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Kultur

Emil Steinberger mit Ehefrau Niccel, sie lernten sich in New York kennen. (Bild: Ursula Hersperger)

Zurück zu den Wurzeln

Von: Reinhold Hönle

18. Februar 2020

Emil Steinberger kehrt mit seinem Programm «Alles Emil, oder?!» ins Zürcher Bernhard Theater zurück, wo ihm vor 50 Jahren der grosse Durchbruch gelang. Der Luzerner sprüht auch mit 87 Jahren noch vor Energie und Lebensfreude. Mit Ehefrau Niccel lebt der Künstler momentan in seiner Wahlheimat Basel.

Was bedeutet es Ihnen, im März und April 23 Mal im ausverkauften Bernhard Theater aufzutreten?

Emil Steinberger: Das Bernhard Theater war für meine überregionale Karriere sehr wichtig. Vorher war ich nur in Luzern erfolgreich, als Lokalmatador. Bis mal einer kam und sagte (er imitiert die Stimme und den Basler Dialekt des damaligen Bernhard-Theater-Direktors Eynar Grabowsky): «Herr Steinberger, möchten Sie nicht mal nach Zürich kommen, um bei uns zu spielen?». Ich antwortete: «Oh je, nur das nicht! Die Zürcher sind so verwöhnt. Die haben Cés Keiser, Voli Geiler, Walter Morath, die ganzen Musicals. Alles ist so perfekt und mit massgeschneiderten Kleidern. Wenn ich da mit meinem Tschäpper und in meinem Überschurz komme, lachen die mich ja aus!» (Lacht)

Wie hat Grabowsky Sie überzeugt?

Emil Steinberger: Er lobte, was ich mache, und offerierte mir fünf Abende und pro Auftritt eine Gage von 900 Franken. Ich sagte zu, wollte aber keine feste Gage, damit das Bernhard Theater keinen Schaden hätte, falls die Leute nicht gekommen wären. Grabowsky war gerne bereit, das Risiko zu teilen, und so haben wir 60:40 Prozent gemacht. Zum Glück, denn ich habe dann drei Monate en suite dort gespielt.

Wie hat das Ihr Leben verändert?

Emil Steinberger: Der Erfolg hat wie eine Bombe eingeschlagen. Ich trat danach in der ganzen Schweiz auf und die Vorstellungen waren überall sofort ausverkauft. Das Problem war, dass ich tagsüber in Luzern auch noch zwei Kinos und das Kleintheater führen musste, was für sich allein schon eine Riesenkiste war.

Wie haben Sie das alles gestemmt?

Emil Steinberger: Als ich darauf zwei Monate im «Fauteuil» auftrat, habe ich jeweils in Luzern um 17 Uhr mein Büro verlassen und fuhr nach Basel. 60-mal hin und her – noch ohne Autobahn! Ich habe das fast nicht mehr ertragen und alle Umwege genommen, nur damit ich nachts nicht immer die gleiche «Saustrecke» fahren musste. Ich frage mich heute noch: «Gopferchlemmi, wie hast du das gemacht?» Nachts um zwei Uhr habe ich manchmal noch den Briefkasten geleert, weil Abrechnungen der Kinos drin lagen, die ich am anderen Morgen benötigte, um z’luege luege, ob’s rentiert, den Film weiterzuspielen.

Mussten Sie die übrigen Betriebe mit dem Kabarett manchmal querfinanzieren?

Emil Steinberger: Mit dem kleinen Atelier Kino, das ich bauen liess, habe ich Geld verloren. Wenn dort oder im Kleintheater die Einnahmen nicht reichten, um die Rechnungen zu bezahlen, habe ich wieder eine Woche Kabarett gespielt und war traurig, dass die Stadt damals das Theater nie subventionieren wollte. Die wollte sogar, dass ich jedes verkaufte Billett als mein privates Einkommen versteuere. Das ist doch absoluter Irrsinn!

Haben Sie gar keinen Gewinn gemacht?

Emil Steinberger: Ich habe während zehn Jahren nicht einen Franken aus dem Kleintheater rausgekriegt, habe nur reingesteckt. Zum Glück hatte ich meine eigene Zeitung, die «Szene», in der ich Dampf ablassen konnte.

