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Kultur

Delia Mayer (rechts neben der Braut in der gold bestickten Bluse) spielt in der Netflix-Serie «Unorthodox» Miriam Shapiro, die alles daransetzt, dass die Gemeinschaft funktioniert. Bild: Anika Molnar / Netflix

Unorthodoxes Multitalent

Von: Isabella Seemann

24. März 2020

Auf Jiddisch und Englisch: Die Zürcher Musikerin, Schauspielerin und ehemalige «Tatort»-Kommissarin Delia Mayer glänzt in ihrer neuen Rolle als chassidische Schwiegermutter. Am 26. März feiert die vierteilige Netflix-Miniserie «Unorthodox», basierend auf dem gleichnamigen Bestseller, Weltpremiere.

Williamsburg, Brooklyn, kennen Touristen zumeist als Reservat der Hipster, quasi als Kreis 4 von New York. Doch geht es dort in einem verschlossenen Kreis mitunter wenig zeitgenössisch zu und her. Über dieses Leben in der chassidischen Satmar-Gemeinde, einer ultraorthodoxen jüdischen Sekte, und ihren Sprung in die Freiheit schrieb die amerikanische Autorin Deborah Feldman das autobiografische Buch «Unorthodox» – und stürmte damit auf Anhieb die Bestsellerlisten.

Die gleichnamige, auf dem Welterfolg basierende Miniserie feiert morgen Donnerstag auf dem Streamingdienst Netflix Premiere. In den vier Teilen von «Unorthodox» wird die junge Jüdin Esty portraitiert, die unter Ultrafrommen aufwächst, sich striktesten Lebensregeln unterwerfen muss und sich mit 17 Jahren in einer arrangierten Ehe wiederfindet. Eines Tages befreit sie sich aus den Fesseln der extremen Religiosität und reist nach Berlin, um sich selbst zu finden. Während sie dort eine ganz neue Welt entdeckt, beginnt die Vergangenheit, sie einzuholen.

In dieser äusserst einfühlsam erzählten Geschichte, die hinter die Fassade der chassidischen Gemeinschaft blickt, glänzt die Zürcher Schauspielerin und ehemalige «Tatort»-Kommissarin Delia Mayer in der Rolle als jüdisch-orthodoxe Schwiegermutter. Mit Kopftuch, langem Rock und flachen Schuhen.

Jiddisch pauken
Obgleich sie, um den Familien- und Gemeindeverbund zu erhalten, das Leben der Schwiegertochter Esty nicht gerade leicht macht, ist ihre Figur Miriam Shapiro eine starke Frau: Nicht vom Typ Esty, die sich emanzipiert und für sich selbst etwas erkämpft, sondern weil sie schaut, dass der Alltag, die Gemeinde und die Gemeinschaft der Frauen funktioniert. Und das spielt Delia Mayer sehr überzeugend.
Neben vielen andern Kriterien, war für ihre Rollensetzung die Fähigkeit, im Film akzentfrei und glaubhaft Jiddisch und Englisch zu sprechen zentral. «Nachdem die Besetzung feststand, wurde für den ganzen Cast ein Jiddisch-Coach engagiert, der uns darauf vorbereitete, das spezifische Jiddisch der Brooklyner Satmarer Gemeinschaft zu beherrschen», erzählt Delia Mayer. «Alle mussten pauken, ob aus New York, Paris, London oder Tel Aviv.»

Die genaue Intonation des Satmar-Jiddischen zu verinnerlichen, war denn auch die grösste Herausforderung für ihre Rolle. «Jiddisch wäre das Eine, aber die Mischform mit den amerikanisch-ungarischen Einflüssen war besonders. Aus der Sprache ergab sich der ganze Duktus, die Körpersprache, die Gestik.»

Vom Projekt unter der Regie von Maria Schrader war Delia Mayer sofort eingenommen. Wegen der Internationalität, aber auch wegen der Aktualität des Themas und der Komplexität der zwischenmenschlichen Fragestellungen. «Eine Serie aufgrund dieses autobiografischen Bestsellers zu entwickeln, fand ich mutig und wirklich spannend, und sie bot eine vielschichtige Grundlage, um in der Darstellung aus dem Vollen zu schöpfen. Regie, Cast, Drehbuch, ein grossartiges Zusammenspiel und in allen Frontpositionen Frauen», sagt sie.

Tragisch bis heiter
Delia Mayer, die sich auch im Theater und Musiktheater sowie mit Singer-Songwriter-Programmen profilierte, bereitete sich auf ihre Rolle in «Unorthodox» intensiv vor, indem sie die Lektüre von Deborah Feldmans Roman «mit Leuchtmarker versudelte», alles was zwischen den Zeilen stand aufsog, Gespräche führte, Filme im chassidischen Umfeld anschaute und natürlich die Figur der Miriam mit ihren Anliegen, Geheimnissen, Widerständen in ihrem Lebensentwurf ergründete. Denn diese funktioniere diametral anders und sei in einem komplett anderen Umfeld sozialisiert, als es die Zürcherin, der von mutterseits die jüdische Kultur vertraut ist, aus ihrem Leben kenne. «Die Figur will in ihrer Familien- und Lebensgemeinschaft aufgehoben sein und setzt sich äusserst engagiert für ihre Werte ein. Das ist mir natürlich nicht fremd. Ich musste mich mit der Kraft verbinden, die aus einem auch pragmatischen Überlebenstrieb entwächst, wenn die Lebensgrundlage existentiell in Frage gestellt wird und damit vielleicht auseinanderzubrechen droht», leuchtet Delia Mayer ihre Rolle aus und ergänzt, «sehr aktuell zum jetzigen Zeitpunkt, nicht?».

Obgleich die Serie in einem Milieu spielt, das vielen Zuschauern fremd ist, findet jeder Anknüpfungspunkte in den tragischen, tragikomischen und heiteren Momenten. «Weil die Geschichte in erster Linie die Geschichte eines jungen Menschen ist, der versucht, sich von Erwartungen, Traditionen, Rollenbildern zu lösen, um sich selber und seinen Weg zu finden. Dieser Prozess löst in alle Richtungen unabhängig von Geschlecht und Alter Turbulenzen aus», ist Delia Mayer überzeugt. «Ein solches Thema ist universell, egal, von welchem kulturellen Hintergrund oder Religion die Rede ist.»

Weitere Informationen:

Die vierteilige Miniserie «Unorthodox» startet ab 26. März auf Netflix.
www.netflix.com

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