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Warum?

Lebten für 52 Stunden im Schaufenster: Die Familie Biundo aus Wetzikon. Bild: Keystone

Was machen eigentlich...

Von: Jan Strobel

25. November 2014

Die Biundos, die Schaufenster-Familie

Ende März 1998 startete in Zürich ein Experiment, das unschweizerischer nicht sein konnte: In einem Schaufenster des Jelmoli quartierte sich die Wetziker Familie Biundo ein - vor aller Augen sollte sie dort ihren Alltag während eines Monats leben, gefilmt von einer Videokamera, die alle zwei Minuten den neuesten Stand aus der «Wohnstube» senden sollte. Als Belohnung winkten den Biundos 10 000 Franken. Viele Passanten sahen sich plötzlich unfreiwillig in der Position des Voyeus wieder, die sie in eine moralische Zwickmühle manövrierte.

Ausgedacht hatte sich die Aktion Frank Baumann, der damals mit seiner TV-Sendung «Ventil» die Fernsehlandschaft durchschüttelte. «Hinter dem Experiment steckte keine kommerzielle Absicht. Es ging mir vielmehr um die Frage: Wie öffentlich soll das Private werden?», erinnert sich Baumann. «Die Reaktionen fielen unglaublich heftig aus. Lastwagen von CNN oder BBC fuhren vor, es kam zu einer gesellschaftlichen Debatte.» Viele warfen Baumann damals Menschenverachtung vor. Er habe, so der «Tages-Anzeiger», den «Bogen überspannt». Auch das italienische Konsulat schaltete sich ein. Italienische Staatsangehörige hätten die Aktion «als Schande für Italien empfunden, dass Kinder im Schaufenster ausgestellt werden.» Nun machte auch Jelmoli Druck. Nach 52 Stunden wurde das Experiment abgebrochen, die Familie Biundo kehrte nach Wetzikon zurück - und erhielt trotzdem die 10 000 Franken Belohnung.

Dass Baumann dennoch eine Entwicklung vorwegnahm, zeigte sich im September 2000, als auf TV 3 «Big Brother» auf Sendung ging - mit grossartigen Einschaltquoten. «Die Schweizer», meint Baumann lakonisch, «hatten damit die Frage beantwortet: Sie entschieden sich für Big Brother».

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