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Reportage

Familienspaziergang im Kaeng-Krachan-Elefantenpark: Ceyla-Himali mit Ruwani und Farha. Bild: Zoo Zürich

Von der Betonburg ins Elefantenparadies

Von: Sacha Beuth

09. Februar 2021

ZOOTIERHALTUNG Nichts ist in einem Zoologischen Garten so beständig wie der Wandel. Das zeigt sich insbesondere in der Tierhaltung. Wo einst kahle und enge Käfige dominierten, stehen den Zoopfleglingen nun naturnahe Ersatzlebensräume mit mehr Fläche und mehr Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung. Diesen Wandel am eigenen Leib erfahren hat Ceyla-Himali. Als die Elefantendame noch im Kindesalter vor 45 Jahren in den Zoo Zürich gelangte, musste sie mit einer Betonanlage als Behausung vorliebnehmen. Dann wurde 2014 im Zoo der Kaeng-Krachan-Elefantenpark eröffnet. Ein Meilenstein für den Zoo Zürich – und ein Glücksfall für Ceyla-Himali und ihre Artgenossen. 

Gemächlich packt sich Ceyla-Himali die belaubten Äste und Zweige vor ihren Füssen, schüttelt sie noch einmal kurz, um sie von Sand und Erde zu befreien, und stopft sie sich dann ins Maul. Dass ihre Enkelin Ruwani sich ebenfalls an einzelnen Ästchen ihres Haufens bedient und damit rumspielt, lässt die 46-jährige Elefantendame des Zoo Zürich unbeeindruckt. Vielleicht erinnert sie die Kleine auch an ihre eigene Kindheit. An die Zeit, als sie im Alter von knapp einem Jahr von Sri Lanka auf den Zürichberg gelangte und ebenfalls voller Neugier die Umgebung erkundete. Obwohl diese weit weniger interessant gewesen sein dürfte. Zwar zog Ceyla-Himali 1976 in eine fast brandneue Anlage – das damalige Elefantenhaus war erst fünf Jahre zuvor eröffnet worden – doch war diese beengt, von Beton dominiert und vor allem reizarm. Zudem wurden die Elefanten damals noch über Nacht und fürs Waschen angekettet. Dies damit sie einerseits nicht in den Trenngraben zum Besucherraum fielen (oder von Artgenossen hineingestossen wurden) und zur Sicherheit der Tierpfleger, die sich immer als Oberste in der Hierarchie der Herde behaupten mussten. Trotz der für Elefanten unnatürlichen Struktur und des unnatürlichen Lebensraums war Ceyla-Himali bald schon das Glück hold. Und zwar in Form des Elefantenbullen Maxi, der wenige Jahre später zu Zuchtzwecken von England in den Zoo Zürich geholt worden war und sich sofort in die etwas kurzbeinige und dickliche Elefantin verguckte. Was 1984 zur Geburt von Kuhkalb Komali, dem ersten Nachwuchs eines Elefanten im Zoo Zürich und somit zum erstmaligen Mutterglück bei Ceyla-Himali, führte. Auch wenn aus der Verbindung mit Maxi (der im Februar 2020 verstarb) noch fünf weitere Jungtiere hervorgingen und sie klar die Favoritin im Harem des Bullen war, ihren Status innerhalb der Herde konnte sie dadurch nicht verbessern. «In der alten Haltungsstruktur war Ceyla die Rangniederste. In Konflikten zwischen den Kühen zog sie meist den Kürzeren», erzählt Kuratorin Cordula Galeffi, in deren Zuständigkeitsbereich auch die Elefantenhaltung fällt. Dann begann man Mitte der 2000er mit der Planung einer neuen Elefantenanlage, die schliesslich 2014 als Kaeng-Krachan-Elefantenpark realisiert und eröffnet wurde. Für alle Elefanten des Zoos, besonders aber für Ceyla-Himali, war diese ohne Zweifel ein Glücksfall. Durch die neue Anlage erhielten die Elefanten nicht nur mehr Bewegungsfreiheit – der Kaeng Krachan ist sechsmal grösser als die Anlage von 1971 – sondern durften sich auch an einem grossen Aussen-Badebecken mit Wasserfall und Bach sowie wesentlich mehr natürlichem Substrat erfreuen. Feste Fütterungszeiten gibt es keine mehr, sondern die Tiere müssen sich ihr Futter an über 40 zum Teil computergesteuerten Futterstellen selber suchen beziehungsweise aus den Löchern pulen oder Körben ziehen, was die Elefanten geistig fordert. Weiter wurde die Haltungsform auf geschützten Kontakt umgestellt. Wie in der Natur steht nun eine Kuh an der ersten Stelle der Herdenhierarchie, während die Pfleger aussen vor sind und nur noch über Barrieren Kontakt zu den Elefanten haben. «Dadurch hat sich die Situation für Ceyla verbessert, denn in der Familienstruktur gibt es fast keine Auseinandersetzungen; wenn, dann mal eine kleine Rempelei, was ganz normal ist. Ceyla lässt ihrer Tochter Farha häufig den Vorzug, setzt sich, wenn nötig, aber auch durch.» Und noch einen glücklichen Umstand brachte der Umzug von der Betonburg ins Elefantenparadies für Ceyla-Himali mit sich. «Ceyla war vor dem Umzug deutlich zu schwer. Weil sie im Kaeng-Krachan-Elefantenpark wegen der grösseren Anlage mehr Bewegung hat und mehr Aufwand betreiben muss, um an ihr Futter zu kommen, hat sie rund 800 kg abgenommen, davon alleine 400 kg im ersten Jahr nach dem Umzug», erzählt Galeffi. Durch den Gewichtsverlust sei sie nun wieder beweglicher und ihre Gelenke weniger belastet. Ob die schlankere Figur Ceyla-Himali glücklicher macht, kann Galeffi jedoch nur vermuten.

