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Reportage

Frühjahr 1941 vor dem Bahnhof Wiedikon: An der Birmensdorferstrasse Richtung Schmiede Wiedikon stehen noch Gebäude des alten Wiediker Dorfkerns. Bilder: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich/Google Street View

Urbane Umwälzung in Wiedikon

Von: Jan Strobel

04. November 2016

Quartiere einst und jetzt: In loser Folge reist das «Tagblatt» in die Vergangenheit und stellt Impressionen von Zürcher Stadtvierteln im Wandel der Zeit vor. Diese Woche: Wiedikon.

Wiedikon, an einem sonnigen Frühjahrsmittag: Das 14er-Tram Richtung Seebach hat gerade die Station vor dem Bahnhof mit einem Bimmeln verlassen. Auf der Birmensdorferstrasse herrscht Betriebsamkeit. Die Wiediker gehen ihren Geschäften nach, Velofahrer beherrschen die Strassen. Mittendrin sieht der Betrachter einen jungen Mann. Er lehnt lässig, Hände in den Hosentaschen, am Eingang zur Bahnhofshalle. Die Sonnenstrahlen wärmen sein Gesicht. Doch das lichtdurchflutete Stadtidyll ist trügerisch. Das Foto entstand im Frühjahr 1941, in Europa herrschte Krieg. Jede Nacht wurde in Zürich verdunkelt, aus Angst vor Bombenabwürfen über der Stadt. Auch das erzählt uns dieses Bild. Das Frontlicht des 14er Trams ist durch eine Kappe abgeschirmt. Jeder Lichtstrahl hätte für die alliierten Bombergeschwader auf ihrem Weg nach Deutschland ein falsches Signal aussenden können.

Wiedikon hatte zu dieser Zeit gerade seine erste grosse Umwälzung hinter sich. In den Jahrzehnten seit der Eingemeindung in die Stadt Zürich 1893 war das Quartier rasant gewachsen. Das einstige Dorf erfuhr eine Verstädterung mit urbaner Blockrandbebauung, in den 20er und 30er Jahren kamen die grosszügigen Genossenschaftssiedlungen und Gartenstädte am Friesenberg hinzu.
Ab den 50er Jahren setzte dann der zweite Bauboom ein. Wie in anderen Stadtquartieren auch, verschwand ein grosser Teil der dörflichen Struktur immer mehr. In Wiedikon geschah dies viel früher, allerdings nicht so radikal wie beispielsweise in Affoltern oder Schwamendingen. Der urbane Wandel vollzog sich in Wiedikon seit der vorletzten Jahrhundertwende in einem stetigen, man könnte fast sagen behutsameren Prozess.

Im Quartier finden sich heute noch Zeugen der dörflichen Vergangenheit, beispielsweise an der Zweierstrasse oder an der Steinstrasse, der Gasthof Falken an der Schmiede Wiedikon oder oben beim Friesenberg, wo noch uralte Bauernhäuser erhalten geblieben sind.

Das Bild oben zeigt die Schmiede Wiedikon im Jahr 1930. Drei Jahre später wurde der Riegelbau abgetragen und an seiner Stelle ein Wohn- und Geschäftshaus im modernen Stil der Zeit errichtet. Der alte Brunnen steht heute an der Ecke Hallwyl- Manessestrasse.

Goldbrunnenplatz: Bis 1958 befand sich an der Stelle der heutigen VBZ-Ticketeria und des veganen Take-Aways das von der Familie Hausherr geführte Restaurant «Kreuzstrasse», in der Scheune daneben war eine Handlung für Kohlebricketts untergebracht.

Lehmgrube Binz: Noch bis Mitte der 70er-Jahre bauten  hier Ziegeleien Lehm ab.

 

 

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