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Reportage

Die Reiter der Zunft Hottingen bei einer Formationsübung im Reitzentrum Forch. Bild: Nicolas Y. Aebi

Übung schont Pferd und Reiter

Von: Sacha Beuth

10. April 2017

ZU PFERD AM SECHSELÄUTEN Den Reitergruppen der einzelnen Zünfte fällt am Sechseläuten besondere Aufmerksamkeit zu. Dementsprechend werden Mensch und Pferd auf den Anlass vorbereitet. Das «Tagblatt» hat den Reitern der Zunft Hottingen beim Training zugeschaut und Reitchef Pedro Mor befragt.

Der frühmorgendliche Ausritt am Pfannenstiel ist an sich beendet. Trotzdem bittet Pedro Mor, Reiterchef der Zunft Hottingen, seine Kameraden noch zu einer kleinen Formationsübung auf den Abreitplatz des Reitzentrums Forch. «Idealerweise machen wir eine solche Übung im Verband, also wenn wir vollzählig sind, denn heute war über die Hälfte unserer Reiter nicht dabei.» Trotzdem seien die Extra-Runden nicht unnütz. «Je mehr sich Pferd und Reiter miteinander beschäftigen und je intensiver man sich auf das Sechseläuten vorbereitet, desto geringer ist der Stress für die Tiere am Anlass selbst» (siehe Box).

Am Anfang der Vorbereitung steht die richtige Auswahl der Pferde. «Wichtig ist, dass man für den Umzug Pferde mit ruhigem, ausgeglichenem Charakter wählt. Der ist in einigen Rassen wie bei unseren Freibergern oder den Poloponys eher zu finden als bei anderen», erklärt Mor. Bevorzugt werden ausserdem Pferde, die bereits am Sechseläuten teilgenommen haben und solche, die sich untereinander kennen.

An Lärm gewöhnen

Um die Tiere an den Lärm während des Sechseläutens zu gewöhnen, unternehmen viele Zunft-Reitgruppen Ausritte in urbane Gebiete. Andere, wie etwa die Reiter der Kämbel-Zunft, lassen zusätzlich ihre Reittrainings gelegentlich von Glockengeläut begleiten, damit sich die Pferde mit ungewohnten akustischen Reizen vertraut machen können.

Dass am Anlass alles glatt läuft, liegt nicht nur am Pferd, sondern mindestens ebenso am Reiter. «Die Zünfte respektive deren Reiterchefs müssen gewährleisten, dass jeder ihrer Reiter, der am Umzug teilnimmt, das nötige Know-how mitbringt und mindestens im Besitz eines Reitbrevets ist.», betont Mor. Einige Zünfte veranstalten in diesem Zusammenhang halbjährliche Reitkurse. Meistens bestehen die Reitergruppen aber ohnehin aus aktiven Pferdesportlern oder wenigstens Freizeitreitern. «Und da Übung den Meister macht, beginnt für einen Zunftreiter die Vorbereitung nicht erst kurz vor dem Sechseläuten, sondern schon 365 Tage zuvor.», erzählt Mor. «In unserer Gruppe gibt es einmal pro Woche Training. Wie viel der einzelne Reiter zusätzlich übt, hängt auch davon ab, wie oft er das Pferd zur Verfügung hat. Denn nur ein Teil der Reiter ist selber Pferdebesitzer. Immer öfter werden die Tiere für den Umzug von einem oder mehreren Reitställen gestellt.»

Trotz aller Übung und Erfahrung bleibe aber immer ein Restrisiko. «Auch ein noch so ruhiges und erfahrenes Pferd kann mal einen schlechten Tag haben. Darum ist es wichtig, dass der Reiter einer Zunft die Verhaltensveränderung seines Tieres rechtzeitig erkennt und meldet, damit das Pferd aus dem Umzug genommen werden kann. Selbst wenn dies bedeutet, dass er hernach am Umzug mitläuft statt mitreitet. Aber Sicherheit geht nun mal ganz klar vor.»

Uni-Studie: Stress für Pferde am Sechseläuten zumutbar

Immer wieder hatten Tierschützer den Zünftern vorgeworfen, Pferde am Sechseläuten-Umzug unnötig hohem Stress auszusetzen – unter anderem, nachdem 2015 ein Tier einem Herzversagen erlag. Eine Studie der Vetsuisse-Fakultät der Universität Zürich relativiert nun diese Behauptung. Wie die im Rahmen einer Masterarbeit durchgeführte Untersuchung zeigt, ist die Stressbelastung für die Pferde moderat und zumutbar.

Für die Masterarbeit wurden 23 am Sechseläuten 2016 teilnehmende Pferde aus neun verschiedenen Zünften untersucht. Dazu wurden drei Teilabschnitte des Umzuges – der Kontermarsch an der Bahnhofstrasse, der Umzug am Limmatquai und der Umritt um den brennenden Böögg – im Vorfeld des Anlasses ohne die Sechseläuten-spezifischen Reize simuliert. Danach wurden die Pferde auf denselben Umzugsstrecken am Anlass selbst beobachtet. In beiden Fällen wurde jeweils die Herzfrequenz und die Konzentrationen des Stresshormons Kortisol gemessen.

Sowohl nach dem Testtag als auch nach dem Sechseläuten waren die Kortisolwerte der Pferde gegenüber dem Ausgangswert leicht, die Herzfrequenz offensichtlich erhöht. «Die Herzfrequenzerhöhung am Sechseläuten weist auf eine erhöhte Stressbelastung hin. Doch sie ist zusammen mit den Kortisolwerten und der Verhaltensbeurteilung moderat und kann den Pferden zugemutet werden», sagt Michael Weishaupt, Veterinär am Tierspital der UZH und Leiter des Untersuchs. «Die Belastung entspricht in etwa jener, denen Pferde an Spring- oder Dressurprüfungen ausgesetzt sind.» Der Untersuch habe auch gezeigt, dass Sechseläuten-routinierte Pferde mit den Reizen dieses Anlasses besser umgehen können. «Das vorgängige Vertraut-machen der Pferde mit der Umzugssituation und den spezifischen Reizen des Anlasses sowie eine gute Vorbereitung von Pferd und Reiter für solche Anlässe zahlt sich aus», schliesst Weishaupt.

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