mobile Navigation

Reportage

Vor einem TV-Geschäft am Limmatquai verfolgen Passanten live die Mondlandung. Bild: Key

Zürich im Banne von Apollo 11

Von: Sacha Beuth

10. Juli 2019

MONDLANDUNG Am 21. Juli 1969 setzt mit Neil Armstrong erstmals ein Mensch seinen Fuss auf den Mond. Ein Ereignis, dass auch in Zürich mit Spannung erwartet und an den TV-Bildschirmen verfolgt worden war. Das «Tagblatt» ruft anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums mit Bildern und Berichten von Zeitzeugen die Apollo-11-Mission wieder in Erinnerung.

21. Juli 1969, 3.56 Uhr mitteleuropäischer Zeit: Zusammen mit rund 500 Millionen anderer TV-Zuschauern weltweit verfolgten auch die Zürcherinnen und Zürcher an den Bildschirmenhielt das grosse Ereignis: Als erster Mensch setzte der US-Amerikaner Neil Armstrong seinen Fuss auf den Mond. Viele Einwohner Zürichs hatten sich extra deswegen überhaupt einen Fernseher zugelegt. Andere stellten ihren Wecker, um das Ereignis ja nicht zu verpassen. Restaurants mit einem TV-Gerät blieben laut einem Bericht von swissinfo.ch die ganze Nacht offen, Kinder machten heimlich Freinacht und sogar die Soldaten in der Kaserne durften das Ereignis an der Flimmerkiste mitverfolgen. «Da meine Familie noch keinen Fernseher besass, erlebten wir die Mondlandung bei meinen Grosseltern zusammen mit weiteren Familienmitgliedern», erinnert sich Schauspieler Christoph Wettstein an das Ereignis. Der Höngger war damals acht Jahre alt und fasziniert von den Astronauten. «Nach Piraten, Musketieren und Indianern waren dies meine neuen Helden. Ich wollte unbedingt auch im Raum schweben und in Zeitlupe Riesensprünge vollführen können. Leider kam mir die Anziehungskraft der Erde in den Weg.»

Ebenfalls präsent sind Wettstein wie auch «Tagblatt»-Leserin Sylvia Gil (damals 22) die Livekommentare von Raumfahrtexperte Bruno Stanek, der damals die Mission fürs Schweizer Fernsehen erläuterte. «Stanek moderierte die Sendung mit einer Leidenschaft, das es mich heute noch am ganzen Körper kribbelt.wenn ich daran denke», erzählt Gil. Gekrippelt haben muss es auch die Mitglieder der Weltwoche-Reisegesellschaft, die extra von Zürich nach Florida flogen, um den Start der Apollomission live vor Ort miterleben zu können. Und auch nach der erfolgreichen Mondlandung riss in Zürich das Interesse am Ereignis nicht ab. Am 8. August brachte der «TagesAnzeiger» eine Sonderbeilage zur Mission mit dem Titel «Der Mensch auf dem Mond» heraus. Kurz darauf riss sich die Kundschaft in den Läden um die ersten Exemplare des Raketenglacé von Frisco.

Verrauschte Bilder und ein markanter Piepston

Rückblick mit Andreas Weil (75), damals Instruktor für Flugzeugelektronik, heute Demonstrator an der Urania-Sternwarte.

 

 

 

 



«Am Tag des Starts von Apollo 11 erlebte ich Zürich nicht viel anders als sonst auch. Klar verfolgten viele Leute zu Hause oder in einem Lokal die Live-Übertragung. Aber ein Grand-Slam-Final von Roger Federer weckt heute bei uns mehr Emotionen als damals die Mondlandung. Trotz des Vietnamkriegs haben aber wohl die meisten Zürcherinnen und Zürcher gehofft, dass die Amerikaner es schaffen und das Wettrennen zum Mond gegen die Russen gewinnen.

Am meisten gestaunt habe ich damals über die Technik. Eine Rakete zu konstruieren, die dann auch tatsächlich auf den Mond und wieder zurück fliegt, das war faszinierend. Vor allem wenn man bedenkt, dass damals der Bordcomputer der Apollo-Landefähre eine geringere Rechenleistung aufwies als die heutigen Handys.

Gut in Erinnerung sind mir noch die verrauschten Bilder der Übertragung, die Zeitverzögerung von Bild und Ton von mehr als einer Sekunde sowie der markanten Piepston, der nach jeder Durchsage des Funkverkehrs erklang. Und natürlich, wie Raumfahrtexperte Bruno Stanek am TV vieles auch für Laien verständlich erklärte und kommentierte.

Aus heutiger Sicht kann ich sagen: Ich bin froh, dass ich dieses Ereignis miterleben durfte. Es hat die Menschheit und deren Alltag geprägt. Noch heute profitieren wir – insbesondere in der Aviatik und in anderen Technologien – von Entwicklungen aus dieser Zeit.»

