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Interview

Flughafen Zürich mit den Pisten 28 (v. l.), 16 (M.) und 32 (r. h.). Bild: Flughafen Zürich AG

Sicherer und pünktlicher oder umweltschädlicher und lauter?

Von: Sacha Beuth

06. Februar 2024

URNENGANG Weil gegen den Beschluss des Kantonsrates zur Pistenverlängerung im Flughafen Zürich sowohl das Behörden- wie das Volksreferendum ergriffen wurde, stimmt die Bevölkerung des Kantons Zürich am 3. März auch über dieses Thema ab. Im Vorfeld des Urnengangs hat das «Tagblatt» Gegner Benjamin Krähenmann (30), Umweltingenieur und Kantonsrat der Grünen, und Befürworterin Barbara Franzen (59), Kunsthistorikerin und FDP-Kantonsrätin, zu einem Rededuell geladen.

Seit Jahren ist bekannt, dass wegen der Kreuzungspunkte und des kurzen Bremswegs bei Startabbruch auf den Pisten 28 und 32 die Sicherheit nicht optimal ist. Dennoch wird erst jetzt über einen Pistenausbau abgestimmt. Hätte dies nicht viel früher geschehen müssen?

Benjamin Krähenmann: Wenn man sich den Flugbetrieb am Flughafen Zürich während der vergangenen 75 Jahre anschaut, dann sieht man, dass die Sicherheit gewährleistet ist. Das sagt auch Alex Bristol, der CEO der Flugsicherung Skyguide. Er wies zudem darauf hin, dass ein sicherer Betrieb künftig auch ohne Verlängerung der Pisten 28 und 32 möglich ist. Abgesehen davon könnte es selbst bei einem Pistenausbau weiterhin Pistenkreuzungspunkte geben.
Barbara Franzen: Ich möchte daran erinnern, dass der Hintergrund der Pistenverlängerung eine Sicherheitsüberprüfung ist, welche der Bund 2012 veranlasst und 2013 veröffentlicht hatte (siehe auch Box unten). Ziel davon war, die komplexen Betriebsabläufe zu vereinfachen und die systemischen Risiken am Flughafen Zürich zu eliminieren. Man will so eine Reduktion der Sicherheitsrisiken am Boden und in der Luft erreichen. Diverse Massnahmen zur Verbesserung der Sicherheitsmargen hat der Flughafen Zürich bereits umgesetzt. Die Pistenverlängerungen wäre eine Hauptmassnahme an der Infrastruktur, um die Sicherheitsrisiken zu reduzieren und die Sicherheitsmarge zu erhöhen. Dieser Schritt musste sauber erarbeitet werden und hat darum auch etwas Zeit gebraucht.

Der Bund hat die Verlängerung der Pisten bereits im Sachplan Infrastruktur Luftfahrt (SIL) festgesetzt. Warum also die Referenden? Gibt es einen Grund, die Fachkompetenz des Bundes anzuzweifeln?

