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Interview

Trachtengruppe Muotathal am Eidgenössischen Trachtenfest 2010 in Schwyz.

Tradition im Grossformat

Von: Ginger Hebel

16. Januar 2024

Ein seltenes Ereignis steht vom 28. bis 30. Juni vor der Tür: 50 Jahre nach dem letzten Trachtenfest in Zürich findet im Sommer wieder ein Eidgenössisches Volksfest mit Brauchtumsgruppen aus der Schweiz statt. 

Die Stadt Zürich ist nach 1939 und 1974 zum dritten Mal Gastgeberin des Eidgenössischen Trachtenfests. Trachtenleute aus allen Kantonen präsentieren sich mit Tanz, Gesang und Musik. Welchen Stellenwert hat Zürich für die Trachtenkultur?

Johannes Schmid-Kunz: Einen bedeutenden Wert! Zahlreiche volkskulturelle Erscheinungen sind in der Stadt gross geworden und heute hauptsächlich noch in ländlichen Gegenden bekannt. Die Stadt Zürich hat auch eine grosse Bedeutung, was die Ländlermusik betrifft. Kasi Geisser, Sepp Stocker oder Jost Ribary gehörten zu den besten Volksmusikern ihrer Zeit und waren in den 1920er- und 1930er-Jahren Zürcher Stadtgrössen. Bereits bei der Eröffnung des Landesmuseums 1889 hat es einen Trachtenumzug gegeben. 1939 fand das Eidgenössische Trachtenfest erstmals in Zürich statt. Es war das Erste in der Geschichte, welches von der Trachtenvereinigung organisiert wurde.

Sie sind Geschäftsführer des Trachtenfests und selber gerne in Trachten gekleidet. Was fasziniert Sie an diesem Kleidungsstück?

In der Mode wird immer von Nachhaltigkeit gesprochen. Nun, die Tracht ist wohl eines der nachhaltigsten Kleidungsstücke überhaupt. Und die Schweiz kennt über 700 verschiedene Trachten! Sie alle sind aus hochwertigen Materialien gefertigt, massgeschneidert und zeitlos. Mein Favorit ist die Zürcher Wehntaler Tracht (siehe grosses Foto). Ich habe sie vor über dreissig Jahren zu meiner Hochzeit getragen und kürzlich wieder zur Hochzeit meines ältesten Sohnes. Ich bin äusserst zufrieden mit der Qualität. Das Pendant, die Wehntaler Frauentracht mit blauer Schürze, ist schweizweit bekannt. Sie wird häufig am Zürcher Sechseläuten getragen. Bereits im 19. Jahrhundert wurde der Kanton Zürich auf Festplakaten immer mit dieser Tracht dargestellt.

Bereits wurden gegen 2500 Festabzeichen verkauft, obwohl das Volksfest erst im Sommer stattfindet. Sind Sie zufrieden?

Sehr, denn es zeigt, dass die Leute ganz offensichtlich auf so einen Anlass gewartet haben. Den grössten Rücklauf erhalten wir derzeit aus den Kantonen Bern und Luzern, aber auch Brauchtumsfreunde aus Samnaun, dem Appenzellerland, dem Jura, aus Genf und dem Oberwallis werden anreisen. Es gibt nur wenige Kantone, die sich noch nicht angemeldet haben. Aber noch bleibt Zeit. Wir stecken mitten in den Vorbereitungen fürs grosse Volksfest.

Es handelt sich um einen traditionellen, volkstümlichen Anlass. Warum sollen ihn auch junge, moderne Leute besuchen?

Natürlich muten Trachten auf den ersten Blick nostalgisch an. Brauchtum fristet ein Nischendasein. Aber: Volkstanzkurse beispielsweise sind sehr beliebt. Wer Volkstanz bühnenmässig ausübt, ist körperlich stark gefordert, auch, was die Choreografien betrifft. Es gibt daher auch viele Junge in dieser Szene. Trachtenfreunde sind sehr kommunikativ. Es kann sehr spannend sein, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und alles über die Hintergründe und Geschichte zu erfahren. Hinzu kommt der Fakt, dass das Trachtenfest nach 50 Jahren wieder in der Stadt Zürich stattfindet. Es ist eine einmalige Gelegenheit, es selber zu erleben.

Was sind derzeit die grössten Herausforderungen in Bezug auf die Organisation?

Die Frage nach Sponsoren treibt uns um. Zudem ist es unser Ziel, das Eidgenössische Trachtenfest bekannt zu machen, über die Stadtgrenzen hinaus, denn alle sind willkommen; Brauchtumsfreunde sowie Neugierige. Im Festabzeichen (Preis: 60 Franken, inklusive Zugang zu allen Festplätzen, Umzügen und Konzerten) ist auch das ÖV-Ticket inbegriffen. Es wird auch freie Bühnen geben, auf denen man auftreten kann: Eine grosse Chance für Volkstanzgruppen, Musiker und Gesangsformationen, auch aus dem Nachwuchsbereich.

Ein Grossanlass kann nicht ohne Helfende durchgeführt werden. Haben Sie genug Freiwillige?

Ohne den Einsatz von Freiwilligen funktioniert kein Volksfest. Wir bieten über 2000 gedeckte Verpflegungsplätze; wir sind darauf angewiesen, dass sich viele Freiwillige melden. Demnächst wird es auf unserer Website ein Anmeldeformular geben. Auch Sport- und Kulturvereine dürfen mithelfen. Es gibt ja auch einen Zustupf in die Vereinskassen!

Was bedeutet Ihnen das Trachtenfest persönlich?

Wir sind seit über sieben Jahren mit der Planung und den Vorbereitungen beschäftigt. Diesen Sommer wird es endlich so weit sein. Ich kann es kaum erwarten. Ich war 1974 bereits als Mitglied einer Kinder-Volkstanzgruppe am letzten Zürcher Trachtenfest dabei. Das Eidgenössische Trachtenfest 2024 wird einer der persönlichen Höhepunkte meines Lebens.

Weitere Informationen: Eidgenössisches Trachtenfest, 28. bis 30. Juni 2024

www.trachtenfestzuerich.ch

 

 

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