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Interview

Zürcher Theaterleute im Liebeshoch: Hanna Scheuring und Daniel Rohr. Bilder: T+T Fotografie, Toni Suter und Tanja Dorendorf

Privat und beruflich ein Paar auf Augenhöhe

Von: Ginger Hebel

12. September 2023

Seit bald zwölf Jahren gehen die Schauspieler und Regisseure Hanna Scheuring (58) und Daniel Rohr (63) gemeinsam durchs Leben. Sie leitet erfolgreich das Bernhard-Theater, er das Theater Rigiblick in der Stadt. Sie teilen die Leidenschaft für die Bühne. Vor Kurzem haben sie geheiratet und ihre Liebe gefeiert.

Viele Paare finden Heiraten nicht mehr zeitgemäss, andere erfüllen sich mit der Hochzeit einen Kindheitstraum. Warum haben Sie sich zum zweiten Mal getraut?

Hanna Scheuring: Ich fühle mich in der Beziehung mit Dani angekommen und wollte, dass er mein Mann ist. Einen Menschen im Leben zu finden, mit dem man so gut zusammenpasst, wo so vieles stimmt, das ist ein Wunder. Ich hatte das Bedürfnis, es zu zelebrieren und mit der Familie und Freunden zu teilen.

Daniel Rohr: Ich wollte nicht nur ein grosses Hochzeitsfest mit unseren Lieben feiern. Es war mir ein Anliegen, in die Kirche zu gehen. Es hat für mich eine andere Tiefe.

Sie haben in Bubikon ZH geheiratet und im Park des Theaters Rigiblick mit 250 Gästen gefeiert. War es der schönste Tag in Ihrem Leben?

Scheuring: Ich hätte mir diesen Tag nicht schöner ausmalen können. Viele Verwandte und Freunde haben uns überrascht, für uns gesungen, gespielt. Wir haben wunderbar gegessen, gelacht, getanzt, bis wir nicht mehr konnten.

Rohr: Wir durften so unglaublich viel Liebe erfahren an diesem Tag. Ich war es, der in der Kirche die ganze Zeit weinte, weil befreundete Musiker extra für uns gesungen haben. Wenn Marc Sway «Din Engel» singt, da bleibt einfach kein Auge trocken.

Wer hat den Antrag gemacht?

Rohr: Ich! Ich schenkte Hanna einen Aufenthalt im Kloster Fischingen. Es war eine kalte Winternacht, es schneite. Wir spazierten durch den Wald zu einer kleinen Kapelle, überall brannten Kerzen. Dann habe ich sie gefragt, ob sie meine Frau werden will. Es war unvergesslich schön. Wir waren allein in der Kapelle und haben 20 Minuten Kanons zusammen gesungen.

Was schätzen Sie aneinander?

Rohr: Hannas grosse Wärme, ihre Verbindlichkeit, Fröhlichkeit und Offenheit dem Leben gegenüber. Als Theaterleiterin schätze ich ihre Beharrlichkeit. Sie führt das Bernhard-­Theater erfolgreich ohne verbissenen Ehrgeiz.

Scheuring: Jetzt werde ich aber rot (fasst sich an die Wangen).

Rohr: Ich hab das alles sehr spontan gesagt.

Scheuring: (überlegt auch nicht lange) Ich schätze Danis unbändige Energie in allem, was er tut. Ich kenne keinen anderen Menschen, der so viel Kraft aufbringen kann. Ich bewundere seinen Einsatz, seine Fantasie. Er hat Humor, bringt mich immer wieder zum Lachen. Und er kann sehr gut auf Menschen eingehen, das finde ich schön.

Rohr: Was sie jetzt ganz vergessen hat: wie sehr sie meine Schönheit schätzt, meine Intelligenz und Bescheidenheit (beide lachen).

Sie haben beide zwei erwachsene Kinder aus früheren Beziehungen. Wie funktioniert Patchwork?

