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Gut zu wissen

Unnachahmliche Eleganz: Der «Kaiser» im GC-Dress am Hallenfussballturnier in Zürich 1983. Bild: Key

Als der Fussball-Kaiser in Zürich Hof hielt

Von: Sacha Beuth

16. Januar 2024

GUT ZU WISSEN Vorletzte Woche verstarb mit Franz Beckenbauer (78 †) die «Lichtgestalt des Deutschen Fussballs». In seiner beispiellosen Karriere hatte er mit dem FC Bayern München und dem DFB-Team alles gewonnen, was es zu gewinnen gab – und auch in Zürich seine Spuren im Fussball und abseits davon hinterlassen.

Der deutsche Fussball hatte Fritz Walter, der als Captain der Weltmeisterelf von 1954 der Nation ein «Wir sind wieder wer»-Gefühl verschaffte. Er hatte «Uns Uwe» Seeler, den allseits beliebten Torjäger. Doch keiner hat im Grossen Kanton jene Sphären erreicht, in die der kürzlich verstorbene Franz Beckenbauer (78 †) vorgedrungen war. Während seiner aktiven Karriere gewann er mit seinem Stammklub FC Bayern München dreimal den Cup der Landesmeister (Vorläufer der Champions League), einmal den Cup der Cupsieger, einmal den Weltpokal, viermal die Deutsche Meisterschaft und viermal den nationalen Pokal. Mit dem HSV wurde er 1982 ebenfalls Deutscher Meister und zuvor hatte er dreimal mit New York Cosmos die North American Soccer League gewonnen.

WM-Coach ohne Diplom

Seine grössten Erfolge dürften jedoch jene mit der Deutschen Nationalmannschaft gewesen sein. 1972 wurde er mit ihr Europameister und 1974 als deren Captain Weltmeister. Ein Kunststück, das er 1990 in der eigens geschaffenen Position als «Teamchef» (das nötige Trainerdiplom fehlte Beckenbauer) wiederholte. Der gebürtige Münchner war damit nach dem Brasilianer Mario Zagallo erst der zweite Fussballer, der sowohl als Spieler wie als Coach den WM-­Titel gewinnen konnte. Quasi als Sahnehäubchen gelang es ihm dann noch, die Austragung der WM-Endrunde von 2006 nach Deutschland zu holen, womit er endgültig zur «Lichtgestalt» erklärt beziehungsweise verklärt wurde. Ein Nimbus, der jedoch später durch Berichte zu ungewöhnlichen Zahlungen rund um die Vergabe und Beckenbauers Verwicklungen darin grosse Risse bekam.

Die genannten Fakten dürften vielen Fussballfans bekannt sein. Weniger jedoch, dass Franz Beckenbauers Weg ihn in verschiedenen Funktionen immer wieder nach Zürich führte. So war er 1974 als Gast in den Nachtklub «Hazyland» im Kongresshaus geladen, wo der Schweizer Formel-1-Fahrer Clay Regazzoni zusammen mit anderen Prominenten – darunter die Sängerin Dalida und Bandleader und Klubbesitzer Hazy Osterwald, eine Auszeichnung feierte.

Am meisten Aufsehen erregte jedoch Beckenbauers Engagement im Dress des Grasshopper-Clubs. Dem war es 1983 gelungen, den Weltstar für das 2. Internationale Hallenturnier im Hallenstadion zu verpflichten. Die Nachricht, dass der «Kaiser» – über die Herkunft des Spitznamens ranken sich mehrere Legenden – in Zürich Hof halte, wirkte wie ein Magnet. Das Turnier war schnell ausverkauft und brachte GC Zusatzeinnahmen von rund 250 000 Franken ein. Und auch die Zuschauer kamen auf ihre Kosten. Wie zu seinen besten Zeiten orchestrierte Beckenbauer den Spielaufbau der Grasshoppers und begeisterte mit seinen «gestreichelten» und präzisen Pässen das Publikum. Dass GC sich im Final Dinamo Zagreb geschlagen geben musste, war da nur ein Schönheitsfehler. Selbst heute noch schwärmen damalige Teamkollegen wie Roger Wehrli und Raimondo Ponte von Beckenbauers fussballerischem Können, aber auch von seiner Bodenständigkeit ohne Starallüren.

Einen weiteren grossen Auftritt in Zürich hatte Beckenbauer im Frühling 2000, als er als Präsident des FC Bayern und Gast der Fifa dem internationalen Juniorenturnier des Weltfussballverbandes und dem FC Blue Stars beiwohnte. Dabei schrieb er nicht nur geduldig Autogramme, sondern nahm sich unter anderem auch für das «Tagblatt» (damals noch «Zürich Express») Zeit für ein Interview.

2004 hatte Beckenbauer gleich mehrfach in der Limmatstadt zu tun. Im April nimmt er an seinem ersten Sechseläutenumzug als Gast der Zunft Hard teil und lässt sich darauf auch für 2005 und 2007 einladen. Im September wird er auf dem Sonnenberg mit dem Jahrhundert-Verdienstorden der Fifa ausgezeichnet. Und im Dezember steht er anlässlich der Jubiläumsfeier des Weltfussballverbandes bei der Einweihung der Fifa-Jahrhundertskulptur von Stephan Schmidlin vor dem Opernhaus Pate.

Bereits 1999 war Beckenbauer in den Dienst der Fifa getreten, wo er bis 2016 diverse Funktionen ausfüllte. So etwa von 2007 bis 2011 als Mitglied des Fifa-Exekutivkomitees und von 2011 bis 2012 als Vorsitzender der Fifa Task Force Football 2014. Aufgaben, die ihn ebenfalls das eine oder andere Mal in die Stadt Zürich brachten.

In den letzten Monaten hatte Beckenbauer vermehrt mit gesundheitlichen Problemen – unter anderem Parkinson-Erkrankung – zu kämpfen und sich von der Öffentlichkeit zurückgezogen. Am 7. Januar 2024 ist er in Salzburg im Kreis seiner Familie für immer eingeschlafen.

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