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Reportage

Krimineller in der Opferrolle: Benny B. behauptet, er habe wegen Schulden in ein Restaurant eingebrochen. Bild: PD

Von Freunden zum Diebstahl genötigt

Von: Isabella Seemann

29. September 2015

Ein kleiner Fisch zwar, aber ein beharrlicher Schwimmer gegen das Gesetz landet auf der Anklagebank – nicht zum ersten Mal.

Benny B.* sieht aus wie ein Kerl, der Bäume ausreissen kann. Einsneunzig gross, neunzig Kilo schwer, kernig, muskulös. So einer wird immer gebraucht, denkt man, der hat kräftige Hände. Aber sein Leben hat er nicht im Griff, er bräuchte selber eine feste Hand, die ihn durch die Wirrnisse des Lebens leitet. Mit 37 Jahren gilt Benny als hoffnungsloser Fall. Gelernt hat er nichts. Arbeit hat er keine. Ein fester Wohnsitz fehlt ihm ebenfalls. Dafür hat er zweifelhafte Leute um sich, «die so tun, als seien sie Freunde». Zwei davon hatte er im Knast kennen gelernt; ein paar Monate lang waren sie auch draussen gute Kumpel, aber seit einem Weilchen hat er nichts mehr von ihnen gehört.


Benny sitzt durch den vorzeitigen Strafantritt bereits wieder im Gefängnis. Einen Betrug und sieben Fälle von Einbruchdiebstahl gestand er. Beim letzten flog er auf: In einer Novembernacht im Jahr 2013 fuhr er mit einem Velo, das er sich auf bewährte Weise besorgt hatte, nämlich durch Diebstahl, nach Seebach, wo er in ein Restaurant einbrach und das Serviceportemonnaie mit 1200 Franken Bargeld sowie 200 Franken aus der Münzschachtel entwendete. Beim Einbruch entstand zudem 1000 Franken Sachschaden: Benny hatte die Scheibe zur Toilette mit einem Stein eingeschlagen. Eine Videokamera filmte ihn, und ehe er sichs versah, hatte er Handschellen an.


Vor dem Richter spielt er das Opfer. Von Spielsucht ist die Rede. Es war halt «cool zu pokern». Er lieh sich Geld bei seinen zwei Kumpels, und die hätten ihm den unlauteren Tipp gegeben, wie er seine Schulden begleichen könnte. Benny war auf Bewährung draussen. Welcher Teufel hat ihn geritten, die Scheibe einzuschlagen? «Der Alkohol», sagt Benny. Der Alkohol ist immer für eine Entschuldigung gut. Er hatte ein paar Bier getrunken. Aber 0,84 Promille sind nicht genug, um sich herauszureden. Benny gibt auch alles zu, dazu hat ihm sein Verteidiger geraten.


Es ist nicht so, dass niemand sich um Benny kümmern würde. Man könnte sogar sagen, es kümmern sich ungewöhnlich viele um einen starken Kerl, der von der Sozialhilfe lebt und ab und zu einen Diebstahl begeht. Bennys Anwalt verteidigt ihn auf Staatskosten, er hat eine sozialpädagogische Betreuerin, einen Bewährungshelfer – die Heilsarmee und Pfarrer Sieber versorgen ihn.


Ein psychiatrisches Gutachten hält fest, dass Herrn B.s intellektuelle Struktur einfach sei. «Mein Mandant ist nicht gerade von durchgreifender Pfiffigkeit geprägt», charakterisiert ihn sein Verteidiger. «Ich bin einfach überfordert im Umgang mit Geld», wiegelt der Begutachtete ab. Eigentlich stammt er aus mittelständischen Verhältnissen, doch gab es bei Benny während der Schulzeit einen Bruch. Danach bekam er keinen Boden mehr unter die Füsse. Einbrüche und Diebstähle pflastern seinen Weg. Ein kleiner Fisch zwar, aber ein beharrlicher Schwimmer gegen das Gesetz.


Angesichts von vier einschlägigen Vorstrafen sowie sieben weiteren Einbruch-, Einschleich- und Einsteigediebstählen verurteilt ihn der Richter zu einer Gefängnis­strafe von einem Jahr und zehn Monaten. Von den bei ihm sichergestellten Einbruchswerkzeugen will Benny nichts zurückbekommen. «Das Einzige, was ich wiederhaben möchte, sind meine Turnschuhe», sagt er. Die hatte die Polizei für einen Abgleich mit einem Schuhabdruck auf dem Toilettendeckel des Restaurants beschlagnahmt. «Diese Nikes hab ich nicht geklaut, die habe ich mit dem Geld gekauft, das ich mir mal als Prospektverteiler verdiente.»

* alle Namen geändert

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