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Reportage

Nebst seinem antrainierten theatralischen Verhalten fällt Kapuzineraffe Julio auch durch sein handwerkliches Geschick auf. Bilder: Zoo Zürich, Enzo Franchini

Vom Haustier zum Stammvater

Von: Alex Rübel

24. Mai 2016

ZOO INTERN Zoodirektor Alex Rübel berichtet alle zwei Wochen über Neues oder ­Wissenswertes aus dem Tiergarten. Heute geht es um Gelbbrust-Kapuzineraffen.

Julio ist ein besonderes Tier. Der Gelbbrust-Kapuziner lebt bei uns auf einer Insel im Pantanal, und wenn ich mich vor seine Anlage stelle und ihn beim Namen rufe, dann zeigt er sich mir in der Regel und legt dabei ein ziemlich theatralisches Verhalten an den Tag. Das hat einen Grund: Julio war früher ein Haustier. Seine damaligen Halter haben seine theatralische Reaktion auf den Menschen zweifellos gefördert und belohnt.

Zu uns in den Zoo Zürich ist Julio am 15. Februar 1996 gekommen, zusammen mit vier anderen Gelbbrust-Kapuziner­affen, aus dem Centro de Primatologia do Rio de Janeiro. Das Primatencenter startete 1980 mit einem Zuchtprogramm für Gelbbrust-Kapuziner, nachdem man festgestellt hatte, dass die Affenart durch den Verlust und die Zerstückelung ihres natürlichen Lebensraums und durch die Jagd ganz massiv in Bedrängnis geraten war. Für das Zuchtprogramm setzte man dabei keine wilden Tiere ein, sondern sammelte stattdessen Kapuziner ein, die als Haustiere gehalten wurden. Eines dieser Tiere ist Julio.

Intelligent – und bedroht

Eine gezielte Bestandsaufnahme im ursprünglichen Verbreitungsgebiet der Gelbbrust-Kapuziner ergab ein derart erschreckendes Resultat, dass das Zuchtprogramm in den 1990er-Jahren auf internationale Ebene ausgedehnt wurde. Der Zoo Zürich trat zusammen mit den Zoos von Mulhouse und Chester dem Programm bei und kam so auch zu Julio. Sobald die Kapuzinerbestände in den europäischen Zoos genügend gewachsen sind, sollen einzelne Gruppen in Brasilien wieder ausgewildert werden.

Gelbbrust-Kapuziner sind unheimlich intelligente Tiere mit einem hoch entwickelten Gehirn. Julio etwa hantiert mit allen möglichen Materialien, meist genau beobachtet von seinen Nachkommen, die dann versuchen, sein Tun nachzuahmen. Der Greifschwanz der kleinen Primaten übernimmt beim Klettern in den Baumkronen wie eine «fünfte Hand» die Aufgabe eines Ankers. Der Kapuziner nutzt ihn aber auch sehr geschickt, um etwa kleinere Futterstücke zu transportieren. Auch sonst sind die kleinen Affen sehr fingerfertig und flink; sie können sogar Wespen und Bienen fangen.

Männchen von Weibchen zu unterscheiden, ist bei (jungen) Gelbbrust-Kapuzinern übrigens gar nicht so einfach. So kam es auch, dass sich im Juli 2001 unser Kapuzinermännchen Wadi überraschend als Weibchen entpuppte. Wir hatten uns Sorgen um ihn gemacht, weil sein Bauch scheinbar grundlos immer runder und aufgeblähter wurde. Als Wadi eines Morgens plötzlich wieder einen flachen Bauch hatte und dafür ein Jungtier auf dem Rücken trug, löste sich das Rätsel.

Zootiere im Zeichen von Olympia 2016

Vom 5. bis 21. August finden in Rio die Olympischen Sommerspiele statt. Aus diesem Anlass stelle ich Ihnen in dieser Serie in den nächs­­- ten Wochen verschiedene Tiere des Feuchtgebietes Pantanal im Zoo Zürich vor, die auch in Brasilien leben. Viele der Tiere sind dabei mindestens so aussergewöhnlich wie die Leistungen, die die Olympiateilnehmer in Rio erbringen werden.

Weitere Infos: www.zoo.ch/pantanal

 

 

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