Franzen: Nein, absolut nicht. Die Frage ist, vertraut man dem Bund und vertraut man dem Bundesamt für Zivilluftfahrt BAZL. Es gibt auch keine aufschiebende Wirkung dieses Entscheids durch das Bundesverwaltungsgericht. Dieses hat zudem ganz klar festgehalten, dass auch nicht auf Anträge einzugehen sei, die künftige Ausbauten oder Pistenverlängerungen am Flughafen Zürich verbieten wollen.
Krähenmann: Fakt ist: Wir haben bereits eine Situation, die sicher ist. Gemäss der Flugsicherung Skyguide kann heute schon jeder Flugzeugtyp auf der Piste 28 landen.
Franzen: Hier muss ich widersprechen. Die grossen und schweren Flieger haben Mühe, auf der Piste 28 zu landen, insbesondere bei schwierigen Wetterverhältnissen wie Rückenwind oder Regen. Das bedeutet, dass die Piste 28 oft von Piloten als Landepiste abgelehnt wird, was wiederum zu Verspätungen führt, weil dann erst eine andere Piste zugewiesen werden und das Flugzeug Warteschlaufen drehen muss. Mit einer längeren Piste reduzieren sich die Abweichungen vom vorgesehenen Anflugkonzept, und der Verkehr wird sowohl am Boden wie in der Luft entflochten. Krähenmann: Es stimmt zwar, dass die Pilotinnen und Piloten eine zugewiesene Landepiste ablehnen können. Die einen wählen dann eine andere Piste, die anderen landen schliesslich doch auf der Piste 28. Entscheidend ist, dass deswegen die Sicherheit nicht tangiert wird. Um auf die eigentliche Frage zurückzukommen: Es geht nicht darum, ob man Vertrauen in die Fachkräfte des Bundes hat oder nicht, sondern um den politischen Willen. Die Stimmbevölkerung im Kanton Zürich kann jetzt entscheiden, ob sie den Pistenausbau und damit Investitionen von 250 Millionen Franken für eine klimaschädliche Infrastruktur will oder nicht. Und ob damit die Grundlagen für einen Kapazitätsausbau geschaffen werden sollen.

Sie sprechen die Befürchtungen an, dass der Flughafen bei einem Ja nicht mehr «nur» um rund 30 Millionen Passagiere pro Jahr generiert, sondern die Kapazität auf 50 Millionen erhöht. Sind diese denn berechtigt?

Krähenmann: Es ist ja das selbsterklärte Ziel des Flughafens Zürich, die 50 Millionen Passagiere zu erreichen. Und er investiert eine Viertelmilliarde Franken für den Pistenausbau. Er hat folglich ein Interesse daran, das Geld wieder hereinzuholen, also mehr Kapazität zu schaffen. Angepeilt werden 70 Flugbewegungen pro Stunde, auch dies wäre eine Steigerung. Und zwei längere Pisten sind die Grundlage zum Erreichen dieser Ziele. Bezeichnend ist zudem, dass weder der Flughafen noch der Regierungsrat verbindliche Angaben machen konnten, dass es eben nicht zu diesem Kapazitätsausbau und mehr Flugverkehr kommt.
Franzen: Das stimmt so nicht. Der Flughafen hat immer wieder – unter anderem auf seiner Website – erklärt, dass er keine Kapazitätserhöhung beabsichtigt. Die 70 Flugbewegungen pro Stunde sind im SIL und im Flughafengesetz des Kantons Zürich als Obergrenze festgehalten. Mit den aktuellen Betriebssystemen am Flughafen Zürich können in der maximalen Auslastung 66 Flugbewegungen pro Stunde erreicht werden. Da ist kaum Luft nach oben. Bezüglich der Investitionssumme möchte ich darauf hinweisen, dass der Flughafen die 250 Millionen Franken für den Pistenausbau über seine Gebühreneinnahmen finanziert. Den Steuerzahler kostet es keinen Rappen.

Neben einem Plus an Sicherheit soll der Pistenausbau auch zu mehr Pünktlichkeit bei den Starts und Landungen führen. Trifft dies tatsächlich zu?

Franzen: Natürlich ist auch der internationale Flugverkehr schuld an den Verspätungen. Aber rund die Hälfte wird hier generiert. Und wie bereits erwähnt, führen Pistenablehnungen von Piloten zu einem vor Ort generierten Verspätungsaufbau, der durch den Pistenausbau klar reduziert werden könnte. Wenn wir weniger Verspätungen über den Tag hin akkumulieren, bedeutet dies, dass wir die letzte halbe Stunde von 23 bis 23.30 Uhr, die zum Verspätungsabbau reserviert ist, weniger in Anspruch nehmen müssen. Da Fluglärm vor allem in den Nachtstunden stört, ist das nicht nur eine quantitative, sondern auch eine qualitative Verbesserung.
Krähenmann: Die Verspätungen haben nichts mit der Pistenlänge zu tun. Die Piste 28 ist ein unkategorisierter Anflug. Alle Pilotinnen und Piloten können aber einen kategorisierten Anflug verlangen, was zu Verspätungen führt. Weitere Gründe sind die Bodenabfertigung, das Warten auf Anschlusspassagiere und der überlastete europäische Luftraum.

