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Reportage

Wo die Kundschaft das Lebenselixier ist

Von: Sacha Beuth

19. März 2013

Wie können Tante-Emma-Lädeli gegen die Konkurrenz bestehen, und haben sie eine Zukunft? Das «Tagblatt» ging diesen Fragen in Ingrids Gourmeggli nach.

Ingrid Hertach und ihre Mutter Mathilde sind ein eingespieltes Team. Das merkt man sofort, wenn man ihren Quartierladen Ingrids Gourmeggli an der Hegibachstrasse 108 unweit vom Klusplatz betritt. Während die eine die Kundschaft mit einem fröhlichen «Guten Morgen» und mit Namen begrüsst und bedient, räumt die andere auf oder kümmert sich um die nächste Kundin respektive den nächsten Kunden. Zum Beispiel um Ursula Blattmer, die Nüsslisalat, Rüebli und Champignons («Wissen Sie, fürs Gulasch») einkauft. Seit zwölf Jahren erledigt sie hier einen Grossteil ihrer Besorgungen. Auf die Frage, warum sie dafür nicht zu einem günstigeren Detaillisten gehe, braucht die Rentnerin nicht lange zu überlegen. «Wegen des Qualitätsunterschieds. So guten Nüsslisalat wie hier finden Sie nirgendwo sonst.»

«Qualität ist ein Faktor, mit dem wir uns gegen die Grossen behaupten können. Gemüse, Früchte und vor allem Molkereiprodukte sind bei uns keine Industrieware, sondern handgefertigt und stammen von kleinen, oft lokalen Produzenten», erklärt Ingrid Hertach. Die anderen Faktoren seien Kunden­nähe, Freundlichkeit, kompetente Beratung und Flexibilität, vor allem was das Sortiment angehe. «Als wir vor zwölf Jahren das Geschäft übernahmen, mussten wir am Anfang ziemlich Lehrgeld zahlen. Wir mussten uns erst einen Kundenstamm aufbauen und die jeweiligen Bedürfnisse kennen lernen.» Deswegen hätten sie viele Abschreiber gehabt. «Und ausserdem wollten uns einige Lieferanten übers Ohr hauen, indem sie uns zweitklassige Ware zu überhöhten Preisen anboten», ergänzt ­Mathilde Hertach.

Ständiger Kampf David gegen Goliath

Obwohl sie inzwischen auf zahlreiche Stammkunden zählen dürfen, haben die beiden Frauen weiter zu kämpfen. «Sobald ein Produkt bei uns besonders gut läuft, versuchen uns die Detaillisten aus dem Markt zu drängen, indem sie dem Lieferanten anbieten, grössere Mengen abzunehmen, wenn sie im Gegenzug das Verkaufsmonopol erhalten», so Ingrid Hertach. «Vom Bedürfnis her haben Quartierläden durchaus eine Zukunft, nur die Rahmenbedingungen werden immer schwieriger.» Als Ladeninhaberin steht die 48-Jährige beinahe täglich zehn, elf Stunden im Geschäft. «Der halbe Sonntag geht für die Buchhaltung drauf. Und Ferien hatte ich seit Ewigkeiten nicht mehr. Das will sich heute kaum noch jemand ­antun.» Dass sie trotzdem die Freude an ihrer Tätigkeit nicht verloren habe, liege an der Kundschaft. «Sie ist mein ­Lebenselixier.»

Die Sympathien beruhen auf Gegenseitigkeit. Alle an diesem Tag befragten Kundinnen und Kunden betonen, wie sehr sie nicht nur die Qualität, sondern ebenso die familiäre Atmosphäre im Gourmeggli schätzen. Und fast von jeder Person, die hier einkauft, kennen die beiden Hertachs nicht nur Namen und Produktvorlieben, sondern auch, was sie gerade beschäftigt. Zu ihnen gehört Student Georg, der gerade den Laden betreten hat. «Wie lief deine Prüfung?», will Ingrid Hertach vom jungen Mann wissen. Georg erzählt und sucht sich dann aus den rund 130 Käsesorten einen Parmesan aus.

Molkereiprodukte sind im Gourmeggli ohnehin der Verkaufsschlager. «Unsere Fondue-Hausmischung ist weit herum bekannt. Und auch die frischen Chäs Glausers Joghurt erfreuen sich grosser Beliebtheit», betont Mathilde Hertach. Inzwischen hat sich eine Schlange gebildet. An deren Spitze steht Haushälterin Sabine Reuter und fragt nach einem Käse. «Der ist Ihnen zu fade. Versuchen Sie besser einen dieser Käse von einem lokalen Kleinbauern», erwidert Mathilde Hertach und reicht der Kundin ein Stück zum Probieren rüber. «Hmh, ja, den nehme ich», schwärmt Reuter. Wieder eine Kundin glücklich gemacht. Ingrid und Mathilde Hertach lächeln zufrieden.

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Leserkommentare

Anton Wiggli - dieser Artikel war sehr gut geschrieben. Als Kunde erstaunt mich immer wieder wie die Beiden
sich Ihrer Kundschaft wiedmen und das nicht nur aus Berechnung.Beiden wünsche ich weiter-
hin ein florierendes "Lädeli" und Freude an diesem.
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Vor 11 Jahren 1 Woche  · 
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