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Kultur

Harte Stoffe aus der Realität: Krimiautor Sunil Mann. Bild: Eke Miedaner

Ein Ermittlerduo auf den Spuren von Jihadisten

Von: Isabella Seemann

06. April 2021

Der preisgekrönte Krimiautor Sunil Mann (48) legt mit «Das Gebot» den neusten Fall des Ermittlerduos Marisa Greco und Bashir Berisha vor. Wieder ist es eine Geschichte mit beunruhigender Aktualität.

Die Pandemie plagt auch Detektiv-Frischlinge: Ihr Ermittlerduo Marisa Greco und Bashir Berisha leidet unter Auftragsflaute. Wie haben Sie das Corona-Jahr erlebt?
Sunil Mann: Glücklicherweise habe ich mich gleich zu Beginn, vor ziemlich genau einem Jahr, angesteckt. Glücklicherweise, weil man zu dem Zeitpunkt noch nicht so viel über Krankheitsverläufe und Nachwirkungen wusste und man sich entsprechend wenig Sorgen machte. Heute wäre das anders. Die ersten Pandemiemonate haben mich allerdings belastet, das Schreiben wollte mir unter den unsicheren Bedingungen nicht so recht gelingen, all meine geplanten Lesungen wurden abgesagt oder verschoben, die Agenda war plötzlich leer. Da kamen schon Zukunftsängste auf. Aber nach einiger Zeit hatte ich gelernt, das alles zu verdrängen, und habe mich auf meinen neuen Roman konzentriert. Diese Aufgabe hat mir geholfen, mit der Situation lockerer umzugehen.

Der zweite Fall Ihrer Greco-Berisha-Serie heisst «Das Gebot» und handelt von jungen Männern, die sich für den Jihad rekrutieren liessen. Gab es einen konkreten Anstoss für Sie, diese Thematik in den Fokus zu stellen?
In den letzten Jahren habe ich mich bei jedem Anschlag, der verübt wurde, gefragt: Wer tut so etwas? Was muss mit einem geschehen, damit man genauso mutwillig wie willkürlich Menschen tötet? Menschen, die man nicht kennt und die einem nichts getan haben. Diesen Fragen wollte ich auf den Grund gehen, wohlwissend, dass ich sie niemals vollumfänglich würde beantworten können.

Wie sind Sie bei Ihren Recherchen vorgegangen, um die komplexen Zusammenhänge zu verstehen und literarisch verarbeiten zu können?
Ich habe rund zwei Dutzend Bücher von Journalisten und Betroffenen gelesen, dazu kamen unzählige Presseartikel und Fernsehreportagen. Ich wollte mich in einen Jihadisten einfühlen, wollte so exakt wie möglich nachvollziehen können, wie so einer tickt. Es war mir aber schnell klar, dass ich mich auf ein oder zwei Schicksale konzentrieren musste, denn die Thematik ist enorm weitläufig.

Was kann der Krimi über die Wirklichkeit sagen, was ein Sachbuch nicht kann?

Nichts. Was aber der Krimi – und jeder andere Roman auch – kann, ist, der Geschichte eine emotionale Ebene zu verleihen. Nur so kommt die Leserin oder der Leser den Protagonisten wirklich nah und kann mitfühlen und vielleicht sogar verstehen, was diese antreibt. Dabei verwischen manchmal die Grenzen zwischen richtig und falsch, gut und schlecht. Das finde ich reizvoll, denn so muss man dauernd seine Perspektive überdenken.

Auch der erste Fall Ihres neuen Ermittler-Duos Greco und Berisha hat mit Menschenhandel eine politische Aktualität zum Thema. Schreiben Sie Krimis, um Gesellschaftskritik auszudrücken?
Das ist nicht die eigentliche Absicht. Ich greife aber für meine Romane gern aktuelle und kontroverse Themen wie eben Migration oder Jihadismus auf. Da hängt so viel dran, gerade gesellschaftlich und politisch, dass es automatisch auch zu einer Einschätzung der real existierenden Situation führt.

25 Jahre lang war der Kreis 4 Ihre Heimat, bevor Sie in den Aargau zogen, aber Ihre Krimis handeln noch immer in Zürich. Das ehrt uns Zürcher, aber warum die Limmatstadt als Schauplatz?
Weil Geschichten wie diejenige, die ich in «Der Schwur» erzähle, eine Grossstadt brauchen. Hier gibt es ein vielfältiges Rotlichtmilieu, Drogenhandel und alles, was damit zusammenhängt. Ausserdem habe ich in Zürich nicht nur den grössten Teil meines bisherigen Lebens verbracht, sondern auch denjenigen, in dem ich häufig – und zeitweise nächtelang – unterwegs war. Entsprechend kenne ich die Stadt wesentlich besser als Aarau.

Und nun planen Sie einen Terroranschlag während dem Sechseläutenfest. Fiktiv natürlich. Aber fragen Sie sich beim Schreiben, ob das Wirklichkeit werden könnte?
Laut Experten könnte die Schweiz durchaus auch Ziel eines Terroranschlags werden. Mit meinem Vorwissen aus der Recherche habe ich mich da natürlich gefragt, welcher Anlass sich besonders eignen würde. Ein Grossevent, das live vom Fernsehen übertragen wird, schien mir ideal, nicht nur wegen der zehntausenden von Zuschauern. Sondern weil so sofort Bilder in bester Qualität existieren. Denn ein Anschlag ist immer auch Botschaft. Das ist das Beunruhigende an dieser Art von Kriminalromanen: Sie sind so dicht an die Gegenwart gerückt, dass die Grenzen zwischen Fiktion und Realität durchlässig werden.

Wenn Sie auf Ihren Weg als Autor zurückblicken – auf die Anfänge, die Meilensteine, Durststrecken und Triumphe – welche Ihrer Eigenschaften würden Sie als Schlüssel zu Ihrem Erfolg betrachten?
Die Hartnäckigkeit, mit der ich mein Ziel, Autor zu werden, schon in jungen Jahren verfolgt habe. Aber auch die Fähigkeit, mich nach einer Niederlage rasch wieder aufzurappeln und mit einem Schulterzucken neuen Anlauf zu nehmen. Und wohl am wichtigsten:  die ungebrochene Freude am Schreiben, die Lust, immer wieder Neues auszuprobieren.


Weitere Informationen:
Sunil Mann: «Das Gebot»
Grafit Verlag, 2021
ISBN: 978-3-89425-774-3

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