Scheuring: An der Hochzeit hat mein Sohn, der Jüngste der vier Kinder, eine lustige, aber auch rührende Rede über Patchwork vorgetragen. Er hat uns den Spiegel vorgehalten. Es war für alle nicht immer einfach, wir mussten zusammenfinden. Aber es hat sich gelohnt.

Rohr: Meine Kinder mögen Hanna sehr gern, Hannas Kinder mögen mich. Wir pflegen eine sehr schöne Beziehung.

Scheuring: Aber es ist ein Prozess, der viel Zeit braucht. Jedes einzelne Familienmitglied muss ins neue Gefüge hineinwachsen. Wenn Kinder merken, dass es Mami und Papi gut geht, dann können sie sich auch schneller darauf einlassen.

Sie sind nicht nur privat verbunden, auch beruflich. Sie führen beide erfolgreich ein Theater in der Stadt. Was bedeutet Ihnen die grosse Bühne?

Rohr: Das Theater ist unsere gemeinsame grosse Leidenschaft. Wir wissen beide, was es bedeutet, ein Theater zu leiten und jeden Abend als Gastgeberin und Gastgeber präsent zu sein. Wir bringen dieses gegenseitige Verständnis füreinander auf, was wichtig ist. Hanna inszeniert bei mir im Rigiblick, ich im BernhardTheater. Wir sind nicht kompetitiv, sondern unterstützen uns gegenseitig und besprechen alles.

Scheuring: Wir lieben das Theater, unseren Beruf, die Bühne. Eine gemeinsame Leidenschaft zu teilen, empfinde ich als Geschenk. Wäre ich Theaterleiterin und Dani freischaffender Künstler, dann wäre ich ja immer diejenige, die ihn engagieren könnte. Das wäre in meinen Augen nicht ausgeglichen. Bei uns gibt es kein Machtgefälle.

Sind Sie eifersüchtig?

Scheuring: Eigentlich nicht. Natürlich will ich Danis Nummer 1 sein, aber er gibt mir ehrlich gesagt nie das Gefühl, dass ich das nicht bin.

Rohr: Nein. Ich weiss, was wir aneinander haben. Keine Angst haben zu müssen in einer Beziehung, gibt mir ein gutes und sicheres Gefühl.

Dank Dating-Börsen im Internet bestehen heutzutage viel mehr Möglichkeiten, jemanden kennenzulernen. Viele Menschen haben das Gefühl, dass noch etwas Besseres kommt. Wird man mit dem Alter diesbezüglich gelassener?

Scheuring: Ich weiss nicht, wie es gewesen wäre, wenn wir uns mit 25 kennengelernt hätten. Im letzten Lebensdrittel wird man schon auch gelassener, führt Beziehungen anders. Ich weiss, was ich möchte, auch von meinem Partner. Das hilft.

Rohr: Ich habe viel gelernt in meinem Leben, auch in Partnerschaften. Ich habe meine Hörner abgestossen. Ich muss die Welt nicht mehr neu erfinden, keine Karriere mehr machen oder dem Glück hinterherrennen. Ich bin ein glücklicher Mensch, das darf ich von mir behaupten. Vor allem aber bin ich sehr dankbar für diese Beziehung.

Gibt es eine Eigenart des Partners, die Sie stört?

Scheuring: (denkt nach). Nein, nichts, wo ich sagen müsste, das macht mir jetzt Mühe, es zu akzeptieren. Dani, kommt dir zuerst etwas in den Sinn?

Rohr: Ich muss jetzt einfach immer Yoga mit dir machen (schmunzelt), aber es macht mir ja auch Spass. Und wenn wir abends lesen, schläfst du immer ein. Aber das ist ja keine Eigenart.

Scheuring: Ich bin definitiv weniger genau in gewissen Dingen als du, das nervt dich vielleicht manchmal. Im Garten zum Beispiel, wenn du alles so akribisch planst, mit den Pflanzen und Wurzeln, mit der Anzucht und ich mir einfach denke, das kommt schon gut. Du bist detailbewusster.

