mobile Navigation

Reportage

Farbiger, schillernder Kosmos: Im Raumschiffsimulator macht sich der Pilot in Lichtgeschwindigkeit auf die Suche nach der nächsten Sternenkolonie. Bilder: Haidar Zreka

Vom Zürcher Kreis 5 direkt in die Weiten des Kosmos

Von: Jan Strobel

20. November 2018

An der Josefstrasse, mitten im Zürcher Kreis 5, wird gerade der erste Raumschiffsimulator der Schweiz getestet. Ab 1. Dezember sind hier Reisen in galaktische Dimensionen möglich. In den Räumen des Unternehmens Fly & Race Simulations lässt sich aber auch mit der neusten Boeing 777 der Swiss Probe fliegen.

In Zürich-Kloten fällt leichter ­Regen, und Nizza, Aéroport de la Côte d’Azur, Airport Code LFMN, meldet klares Wetter, 17 Grad. Die Boeing 777 der Swiss ist jetzt  bereit für den Start. Vor dem Pushback am Gate, dem Zurücksetzen des Flugzeugs, arbeiteten Pilotin und Co-Pilot die Checkliste routiniert durch. Die Eingabe der Koordinaten, die Prüfung der Navigation und der Geschwindigkeit, das Starten der Hilfstriebwerke, das Signal zum Anschnallen der Passagiere. An diesem Nachmittag ist die Boeing 777 nicht voll besetzt. «Du musst komfortabel sitzen», sagt jetzt Caroline Frick-von Arx, die Pilotin, mit Blick auf die Abflugpiste. «Du musst die Maschine spüren.»

Beim Co-Piloten macht sich derweil Nervosität bemerkbar. Wenn der Point of no Return erreicht ist, der Punkt, an dem der Start nicht mehr abgebrochen werden kann, ist das Flugzeug nicht mehr abzubremsen. Frick-von Arx reduziert jetzt die Triebwerksleistung auf 15 Prozent unter maximale Schubleistung, und ehe es sich der Co-Pilot versieht, drückt sie sanft den Schubhebel nach vorne. 

Mission zu den Sternen
Die Boeing rast dem grauen Himmel entgegen, der sich endlos über Zürich öffnet. Es ist der ­Moment, in dem der Traum von Caroline Frick-von Arx beginnt. Unten liegt idyllisch der Zürichsee, der Funkturm auf dem Uetliberg blinkt wie zum Abschied, und der Firn der Alpen ist das Tor zum weiten Süden. «Diese Kurve um den Uetliberg ist eigentlich streng verboten», lächelt die Pilotin und bringt den Flug gleichsam zurück auf den Boden der Realität. Denn in Wirklichkeit ist das alles simuliert. Das Gate, das Geräusch der Triebwerke, die Stimmen vom Tower, ja selbst der Regen in Kloten und der Zürichsee, es entspringt alles dem Computerprogramm und der Leinwand des Flugsimulators. Das Cockpit wurde in jedem Detail jenem einer Boeing 777 nachgebaut, die natürlich im Normalfall auch nie nach Nizza fliegen würde. Sie ist grundsätzlich für Langstrecken­flüge gedacht.

Der Flugsimulator steht auch nicht am Flughafen, sondern an der Josefstrasse 53 mitten im Zürcher Kreis 5. Hier betreibt Caroline Frick-von Arx zusammen mit ihrem Stellvertreter Flavio Strässle die Fly & Race Simulations GmbH, wo solche Flugträume ermöglicht werden. Zu den Kunden zählen neben professionellen Piloten, die sich hier etwa für eine Umschulung vorbereiten wollen, auch Firmen mit Teamanlässen oder mit Kursen für Risikomanagement, oder aber Familien und Schulklassen. Mit dem Simulator ist es möglich, zum Beispiel einen Flug von Zürich nach Mailand in Echtzeit zu absolvieren. 24 000 verschiedene Flughäfen können auf Knopfdruck aufgerufen und die jeweilige Witterung und Tageszeit dazu ausgesucht werden. 

