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Warum?

Was macht eigentlich...

Von: Jan Strobel

20. August 2013

Harald Naegeli, der "Sprayer von Zürich"

Als Harald Naegeli, Psychologe und Spray-Künstler, 1984 nach sechsmonatiger Haft die Strafanstalt Wauwilermoos verliess, schien er mit Zürich endgültig durch zu sein. Seine Heimatstadt, liess der Gekränkte verlauten, sei «spiessig»,«von nagendem Neid ergriffen». «Klumpfüssig» habe sie seine so leichtfüssigen Werke verschmäht und vernichtet. Von 1977 bis 1979 hatte Naegeli in nächtlichen Aktionen Zürcher Fassaden mit seinen gesprayten «Mannsgöggeli» illegal signiert, bis er in flagranti erwischt wurde.

In den Folgejahren entbrannte die kontroverseste Kunstdebatte, die Zürich bisher erlebt hatte. Der Grundtenor in den Amtsstuben und in den Medien war damals für einmal ziemlich übereinstimmend: Naegeli war der «Schmierfink» mit «verminderter Zurechnungsfähigkeit». Dabei hatte der Sprayer  mit seinen Männchen eine fast schon messianische Botschaft aussenden wollen, eine «Alarmbotschaft an die Menschheit gegen die Selbstzerstörung», wie er selbst es ausdrückte. Doch es half nichts: Wegen wiederholter und fortgesetzter Sachbeschädigung wurde er zu einer unbedingten Gefängnisstrafe verurteilt. Nach dem  Wauwilermoos-Trauma wandte sich Naegeli nun endgültig von der Schweiz ab und siedelte nach Düsseldorf über, wo er bis heute lebt und arbeitet.

Die deutsche Schöngeister- und Künstlerszene empfing den «Sprayer von Zürich» mit offenen Armen. Naegeli verkaufte seine Werke lukrativ auf Papier, entwarf auch Krawatten oder Bettwäsche. Je grösser Naegelis Ansehen wurde, umso versöhnlicher zeigte sich nun auch Zürich. 2004 liess die Baudirektion gar sein Wandbild «Undine» am Deutschen Seminar restaurieren und anerkannte Naegeli damit als ernstzunehmenden Künstler. 2010 stellte er schliesslich in einer Zürcher Galerie aus - für einen guten Zweck. Doch irgendwie scheint im Verhältnis Zürichs zu Naegeli der Wurm zu stecken: 2011 überpinselte ein städtischer Reinigungstrupp beim Treppenaufgang vom Limmatquai zum Grossmünster irrtümlich auch eine von Naegelis Strichfiguren. Eine Bürgerin hatte die Graffitti-Fachstelle zurecht darauf aufmerksam gemacht, dass sich just in diesem Aufgang ein gespraytes Hakenkreuz befinde.

Zuletzt trat der medienscheue 73-Jährige im April im Architekturmuseum in Basel auf, wo er einen Vortrag hielt.

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