Selbst der Flughafen gibt zu, dass es durch den Ausbau vereinzelt zu mehr Lärm oder zumindest zu einer Verschiebung des Lärms kommen kann. Lässt sich das nicht vermeiden?

Franzen: Nein. Dennoch wird sich die Situation insgesamt verbessern. Verschiedene Empa-Studien zeigen, dass im Fall eines Pistenausbaus insgesamt weniger Personen von Lärm betroffen sein werden als heute. Jedoch kann es punktuell, etwa im Osten des Flughafens, zu mehr Belastungen kommen. So, wie es im Ostkonzept politisch schon zuvor vorgesehen war. Dafür gibt es eine deutliche Abnahme im Süden.
Krähenmann: Grundsätzlich würden tatsächlich nur weniger Flugbewegungen zu weniger Lärm führen. Darum ist es auch so wichtig, zu verhindern, dass nicht die Grundlage für noch mehr Lärm geschaffen wird.

Und welche Konsequenzen hätte es in Bezug auf den Umweltschutz?

Krähenmann: Einerseits haben wir von der Bevölkerung des Kantons Zürich den Auftrag, bis 2040 Netto-Null zu erreichen. Das schaffen wir natürlich nicht, wenn der Flughafen immer mehr Flugbewegungen zulässt. Andererseits geht durch die Pistenverlängerung wertvolles Kulturland verloren ...
Franzen: ... das allerdings mit der Schaffung neuer Naturflächen kompensiert werden muss. Krähenmann: Stimmt. Aber noch besser als Kompensation ist, diese Böden zu erhalten und Umweltschäden gar nicht erst entstehen zu lassen. Darum halten wir Grünen es für besser, in den Ausbau von internationalen Zugverbindungen zu investieren, statt in den Flugverkehr mit seiner hohen CO₂-Belastung.
Franzen: Wenn Flieger bei Pistenablehnung durch den Piloten riesige Bögen fliegen müssen, verschwenden sie unnötig Treibstoff und belasten so die Umwelt. Auch sollten wirtschaftliche Aspekte nicht ausser Acht gelassen werden. Die Investitionen in die Infrastruktur sichern nicht nur die enorme Wertschöpfung des Flughafens von 7 Milliarden Franken pro Jahr, sondern auch 30 000 Arbeitsplätze.

Zusammengefasst in zwei, drei Sätzen: Warum sollte der Pistenausbau unbedingt angenommen beziehungsweise abgelehnt werden?

Krähenmann: Der Pistenausbau ist unnötig und umweltschädlich, schon heute ist der Betrieb am Flughafen Zürich siher. Zudem wird dadurch die Lärmbelastung der Bevölkerung des Kantons Zürich langfristig zunehmen. Darum ist die Vorlage unbedingt abzulehnen.
Franzen: Die Vorlage sollte aus den folgenden drei Gründen unbedingt angenommen werden: Erstens werden durch den Pistenausbau die Sicherheitsrisiken in der Luft und am Boden reduziert. Zweitens wird so der Flugbetrieb tagsüber stabilisiert, wodurch abends weniger Zeit für Verspätungsabbau benötigt wird. Und drittens wird so die Zukunft des Flughafens nachhaltig gesichert.