Rohr: Du machst es einfach anders. Und das ist auch okay.

Sie leben in der City und im Zürcher Oberland. Sind Sie mehr Stadtmenschen oder Landeier?

Scheuring: Beides! Ich spüre eine grosse Liebe zur Stadt Zürich, schätze die kulturelle Vielfalt und den See. Ich gehe schwimmen, so oft es geht. Wenn wir Ruhe suchen, fahren wir in unser Bauernhaus im Zürcher Oberland. Die Pflanzen, die Tiere, das ist unser Paradies.

Rohr: Wir sind Theaterleute, wir mögen das Urbane. Aber wir sind eben auch sehr naturverbunden, engagieren uns zum Beispiel bei uns auf dem Land gemeinsam mit Bird Life für die Wiederansiedlung eines Singvogels, des Neuntöters. Wir arbeiten sehr viel, auf dem Land tanken wir Kraft. Ich habe lange in Deutschland gelebt und gearbeitet, bin aber sehr gerne wieder in die Schweiz zurückgekehrt. Mir gefallen die flachen Hierarchien hier, auch im Theater, der Dialog und Umgang miteinander. Ich liebe die Sprache, meinen Dialekt. In Zürich fühle ich Heimat.

Als Theater-Direktoren ist es Ihr Auftrag, Tradition zu erhalten und das Volkstheater weiterzuentwickeln. Was wollen Sie gemeinsam noch erreichen?

Rohr: Wir planen immer wieder Projekte zusammen. Erstmals stehen wir gemeinsam auf der Bühne im Stück «Spiel mir das Lied ... von Morricone» mit einem Orchester und mit Pepe Lienhard. Wir huldigen einem der grössten Komponisten des 20. Jahrhunderts mit einem Tribut. Ennio Morricone hat die Musik zu fast 500 Filmen geschrieben.

Scheuring: Gemeinsam auf der Bühne zu stehen, ist eine schöne Erfahrung. Ich liebe den Sommer, freue mich aber auch sehr auf den Herbst, weil die Theatersaison startet und wir wieder zusammen auftreten dürfen. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass wir es auch mal etwas ruhiger angehen können. Es ist nicht mehr wie mit 40. Ich brauche mehr Regeneration. Auch viele schöne Sachen können irgendwann zu viel sein, dann lassen sie sich nicht mehr verarbeiten, alles wird oberflächlich. Das möchte ich nicht.

Rohr: Wir sind beide interessiert an der Welt, an Kultur, Natur, Philosophie. Das treibt uns an und es ist auch das, was unsere Liebe ausmacht.

 

Hanna Scheuring, geboren 1965 in Nussbaumen AG. Nach der Ausbildung zur Schauspielerin am Konser­-
vatorium für Musik und Theater in Bern spielte sie einige Jahre in Deutschland. In der Schweiz wurde sie durch ihre Rolle der «Vreni» in der Sitcom «Fascht e Familie» bekannt. Seit Oktober 2014 leitet sie das Bernhard-Theater in Zürich. Zum Saisonstart Mitte September zeigt das Theater «Trommeln über Mittag», ein therapeutisches Kammerspiel.
www.bernhard-theater.ch


Daniel Rohr, geboren 1960 in Zürich, absolvierte seine Ausbildung an der Hochschule Mozarteum in Salzburg. Es folgten rund 20 Jahre als Schauspieler auf deutschsprachigen Bühnen. Er spielte in diversen Schweizer Spielfilmen wie «Ernstfall in Havanna» mit. Unter dem Label Stern-Theater macht er eigene Projekte. Seit 2004 leitet er das Theater Rigiblick. Es startet mit «Kontrabass», nach dem Welterfolg von Patrick Süskind, in die Saison.
www.theater-rigiblick.ch

 

 

 

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