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Reportage

Die Kursteilnehmer spielen «Reise nach Jerusalem» auf Schweizerdeutsch. Bild: SB

«Ufzgi» verstehen alle

Von: Sacha Beuth

23. Januar 2018

An der Klubschule Migros in Oerlikon unterrichtet Annelies Hämmig Schweizerdeutsch. Deren Schülerinnen und Schüler versprechen sich durch den Kurs eine leichtere Integration und einen besseren Zugang zu Geschäftskunden.

Dienstagabend in einer Räumlichkeit der Klubschule Migros im Neumarkt Oerlikon. Im Schweizerdeutschkurs von Annelies Hämmig lauschen sieben Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Worten der Kursleiterin. Diese verteilt Zettel, auf denen jeweils ein Mundartsatz notiert ist, der nachgesprochen werden soll. Den Anfang macht Elena. Die 34-jährige Russin hat ausgerechnet einen der schwierigsten Sätze gezogen. Entsprechend schwer fällt es ihr, die Worte zu formen. Trotzdem klingt ihr «Hüt z Abig tanze mer Salsa z Züri» ganz passabel. Elena ist erleichtert. Den Kurs besucht sie in erster Linie aus beruflichen Gründen. «Ich möchte bei den SBB eine Ausbildung zur Zugverkehrsleiterin absolvieren. Und da werden die Lehrer nur Schweizerdeutsch sprechen.» Ausserdem hofft sie, sich durch Mundartkenntnisse besser integrieren zu könne. «Mit meinem Mann und meinen beiden Kindern lebe ich jetzt schon zwei Jahre in Zürich, habe aber noch keine einheimischen Freunde finden können. Wenn ich den Schweizer Dialekt zumindest verstehe, geht die Kontaktaufnahme sicher einfacher.»

«Schaffe» statt «schlaaffe»

Wie Elena geht es den meisten der Kursteilnehmer. Sie erhoffen sich durch die Aneignung des Dialektes Vorteile in Berufs- und Privatleben. So auch Agnes. Die 30-Jährige ist britisch-ungarische Staatsbürgerin und arbeitet für ein international tätiges Unternehmen, in dem eigentlich Englisch die Umgangssprache unter den Mitarbeitenden ist. «Doch in den Pausen werden oft wichtige Infos unter Kollegen auf Schweizerdeutsch ausgetauscht. Und die will ich auch verstehen können.»

Inzwischen ist Hämmig zu einer weiteren Aufgabe übergegangen. In Gruppen sollen die Kursteilnehmer ein Quartett spielen und dabei Karten mit vier zusammengehörigen Mundartbegriffen sammeln. Überhaupt setzt die 36-jährige Sprachwissenschaftlerin in ihrem Unterricht immer wieder spielerische Elemente ein. «Es muss nicht alles so tierisch ernst zu- und hergehen. Der Kurs soll auch Spass machen.» Und das tut er offensichtlich. Als eine der Teilnehmerinnen in einer weiteren Übung statt «schaffe» ein «schlaaffe» vorliest, ertönt reihum Gelächter.

Unter den Teilnehmern stammen auffallend viele aus Osteuropa. «Doch auch Personen aus dem italienischen, englischen und französischen Sprachraum sind gut vertreten.» Zu Letzteren zählt Arlette. Die 37-jährige Lausannerin führt in Zürich ein Geschäft und lernt Schweizerdeutsch, um besser auf ihre Mitarbeiter und Kunden eingehen zu können. «Ich kann mich noch gut erinnern, als ich das erste Mal als Kind in Zürich war. Da habe ich kein Wort von eurem Dialekt verstanden. Inzwischen halte ich Schweizerdeutsch sogar für einfacher als Hochdeutsch, weil es einige französische Wörter beinhaltet.»

Dem widerspricht die ebenfalls 37-jährige Polin Diana. «Beim Dialekt sind mir manche Wörter höchstens aus dem Kontext klar. Auf Hochdeutsch, das ich bereits als Kind gelernt habe, verstehe ich viel mehr.» Elena, der Syrer Ali und die Ungarin Rozie nicken zustimmend. Paolo dagegen kommt mit beidem gut klar. Der 37-jährige Italiener hat höchstens etwas Mühe mit dem «ch». Hämmig ist denn auch über das bisher Erreichte zufrieden. «Wir sind ja noch ziemlich am Anfang des Kurses», erklärt sie und lobt die Schüler: «Das händ er guet gmacht.»

Nach drei, vier weiteren Aufgaben, darunter einer «Reise nach Jerusalem» mit Mundartausdrücken, neigt sich die Lektion dem Ende entgegen. «So, jetzt verteil ich no d Ufzgi fürs nächschti Mal», sagt Hämmig. Als Antwort folgt allgemeines Gestöne. «Ufzgi» ist offenbar ein Wort, das alle Kursteilnehmer verstehen.

Weitere Infos: www.klubschule.ch

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