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Kultur

Festivalleiter Philipp Schnyder im Schiffbau, wo das m4music in «normalen Zeiten» über die Bühne geht. (Bild: PD)

«Kultur funktioniert anders»

Von: Christian Saggese

16. März 2021

Zum zweiten Mal in Folge kann das m4music nur in virtueller Form stattfinden, und zwar vom 24. bis 26. März. Festivalleiter Philipp Schnyder blickt auf die aktuelle Ausgabe und nach vorne. 

Das «m4music» war das erste grössere Zürcher Konzertfestival, das 2020 wegen der Pandemie abgesagt werden musste. Auch die 24. Auflage vom Mittwoch, 24., bis Freitag, 26. März, kann nur in virtueller Form stattfinden. Im Vergleich zum letztjährigen Event, der innert kürzester Zeit aus dem Boden gestampft wurde, konnte nun einiges verbessert werden, sagt Festivalleiter Philipp Schnyder.

Wenn Sie an Live-Konzerte zurückdenken: Was vermissen Sie am meisten?

Philipp Schnyder, Festivalleiter: die Emotionen, die Stimmung, den Austausch zwischen Band und Publikum und das gemeinsame Erlebnis mit meinen Freundinnen und Freunden. Und natürlich gute Live-Musik!

Das m4music war 2020 das erste grosse Musikfestival, das wegen der Pandemie kurzfristig abgesagt werden musste. Innert zwei Wochen stellten Sie aber ein Streaming-Festival auf die Beine. Doch aufgrund der sehr starken Einschränkungen liessen sich danach nur vereinzelte Punkte davon umsetzen. Wie denken Sie heute an diese vermutlich schlaflosen Nächte zurück?

Ich habe recht gut geschlafen, aber die Zeit war sehr intensiv: Wir mussten – noch bevor der Bundesratsentscheid tatsächlich gekommen ist – das «richtige» Festival absagen. Das war ein schwieriger und im Nachhinein richtiger Entscheid. Dann sofort ein neues, digitales Konzept erstellen: Wir wollten uns nicht unterkriegen lassen!

Nun findet das m4music bereits zum zweiten Mal virtuell statt. Was haben Sie im Vergleich zur ersten Auflage an der Umsetzung geändert und verbessert?

Dieses Jahr können wir mit einem grösseren, vielfältigen digitalen Programm aufwarten. Für das «Publikum» bieten wir einen unkomplizierten Stream an, während wir für die professionellen Musikschaffenden eine Event-Plattform bereitstellen, auf welcher diese mitdiskutieren und Networking betreiben können. Wir haben hier schon Hunderte von Anmeldungen erhalten.

Wie konkret wird es mit den Konzerten ablaufen?

Wir haben in den letzten Monaten gesehen, dass Konzert-Streams oft nicht recht funktionieren: Der Band fehlt das Publikum, das Publikum guckt auf einen Bildschirm … Das ist nicht wirklich ein «Live-Konzert», die Leute klinken aus. Wir haben deshalb mit acht ausgewählten Bands je drei Songs vorproduziert und werden diese in eine «Talk-Sendung» einbetten. Wir reden über Musik, schauen zusammen die Songs an – ein abwechslungsreicher Mix!

Worauf haben Sie beim Line-up besonders geachtet?

Eigenständige Musik von Bands, bei denen wir ein Entwicklungspotential sehen, die am Anfang ihrer Karriere stehen – und die wir selbst gerne sehen möchten! Zudem wollen wir immer auch Künstlerinnen und Künstler programmieren, die wir beim eigenen Nachwuchs-Wettbewerb Demotape Clinic entdeckt haben, wie La Colère und Giulia Dabalà.

Eine Conférence dreht sich rund um die Zukunft des Musikhörens, Stichwörter Playlists und Streaming. Welche Chancen und welche Befürchtungen sehen Sie in diesen digitalen Kanälen? Und welchen Einfluss dürften diese künftig für Festivals haben?

Die digitalen Kanäle verschaffen den Bands, aber auch den Veranstaltenden immer genaueres Wissen über das Publikum: Welche Band wird in einer Region von welchen Leuten gehört? Dadurch wird die Planung beeinflusst. Gleichzeitig bekommen diese digitalen Kanäle damit auch einen grossen Einfluss und können stark bestimmen, was dem Publikum überhaupt zugespielt und damit gehört wird… künftig eben nicht nur via Smartphone-Kopfhörer, sondern eben auch bei Konzerten und Festivals.

Eine zweite Conférence hat zum Thema: «Nachtleben in Zeiten der Pandemie – was hat das mit uns gemacht?» Welche Erkenntnisse ziehen Sie persönlich aus dieser Zeit?

Die Musikschaffenden – eine ganze Branche von Bands über Clubs bis zu Festivals – leidet furchtbar. Ich bewundere, wie stark die meisten Betroffenen mit dieser Situation umgehen. Daraus schöpfe ich Hoffnung: Die Musik und die Kultur als Ganzes lassen sich selbst durch diese Krise nicht unterkriegen. Trotzdem: Nebst individuellen Verlusten können auch strukturelle Schäden bleiben, wie etwa kleine Veranstaltende, die es künftig neben der internationalen Konkurrenz noch schwerer haben werden.

Wie sieht es finanziell für das Festival aus? Kann das m4music 2022, sofern die Pandemie dann beendet ist, wieder im normalen Rhythmus und Umfang stattfinden?

Ja. m4music wird vom Migros-Kulturprozent getragen. Wir haben bereits die erste Band für 2022 gebucht!

Welche Wünsche und Forderungen haben Sie an die Politik und an die Behörden?

Kultur funktioniert anders als andere Wirtschaftszweige. Deshalb muss genau hingehört werden. Und die Kultur ist wertvoll: um ihrer selbst willen, aber auch aus wirtschaftlicher Sicht und als Arbeitsfeld für zahlreiche Kreative. Gerade hier sehe ich auch Zukunftspotential: Viele unserer Kinder werden künftig Arbeit in kreativen Berufen suchen – und hoffentlich auch finden! Hier sollten Bildung, Kultur- und Wirtschaftsförderung enger zusammenarbeiten.

Das m4music gilt als Entdeckerfestival. Was sollte von unserer Leserschaft am Festival unbedingt entdeckt werden?

Das Programm ist vielfältig: Vom Rückblick, was die Kulturschaffenden in den letzten Monaten in der Not erfunden haben («Home Alone, Together») zu den Jury-Sessions des Nachwuchswettbewerbs «Demotape Clinic» bis zum abendlichen Musik-Talk: Einfach mal reinschauen!


Weitere Informationen:
m4music-Festival, 24. bis 26. März, nur im Streaming, detailliertes Programm:
www.m4music.ch

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