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Reportage

Helena und Nelson Egede aus Zürich feierten in Nigeria Traditionshochzeit.

Support für die Heimat

Von: Ginger Hebel

08. Juni 2020

Integration: Als der Nigerianer Nelson mit 22 Jahren nach Zürich kam, sprach er kein Deutsch und kannte niemanden. Heute ist der 40-Jährige mit der Zürcherin Helena Egede verheiratet, hat zwei Kinder und arbeitet als IT-Techniker. Von Ginger Hebel

Weihnachten 2006. Helena Egede ist 24 Jahre alt, als sie zum ersten Mal nach Nigeria reist, in das Land ihres Mannes, um seine Eltern und Geschwister zu besuchen. Auch Töchterchen Ciara ist dabei. Doch auf dem Weg in die Stadt Agbor hat die junge Familie einen schweren Autounfall. Helena erleidet unter anderem ein Schleudertrauma, auch Ciara wird verletzt. Der Fahrer fliegt aus dem Wagen und stirbt auf der Strasse vor ihren Augen (das «Tagblatt» berichtete).

Heute, fast 14 Jahre später, hat die Familie Egede das Trauma überwunden. «Verwandte und Freunde dachten, dass wir nach diesem Horrorunfall nie mehr nach Nigeria reisen würden.» Doch das taten sie. Viermal ist die heute 37-Jährige bereits wieder nach Nigeria geflogen, Nelson reist alle ein bis zwei Jahre in seine Heimat. Gemeinsam betreiben sie in Nigeria ein Förderprojekt in der Owanta-Schule, wo seine Cousine als Lehrerin arbeitet. Dank Spenden können sie die Kinder mit Schulmaterialien unterstützen und ihre Schulgelder bezahlen, indem sie unter anderem an Events wie Afro-Pfingsten Spezialitäten und «Made in Nigeria»-Produkte verkaufen.

Regelmässig schicken sie Kleiderspenden nach Westafrika. Die Corona-Krise hat das politisch unstabile Land in eine noch grössere Krise gestürzt. «Es gibt keine Sozialversicherung, keine Hilfe. Viele Kinder müssen nun noch härter arbeiten auf der Strasse. Sie gehen nicht zur Schule, weil sie ihre Familien unterstützen müssen. Als Mutter stimmt mich das traurig», sagt Helena Egede.

«Falsches Bild von Afrika»

Nelson kam als damals 22-Jähriger in die Schweiz mit der Hoffnung auf ein besseres Leben. «Ich wollte unbedingt arbeiten und Deutsch lernen.» Im Zürcher Opernhaus bewarb er sich um einen Job als Buffetmitarbeiter – mit Erfolg. In der Bahnhofshalle traf er zufällig auf Helena. Er sprach sie an, ihre Geschichte begann. Nelson kennt die Vorurteile gegenüber Dunkelhäutigen. Er habe sich jedoch immer Mühe gegeben, sich zu integrieren. Er machte Weiterbildungen und arbeitet heute als Techniker in der IT-Branche. Er versteht perfekt Mundart und spricht gut Deutsch. «Wenn man wirklich will, kann man viel erreichen», ist er überzeugt. Helena Egede ist stolz auf ihren Mann. «Er besitzt den Glauben an sich selbst.»

Seit vielen Jahren lebt die Familie in Zürich-Affoltern, Ciara ist inzwischen ein Teenager, Sohn Collin ist acht Jahre alt. Kulturelle Unterschiede machen sich besonders in der Kindererziehung bemerkbar, Nigerianer seien in dieser Hinsicht oftmals strenger. Handys am Tisch, das gibts bei ihnen nicht. «Wir essen täglich ein- bis zweimal gemeinsam, beten und reden.» Helena Egede arbeitet im Hauswirtschaftsbereich und als Life Coach, Nelson ist der Haupternährer, doch er hilft auch im Haushalt mit.

Viele Menschen hätten ein falsches Bild von Afrika. «Nigeria ist zwar korrupt und vielerorts für Ausländer gefährlich. Das Verhalten ist aber fast schon nachvollziehbar, wenn man über die Armut und Hilflosigkeit Bescheid weiss», sagen die Egedes. Das Land habe aber auch seine vielen guten Seiten. Lagos zählt zu den bevölkerungsreichsten Städten der Welt. Es wird viel investiert und gebaut. Die südafrikanische Ladenkette Shoprite eröffnet Einkaufscenter, sogar die Schweizer Traditionsmarke Victorinox ist vertreten. 87 Prozent der rund 200 Millionen Einwohner besitzen ein Handy. Trotz der Entfernung ist Nelson seiner Familie und dem Projekt in Afrika immer nah: «Face­- time funktioniert wunderbar.»

Weitere Informationen: www.247trust.net

 

 

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