«An der Weltgeschichte mitgeschrieben»

Rückblick mit Kenneth Martin (71), damals Mitglied des Saturn-V-Test- und Startteams, heute Schnapsbrenner.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Als einem der wenigen Schweizer Medien gelang es dem «Tagblatt», mit Kenneth Martin aus Dawsonville, Georgia, eine Person zum Mondlandungs-Jubiläum zu befragen, die am Apollo-11-Programm mitgearbeitet hat.

«Nach College-Abschluss und meiner Dienstzeit beim Marine Corps wurde ich mit 21 Jahren als Instrumenten-Techniker von North American Rockwell eingestellt. Dort arbeitete ich im Kennedy Space Center im Team, dass für Test- und Start der Saturn-V-Raketen (siehe unten) zuständig war. Am Tag des Starts war unser Team in einem Gebäude etwa 5 Kilometer von der Launchzone entfernt und überwachte Temperaturen, Vibrationen und Druck des zweiten Antriebselements. Nachdem die Rakete planmässig abhob, herrschte überall auf dem Gelände grosser Jubel. Und als vier Tage später Armstrong die ersten Schritte auf dem Mond tat, waren alle ausser sich vor Freude. Wir hatten es geschafft und die Sowjets geschlagen. Ich bin froh und stolz, dass ich dabei eine kleine Rolle spielen und so an einem Stück Weltgeschichte mitschreiben durfte.»

Chronologie der Apollo-11-Mission

Mittwoch, 16. Juli 1969: Start zur Mission Apollo 11. Die Saturn-5-Rakete mit den Astronauten Neil Armstrong, Michael Collins und Buzz Aldrin hebt um 14.32 Uhr (MEZ) von Cape Canaveral in Florida ab. Um 17.16 Uhr geht die Rakete auf Mondkurs.

Donnerstag, 17. Juli 1969: Um 17.11 Uhr ist die Hälfte des 385 000 km langen Weges bereits zurückgelegt, als eine erste (kleine) Kurskorrektur vorgenommen wird.

Freitag, 18. Juli 1969: In einer TV-Übertragung ist zu sehen, wie sich Armstrong und Aldrin zu Testzwecken in die Landefähre begeben.

Samstag, 19. Juli 1969: Die Rakete gerät um 4.12 Uhr in die Anziehungskraft des Mondes und beginnt um 18.21 Uhr, den Mond in einer elliptischen Bahn zu umkreisen. 

Sonntag, 20. Juli 1969: Die Landefähre «Eagle» (Adler) trennt sich um 18.47 Uhr vom Kommandoteil «Columbia» und setzt um 21.18 Uhr auf dem Mond auf. Der Landepunkt befindet sich in einem ovalen Krater, rund 6,4 km südlich von der eigentlich vorgesehenen Landestelle im «Meer der Ruhe». Armstrong rapportiert: «Der Adler ist gelandet».

Montag, 21. Juli 1969: Um 3.56 Uhr und 20 Sekunden mitteleuropäischer Zeit betritt Neil Armstrong als erster Mensch den Mond und sagt dabei seinen inzwischen berühmt gewordenen Satz: «Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein grosser Schritt für die Menschheit». Anschliessend steigt auch Aldrin aus der Fähre und die beiden Astronauten beginnen mit den vorgesehen Arbeiten. Um 6.11 Uhr sind sie wieder an Bord der Fähre, um 18.45 Uhr erfolgt die Rückkehr zur «Columbia».

Dienstag, 22. Juli 1969: Armstrong und Aldrin steigen von der Fähre in die «Columbia» um. Danach wird die Fähre abgesprengt und die Rakete begibt sich um 5.56 Uhr auf direktem Kurs zur Erde. Um 18.39 Uhr tritt Apollo 11 in die Anziehungskraft der Erde ein.

Mittwoch, 23. Juli 1969: Collins spielt Musik aus dem Tonband ab, was im Kontrollzentrum in Houston Störgeräusche und einige Aufregung auslöst.

Donnerstag, 24. Juli 1969: Die Kapsel taucht um 17.51 Uhr 1530 km südwestlich von Hawaii in den Pazifik. Dort werden die Astronauten von US-Streitkräften herausgefischt und treffen rund eine Stunde später auf dem Flugzeugträger «Hornet» ein, wo sie in der Quarantänestation vom damaligen US-Präsidenten Richard Nixon beglückwünscht werden.

Sind Sie bei Facebook? Werden Sie Fan von tagblattzuerich.ch

zurück zu Reportage

Artikel bewerten

Gefällt mir ·  
Noch nicht bewertet.

Leserkommentare

Keine Kommentare