An der Josefstrasse geht es aber noch ausgeklügelter: Gerade wird in den Räumlichkeiten ein weiterer Simulator eingerichtet, der schweizweit einzigartig und ab dem 1. Dezember einsatzbereit ist. Der Traum vom Fliegen erreicht hier im wahrsten Sinn des Wortes eine völlig neue, nämlich galak­tische Dimension. Im Space Fighter geht es direkt ins Cockpit eines Raumschiffs, angelehnt an die Science-Fiction-Klassiker «Star Trek» oder «Star Wars».

Der Nutzer hinter den futuristischen Touchscreens, den Steuerhebeln und Navigationssystemen wird zum Commander, der das Raumschiff erst aus einer gigantischen, sich drehenden Raumstation navigieren muss, um seine Mission in den Weiten des Alls ­erfüllen zu können. Er begibt sich in einer Supercruise in Lichtgeschwindigkeit auf die Suche nach einer Sternenkolonie oder nach einem Planeten. Raum- und Zeitgefühl heben sich in diesem ­geheimnisvoll farbig-schillernd umwölkten Kosmos mit seiner ­beängstigenden Unendlichkeit auf. Zahlen und Skalen sind hier ausserhalb des Spektrums menschlichen Ermessens. «Die Weltraumtemperatur», klärt Frick-von Arx auf, «liegt im leeren Raum bei ­minus 272 Grad, also fast beim absoluten Nullpunkt. Die Licht­geschwindigkeit beträgt etwa 300 000 Kilometer pro Sekunde.» Schliesslich taucht das gesuchte Gestirn auf, zuerst nur als kleiner Punkt, dann plötzlich schwebt es als mächtiger Planet mit Ozeanen und Landmassen über dem Cockpit des Raumschiffs.

«Ein bisschen sieht dieser Planet aus wie unsere Erde, wunderschön», sagt Caroline Frick-von Arx, und ihre eigene Faszination schwingt in ihren Worten mit. Schliesslich war sie schon als Kind von diesem Universum wie gebannt. Wenn sie hinauf in den Himmel blickte, dann kamen bei dem Mädchen Fragen auf. Wann wurde das Universum geboren? Was ist ein Stern? «Ich wollte ­Astronautin werden», erzählt sie. Jedenfalls werde es sie einst in die Lüfte ziehen, da war sie sich sicher. Denn was sie sonst noch am Himmel sah, waren die Flugzeuge, die ihre Bahnen durch den Himmel zogen. Am Traum des Fliegens hielt sie fest und wurde tatsächlich Pilotin. 14 Jahre lang arbeitete sie in diesem Beruf, bei der Crossair, später auch bei der Swiss. Ihr Mann fliegt noch heute, bereits seit 25 Jahren, für die Airline. «Irgendwann entschied ich mich für die Familie», sagt Frick-von Arx. «Eine Piloten-Ehe lässt nicht viel Spielraum für Fami­lienleben.» Vom Fliegen und von Flugzeugen wollte sie sich allerdings nie verabschieden.

Ihr neues Geschäftsmodell waren Flug­simulatoren. Vor fünf Jahren gründete sie schliesslich das Unternehmen Fly & Race, in dem jeder Mitarbeiter über eine Fluglizenz verfügen muss, denn schliesslich, so Frick-von Arx, «müssen wir jederzeit das Steuer über­nehmen können, wenn ein Kunde überfordert ist. In all den Jahren hatten wir nie einen Absturz.»

Weitere Informationen:
Fly & Race Simulations GmbH
Josefstrasse 53, 8005 Zürich
Tel. 044 777 18 18
www.flyandrace.ch

zurück zu Reportage

Artikel bewerten

Gefällt mir 4 ·  
Noch nicht bewertet.

Leserkommentare

Keine Kommentare