 

«Pistenverlängerungen Flughafen Zürich» in Kürze

Ausgangslage:
Der Flughafen Zürich wird seit 1. Januar 1976 auf einem Pistensystem mit drei Start- und Landebahnen abgewickelt. Der Betrieb mit drei sich teilweise kreuzenden Pisten und mit den daraus entstehenden Kreuzungspunkten am Boden und in der Luft ist anspruchsvoll. Als Reaktion auf den schweren Vorfall zwischen zwei startenden Verkehrsflugzeugen im März 2011 auf dem Flughafen Zürich und gestützt auf eine daraus abgeleitete Sicherheitsempfehlung der Schweizerischen Unfalluntersuchungsstelle gab das Bundesamt für Zivilluftfahrt den Bericht «Sicherheitsüberprüfung Flughafen Zürich, Risiko- und Massnahmenbeurteilung» in Auftrag. Darin werden die massgeblichen Risiken am Flughafen Zürich auf- gezeigt und Massnahmen formuliert, um diese zu verringern. Eine wesentliche Massnahme zur Erhöhung der Sicherheitsmarge des Flugbetriebs am Flughafen Zürich ist dabei die Verlängerung der Pisten 28 und 32. Damit die Flughafen Zürich AG als Konzessionärin für den Betrieb des Flughafens beim Bund ein entsprechendes Plangenehmigungsgesuch einreichen kann, muss die kantonale Staatsvertretung im Verwaltungsrat der Flughafen Zürich AG diesem zustimmen. Das hat sie auf Ermächtigung von Kantonsrat und Regierungsrat hin getan. Doch gegen den Beschluss des Kantonsrates wurden das Behörden- und das Volksreferendum ergriffen. In der Folge legte zudem das Referendumskomitee «Nein zum Pistenausbau» eine Einsprache beim Regierungsrat gegen den Beleuchtenden Bericht zur Vorlage ein, weil die darin enthaltene Stellungnahme des Komitees von der Staats- kanzlei eigenmächtig geändert und gekürzt worden sei. Der Regierungsrat wies am 1. Februar die Einsprache ab, weil durch die Massnahmen keine Verletzung der Abstimmungsfreiheit sowie des Grundsatzes von Treu und Glauben vorläge.

Die Vorlage zusammengefasst:
Die Vorlage heisst konkret «Pistenverlängerungen Flughafen Zürich (Weisung an die Staatsvertretung im Verwaltungsrat der Flughafen Zürich AG)». Bei einem Ja erhält der Flughafen die Möglichkeit, den oben beschriebenen Planungsgrundlagen des Bundes zu folgen und die Pisten 28 und 32 zu verlängern.

Das sagen die Befürworter:
Der Landesflughafen Zürich soll auch in Zukunft als sicheres, attraktives und zuverlässiges Drehkreuz betrieben werden können. Dies sei für die internationale Erreichbarkeit, für einen attraktiven und wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort und für den Wohlstand im Kanton Zürich und der Schweiz sehr wichtig. Die Pistenverlängerungen seien kein Ausbau der Kapazität und das Betriebsreglement verändere sich deswegen nicht. Aber der Betrieb wird sicherer, zuverlässiger und pünktlicher. FDP, SVP, EDU, Die Mitte und eine Mehrheit des Kantons- und des Regierungsrats empfehlen darum, die Vorlage anzunehmen.

Das sagen die Gegner:
Die Folge der Pistenverlängerungen wären mehr Flugbewegungen und auch grössere Flugzeuge, was den Zielen von mehr Sicherheit und höherer Betriebsstabilität zuwiderlaufe. Der Flughafen sei bereits sicher, sonst dürfte gar nicht geflogen werden. Eine bessere Möglichkeit, um den Betrieb sicherer zu machen, wäre eine Verringerung der Flugbewegungen. Mit dem Pistenausbau würden 26 Hektaren Kulturland zum Opfer fallen und es drohen mehr Lärm und mehr klimaschädliche Emissionen. Mit einem Nein zum Ausbau bleiben Flughafen und Arbeitsplatzvolumen gleich gross, wie sie heute sind. SP, Grüne, EVP und AL empfehlen die Vorlage aus den genannten Gründen zur Ablehnung.

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