Wie haben Sie Ihre Auftritte im Bernhard Theater vor 50 Jahren in Erinnerung?

Emil Steinberger: Das Theater war alt, uralt, aber das hat mich nicht gestört. Hart war nur, wenn ich auch am Sonntagnachmittag spielte und vorher die Leute sah, wie sie bei schönstem Wetter am See spazierten, während ich in die düstere Garderobe steigen musste. Speziell war auch, dass ich in Zürich erstmals improvisiert habe. Die Leute konnten mir bei der Zugabe zurufen, wen ich imitieren sollte. Bei der Premiere habe ich einen Tankwart ohne Benzin gemacht. Die «NZZ» hat in ihrer Kritik geschrieben, das sei zwar sehr gut, aber wahrscheinlich vorbereitet gewesen. Ich wollte darauf auf die Impro verzichten. Dann hat mich beim Gang von der Bühne mein Techniker harsch gefragt: «Kommt jetzt nicht die Improvisation?!» Dann habe ich halt wieder eine gemacht und das Publikum fand sie so toll. Danach gab es im «Träumt»-Programm immer eine Impro.

Stark verändert hat Ihr Leben nicht nur der Auftritt im Bernhard Theater, sondern auch die Begegnung mit Niccel in New York. Wessen Leben hat diese mehr umgekrempelt?

Niccel Steinberger: Wir hatten beide andere Pläne. Emil wollte ja eigentlich keine Beziehung mehr eingehen ...

Emil Steinberger: Erstmal das. Ich wollte auch nicht mehr auf die Bühne.

Niccel Steinberger: Und nicht unbedingt zurück in die Schweiz.

Emil Steinberger: Drei wichtige Punkte!

Niccel Steinberger: Ich hatte in Deutschland angefangen, Lach-Seminare zu geben und nicht vor, ins Ausland zu gehen und eine Beziehung anzufangen. Trotz dieser Gedanken ist komischerweise alles fliessend und problemlos geschehen.

Emil Steinberger: Der Auslöser für die Rückkehr war, dass die Wohnung, in der wir unser Büro hatten, verkauft werden sollte und wir uns etwas Neues suchen mussten. Da das in New York sehr schwierig ist, kamen wir plötzlich auf andere Ideen.

Niccel Steinberger: Dich störte auch, dass Du in New York plötzlich nur noch für Schweizer und deutsche Medien gearbeitet hast und wir nicht mal mehr Zeit hatten, ins MoMA (Museum of Modern Art) zu gehen. Und ich musste ja alle drei Monate heimfliegen, da ich nur ein Touristenvisum hatte. Einmal wollten mich die Amerikaner am Zoll nicht wieder reinlassen. Können Sie sich vorstellen, wie das war? Ich wurde total auseinandergenommen. Emil sass im Nebenraum und wartete auf mich. Irgendwann wollten die Beamten wissen, ob ich allein gereist sei. Ich sagte, mein Freund warte auf mich. Sie schauten durch den Türspalt und fragten: «This is your friend?! How old is he?» Um Mitternacht liessen sie mich dann doch einreisen, weil sie Feierabend machen wollten.

War es Niccels Verdienst, dass Sie erkannt haben, dass Sie wieder auf die Bühne müssen, um wieder ganz glücklich zu sein?

Emil Steinberger: Ich war auch ohne Bühne glücklich. Die Live-Auftritte haben sich durch das Buch «Wahre Lügengeschichten» ergeben, das wir 1999 zusammen geschrieben haben.

Niccel Steinberger: Nicht zusammen. Du hast es geschrieben. Ich habe es nur korrigiert und dann kam plötzlich eine Lesung in einer Buchhandlung in Oerlikon.

Emil Steinberger: Die ist so gut angekommen, dass danach eine Buchhandlung nach der anderen anfragte. Als sich in Köln 600 Leute in eine Buchhandlung zwängten, sagte ich mir: Da gehe ich lieber wieder ins Theater, wo die Leute konzentrierter sind und ich mehr als 1000 D-Mark Gage bekomme.

Wenn man mit 87 so oft auftritt wie Sie, dürfte das Geld als Motivation aber nur nebensächlich sein. Was ist es dann?

