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Kultur

Grossmaul und anfangs selber Rassist: Viggo Mortensen (l.) chauffiert als Tony Lip in «Green Book» einen schwarzen Pianisten (Mahershala Ali) in den 1960er-Jahren für eine Tournee durch den Süden der USA. Bilder: PD

«Auch ich wurde beschimpft»

Von: Sacha Beuth

29. Januar 2019

HOLLYWOODSTAR Viggo Mortensen überzeugt in «Green Book» als ungehobelter Chauffeur eines schwarzen Pianisten zur Zeit der Rassentrennung in den USA. Das Drama, das morgen in den Zürcher Kinos startet, hat den 61-jährigen Schauspieler zur Selbstreflexion gebracht – und auch physisch herausgefordert.

Im letzten September feierte «Green Book» am Zurich Film Festival Europapremiere. Hauptdarsteller Viggo Mortensen, der den Film vor Ort vorstellte, spielt darin den ungebildeten und ungehobelten, aber gewieften Türsteher Tony Lip im New York der 1960er-Jahre. Eines Tages wird der Club, in dem der Italo-Amerikaner arbeitet, wegen Renovation vorübergehend geschlossen. Auf der Suche nach einem neuen Job meldet sich Lip für eine zwei­monatige Anstellung als Chauffeur eines Pianisten. Nicht ahnend, dass der Pianist schwarz ist und die Tour in den rassistisch geprägten Süden der USA gehen soll. Dort darf der Auftraggeber nur in schäbigen Hotels übernachten, die in einem «grünen» Reiseführer verzeichnet sind. Das Drama startet morgen in den Zürcher Kinos.

Was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie das Skript zu «Green Book» lasen?

Viggo Mortensen: Es hat mich sofort gepackt. Die Story hat sowohl humorvolle wie berührende Elemente. Ausserdem handelt sie von einer wichtigen Periode in der Geschichte der USA und zeigt auf, welche Fortschritte wir im Bezug auf Gleichbehandlung der Rassen seither gemacht haben.

Damals, in den 1960er-Jahren, herrschte im Süden der USA noch die Rassentrennung. Leider sind Rassismus und Segregation trotz der Fortschritte auch im Amerika von heute noch häufig. Warum?

Es ist ein Irrtum zu glauben, dass automatisch Gleichbehandlung und Gerechtigkeit zwischen Schwarz und Weiss herrscht, sobald man die Gesetze ändert. Es ist in den Köpfen. Man kann das Problem nur lösen, indem man es ständig in Erinnerung ruft, von der Geschichte lernt und nicht auf Politiker hereinfällt, die bewusst Vorurteile schüren, nur um an die Macht zu gelangen oder diese zu erhalten. Stattdessen sollte man aufeinander zugehen. Das ist ein laufender, nie endender Prozess. Ähnlich wie das Spielen eines Musikinstruments.

Als Tony «Lip» Vallelonga spielen Sie einen proletenhaften Rausschmeisser mit rassistischer Einstellung. Hat der Film Ihnen – eventuell unbeabsichtigt – eigene vergangene rassistische Gedanken oder gar Aktionen bewusst gemacht?

Durchaus. Nicht unbedingt weil das Gegenüber einer anderen Rasse angehörte, aber auf eine andere Weise anders war als ich. Sich anders ausdrückte oder besonders langsam sprach und ich mich deswegen nervte. Und durch die Rolle habe ich gelernt: Glaub nicht, dass du ­jemanden gleich kennst und richtig einschätzen kannst, wenn du einmal kurz mit ihm gesprochen hast.

Wie ist es umgekehrt. Hatten Sie je Probleme wegen Ihres nordischen Äusseren? Wurden Sie etwa als Gringo beschimpft, als Sie in Ihrer Jugend in Argentinien und Venezuela lebten?

Ja, gelegentlich kam das vor. Aber es ist sicher nicht vergleichbar mit dem, dem viele Schwarze oder Latinos in den USA ausgesetzt sind. Ich habe damals zum Glück auch schnell Spanisch gelernt und mich kulturell integriert, da war meine Herkunft bald kein Thema mehr.

Wenn man Sie als Tony sieht und hört, würde man schwören, dass Sie im auch echten Leben auch ein Italo-Amerikaner seien. Wie haben Sie gelernt, wie diese zu sprechen und zu agieren?

Ich verbrachte für die Vorbereitung meiner Rolle viel Zeit mit dem echten Tony Vallelonga (der Film basiert auf einer wahren Begebenheit, die Red.) und seiner Familie. Wir haben uns unterhalten, zusammen gegessen und dabei habe ich versucht, möglichst viel abzuschauen und zu kopieren.

Ihr Körper in «Green Book» ist – drücken wir es höflich aus – deutlich voluminöser als in «Herr der Ringe». Machte es Spass, sich dafür Kilos anzufuttern?

Am Anfang ja, sogar grossen Spass. Doch schon das Halten des Gewichtes und Volumens während des Drehs war mühsam. Noch mühsamer war es, die vielen Kilos hinterher wieder loszuwerden. Das geht in meinem Alter nicht mehr so schnell wie mit 20 oder 30.

Zur Person

Viggo Mortensen kam am 20. Oktober 1958 in New York zur Welt und ist sowohl US-amerikanischer wie dänischer Staatsbürger. In seiner Jugend lebte er unter anderem in Argentinien, Venezuela, Dänemark, Schweden, Spanien und England. 1982 legte e mit seiner Ausbildung am Warren Robertsons Theater Workshop den Grundstein für seine Schauspielkarriere. Nach mehreren Film-Nebenrollen erlangte er in der Figur des Aragorn mit der «Herr der Ringe»-Trilogie weltweite Bekanntheit. Neben seinem Hauptberuf als Schauspieler ist Mortensen auch als Westernreiter, Fotograf, Maler und Musiker tätig.

 

Tickets zu gewinnen!

Gratis ins Kino, um sich «Green Book» (oder einen anderen Film) anzuschauen? – Das «Tagblatt» verlost 3x 2 Kinotickets. Senden Sie uns eine E-Mail mit Namen, Adresse, Telefon und Betreff Cinema an: gewinn@tagblattzuerich.ch

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