Mit der Nebelwald-Anlage fing es an – wie sich die Tierhaltung im Zoo Zürich veränderte

«Die Zoogemeinschaft hat in den letzten Jahrzehnten sehr viel über die gehaltenen Tierarten und ihre Biologie dazugelernt. Auch der Zoo Zürich hat mit innovativen Tierhaltungen seinen Beitrag zu diesem Wissenszuwachs geleistet. Meilensteine in dieser Hinsicht sind die Nebelwald-Anlage für Brillen-
 und Nasenbären (1995), die Himalaya-Anlage für Amurtiger, Schneeleoparden, Kleine Pandas und Wölfe (2000/2001), der Masoala-Regenwald (2003), der Kaeng-Krachan-Elefanten­park (2014) und nun die Lewa-Savanne (2020). Alle diese Anlagen resultieren aus dem Anspruch des Zoo Zürich, die Bedürfnisse der jeweiligen Tierart bestmöglich zu erfüllen. Das bedeutet eben nicht nur, dass die Tiere erstklassig mit Nahrung versorgt und medizinisch betreut sind. Sondern auch, dass sie konstant mit physischen und psychischen ‹Denksportaufgaben› gefördert werden. Der Zoo erreicht dies mit der naturnahen Gestaltung der Anlagen, der Gemeinschaftshaltung verschiedener Tierarten und mit Beschäftigungsprogrammen. Als Folge davon führen heute viele Tiere im Zoo Zürich ein besseres Leben als ihre wildlebenden Artgenossen. Diese müssen heutzutage nicht nur mit ‹natürlichen› Problemen wie etwa der Futterbeschaffung, Krankheiten und der Gefahr durch Rivalen und/oder Fressfeinde kämpfen, sondern immer mehr auch noch mit der Zerstörung ihrer Umwelt durch den Menschen.»
Severin Dressen, Direktor Zoo Zürich

Persönlicher Glücksmoment

«Mein Glücksmoment 2020 war das erste Treffen mit Elefantenbaby Umesh nur wenige Stunden nach seiner Geburt. Bedächtig, ganz still und behutsam schritt die Elefantengruppe mit dem Neuankömmling in ihrer Mitte auf uns zu. Dieser Moment hatte etwas Magisches.»
Cordula Galeffi, Kuratorin Zoo Zürich

 

 

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