Emil Steinberger: Die Leute haben wahnsinnig Freude. Gestern hat mich im Restaurant jemand angesprochen, er habe das Programm schon zweimal gesehen und könne nicht anders, als mir zu gratulieren. Ich würde noch auf eine so schöne Art Kabarett machen – und das tut mir natürlich auch gut.

Ihre Mimik und Gestik wirkt präziser und prägnanter denn je. Bedauern Sie, dass Sie dieses Talent nicht öfter als Schauspieler gezeigt haben?

Emil Steinberger: Nein. Ich habe Schwächen, zum Beispiel einen Text präzise wiederzugeben. Und ich habe gemerkt, dass ich weder Regieanweisungen brauche, noch sie vertrage. Ich konzentriere mich beim Spielen auf nichts Anderes als die Figur, die ich gerade darstelle. Ich empfinde es als Geschenk, dass ich nie vor einen Spiegel stehen muss, um mich zu kontrollieren.

Dann wäre Theatersport etwas für Sie ...

Emil Steinberger: Ich würde sagen, ich war der erste Kabarettist, der improvisiert hat. Und ich habe damals auch das Fach «Improvisation» an der Schauspielakademie in Zürich unterrichtet.

Haben sich die Kleinbürger eigentlich auf den Schlips getreten gefühlt, als sie von Ihnen parodiert wurden?

Emil Steinberger: Schon, aber sie spürten, dass ich nicht nur austeile und mich lustig mache, sondern meine Figuren auch irgendwie gernhabe, obwohl ich denke, dass sie nicht so dumm «schnörre» sollten. Vielleicht hat mich das der Pfarrer gelehrt, der mein komisches Talent entdeckt und mich der Theatergruppe St. Paul empfohlen hat. Er hat uns auch jeden Monat einen Film mit Buster Keaton oder Charlie Chaplin gezeigt und damit eine Basis gelegt, von der ich bis heute zehren kann.

Viele Ihrer bekanntesten Nummern brachten Sie schon in Ihrem letzten Programm. Hatten Sie deshalb bei der von «Alles Emil, oder?!» mehr Freiheiten?

Emil Steinberger: Die neuen Sachen passieren meistens zwischen den alten Nummern, doch viele Leute können sie kaum unterscheiden, obwohl sie meinen, sie würden jeden Sketch von mir auswendig kennen. Das zeigt die gewisse Zeitlosigkeit der Themen.

Als Sie auf dem Höhepunkt Ihrer Popularität mit dem Circus Knie in Zürich gastierten, führten die Warteschlangen vor den Kassen rund um den Sechseläutenplatz herum. Welche Resonanz erwarten Sie diesmal?

Emil Steinberger: Bevor im November der Vorverkauf anfing, hatte ich schon Herzklopfen. Nun sind jedoch seit ein paar Wochen alle Vorstellungen ausverkauft. Das beruhigt mich. Ich hatte allerdings fast einen Schock erlitten, als ich vernahm, dass das Bernhard Theater ganz Zürich mit riesigen Porträts von mir vollplakatiert hatte.

Haben Sie schon Pläne, was Sie an Ihren freien Tagen in Zürich unternehmen wollen?

Niccel Steinberger: Freie Tage? Wir arbeiten doch immer! (Lacht)


Weitere Informationen:
Emil Steinberger tritt mit seiner Show
«Alles Emil, oder?!» vom 17. März bis 9. April
im Bernhard Theater Zürich auf; alle
Vorstellungen sind bereits ausverkauft.

www.bernhard-theater.ch
www.emil.ch


TICKETS ZU GEWINNEN

Das «Tagblatt» verlost je 1 x 2 Tickets (Sitzplätze mit guter Bühnensicht) für die ausverkauften Vorstellungen von Emil Steinberger am 25. und 26. März! Senden sie uns eine Mail mit Ihrer Adresse, Telefonnummer und dem Betreff Emil an gewinn@tagblattzuerich.ch

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Leserkommentare

Henry Wittwer - Bravo Emil, war einfach Klasse.

Vor 4 Jahren 1 Monat  · 
Noch nicht bewertet.

Renate Foerster - Sehr erfrischender und guter Artikel

Vor 3 Jahren 10 Monaten  · 
Noch nicht bewertet.