nach seinem Namen benannt. Für das erste Röntgenbild musste seine Frau ihre Hand unglaubliche fünfundzwanzig Minuten der Strahlendosis aussetzen. Seine Erfindung war bahn­brechend. Erstmals konnte man in das Innere des Menschen sehen. Ob ein gebrochenes Bein, ein ­kranker Zahn oder eine Tuber­kuloseinfektion: Röntgens Erfindung schaffte Klarheit.

Von den Gefahren der Strahlen­belastung ahnte man damals noch nichts. Auf Jahrmärkten und in ­öffentlichen Vorführungen wurde zur Belustigung der Zuschauer das neue Verfahren vorgeführt. Das Resultat dieses sorglosen Umgangs war verheerend. Insbesondere Forscher und Mediziner, die längere Zeit den Strahlen ausgesetzt waren, starben zu Hunderten an ­Leukämie oder anderen Krebserkrankungen. Es dauerte lange, bis man das Ausmass des Dramas erkannte.

Nobelpreis 1901

Das ändert nichts daran, dass seine Erfindung, für die Röntgen 1901 den Nobelpreis erhielt, aus der medizinischen Diagnostik nicht mehr wegzudenken ist. Mit einer Gedenktafel am Seilergraben, einer Quartierstrasse und einem sehr belebten Platz ehrt Zürich seinen berühmten ETH-Studenten.

Quelle:
Glasser, Otto: Wilhelm Conrad ­Röntgen und die Geschichte der Röntgenstrahlen. Berlin, 1995.

Lesen Sie am 30. August den ­Beitrag zur Amazonenstrasse.

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