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Reportage

Dominik Flammer stellt exotische Produkte an der Langstrasse vor. Bild: BEL

«Warzengurken, das ist der Wahnsinn!»

Von: Isabella Seemann

27. August 2013

Thailändisch, ceylonesisch, libanesisch: Eine Shopping- und Kochsafari durch die Langstrasse ist ein Erlebnis für Auge, Nase und Gaumen.

Was zur Hölle macht man mit afrikanischen Paradieskörnern? Wie scharf sind Cherry Chilis? Und kann man dieses garstig verwarzte, gelbe Gemüse wirklich essen? Zwölf Männer und Frauen zwischen 25 und 70 stehen etwas ratlos im Ege-Markt beim Limmatplatz, dem exklusivsten türkischen Lebensmittelhändler der Stadt. Dort gibt es alles, was die orientalische Küche verlangt, und ein Gewürzsortiment, das seinesgleichen sucht: von Ajowan über Kubebenpfeffer bis Wolfsstangen. Es ist die zweite Station von «Shoppenkochen», einem Kochkurs, der mit einer Tour durch Thai-Läden, tamilische Minisupermärkte und Kleinbasare in den Kreisen 4 und 5 beginnt. «Dieses gelbe Gemüse mit den Ausstülpungen heisst Warzengurke», erklärt Dominik Flammer, der Gründer und Leiter der Kochschule. «Wahnsinn!», raunt es aus den hinteren Reihen. Das Angebot in den exotischen Läden rund um die Langstrasse macht die Schweizer neugierig. Während es auf Reisen längst Mode ist, einen einheimischen Kochkurs zu absolvieren und auf diese kulinarische Weise mehr über Land und Leute zu erfahren, sind die exotischen Geschäfte Zürichs für viele noch Terra inkognita.

Dominik Flammer hingegen nähert sich mit nachbarschaftlicher Neugier und wissenschaftlicher Akribie dem Essen. Der Wirtschaftsjournalist wohnt und arbeitet im Kreis 5 und kennt so ziemlich jedes Produkt in den Lebensmittelläden. «Türggeribel», führt der grosse Mann in Lektion 1 ein. «Weshalb nennt der Volksmund den Mais so, obwohl er aus Mexiko stammt? Einerseits weil es abgeleitet ist vom italienischen «grano turco» und andererseits, weil Mais im 16. Jahrhundert aus der Türkei zu uns kam», erklärt er seinen Schülern so leidenschaftlich, dass die nur strahlend nicken können.

Flammers Begeisterung für Lebensmittel steckt an. Stundenlang könnte er übers Essen philosophieren – wenn da nur Zeit wäre. Weiter gehts zum Sala Thai im Kreis 4. Unterwegs doziert Flammer weiter. Manche dürften seinen Namen aus der Zeitung und von Büchern kennen. An Ostern zeigte das Schweizer Fernsehen die unter seiner Federführung mitproduzierte vierteilige Serie «Das kulinarische Erbe der Alpen». Sie beruht auf seinem gleichnamigen, zwei Kilo schweren Buch, das in Wort und Bild die Ernährungsgeschichte der Alpenländer zeigt und wie die Produkte die Bewohner, den Handel und die Kultur beeinflussen. Seit dreissig Jahren schon schreibt er immer wieder über Nahrungsmittel. Er bezeichnet sich als «Food Scout», immer auf der Suche nach Produzenten von Lebensmitteln. Sein nächstes Projekt: der Einfluss des Orients auf die europäische Küche. Das ist die Lektion 2: «Nur zwei Prozent aller Lebensmittel, die wir heute verspeisen, stammt aus Europa.»

Nach der Tour gehts ins «Dreieck», wo der libanesische Koch das Mise en Place in der Küche der Genossenschaftskantine bereits fertiggestellt hat. Dominik Flammer überlässt die eigentlichen Kochkurse den Profiköchen aus den jeweiligen Ländern, in diesem Fall libanesischen Kollegen, die im Kreis 5 den Imbissladen Libanon il Achdar führen. Und zugleich folgt Lektion 3: «Integration funktioniert am besten über den Gaumen».

Auf dem Tisch stehen Rosenblüten- und Orangenwasser, Sesampaste, duftender Thymian und Pfefferminze – und Chilischoten: «Wenn ich für mich koche, nehme ich eine ganze Chilischote, für euch belassen wir es mal bei einer halben», sagt der Koch. Angst vor der tränentreibenden Chilischärfe muss jedoch niemand haben. Libanesische Gerichte zeichnen sich eher durch eine Vielfalt von Aromen aus als durch eine alles dominierende Schärfe.

Die Schüler bestaunen die kugeligen Seidenauberginen: «Ein wunderbar eigenes Gemüse.» Mit Tahina (Sesampaste), Zitronensaft, Sumach (Essigbaumgewürz) und Olivenöl vermengt und püriert, ist das Baba Ganoush quasi schon bereit. Es fehlt wie das Pitabrot auf keiner libanesischen Tafel.

Dann legen alle Hand an für die Teigtäschchen Fatayer, kneten und schnippeln eifrig drauflos. Jeder gibt sich Mühe, denn das, was sie zusammen kochen, kommt nachher auf den gemeinsamen Tisch. Nach zwei Stunden ist das Mezze-Buffet bereit: Baba Ganoush, Taboulé, Feta im Philoteig mit Honigwaben, Fisch im Weinblatt mit Tarator, Orangen-Dattel-Granatapfel-Salat an Zimt-Arak-Jus. Wie ungeduldige Kinder stehen die Schüler mit den Tellern bereit. Der libanesische Koch streut noch ein paar Kräuter über den Salat. Es folgt die letzte Lektion: Libanesisches Essen macht süchtig.

Kochschule:
Shoppenkochen, Tel. 044 272 48 24, www.shoppenkochen.ch


Einkaufen:
Ege-Markt, Josefstr. 53; Sala Thai, Zwinglistr. 32; Dirol Market, Limmatstr. 119; Libanon il Achdar, Hafnerstr. 13; India Supermarkt, Josefstr. 91; Chiang Mai Thai Shop, Josefstr. 13.

 

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